Wochenlang hatten sich die Bildungsexperten der Parteien gestritten. Das neue Gesetz soll am 15. September beschlossen werden.

Hamburg. Plötzlich soll alles ganz schnell gehen: Die vier Fraktionen der Bürgerschaft - CDU, SPD, GAL und Linke - haben sich auf einen Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes geeinigt. Dieses Änderungsgesetz, mit dem die Konsequenzen aus dem Volksentscheid gegen die Primarschule gezogen werden, soll zur Bürgerschaftssitzung am 15. September eingebracht und sofort in erster und zweiter Lesung beschlossen werden.

Wochenlang hatten sich die Bildungsexperten der Parteien, Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) und nicht zuletzt Walter Scheuerl von der Volksinitiative "Wir wollen lernen", heftig über den richtigen Kurs nach dem Nein der Hamburger zur Primarschule gestritten. Reformgegner Scheuerl hatte sogar schon einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.

"Die erforderlichen Änderungen am gültigen Schulgesetz sind einfacher, als wir zunächst gedacht hatten", nennt der SPD-Schulpolitiker Ties Rabe den Grund für die schnelle Einigung. "Der Volksentscheid gibt sehr klare Wegweisungen, wie das Gesetz aussehen muss." Deswegen hätten die Bildungspolitiker die Chance gesehen, "durch Beschleunigung des Zeitplans organisatorische Maßnahmen des alten Schulgesetzes, die durch den Volksentscheid überholt sind, gar nicht erst in Kraft treten zu lassen", so Rabe.

Die Fraktionen wollen nun vor der Entscheidung am Mittwoch der kommenden Woche mit Eltern-, Lehrer- und Schülerkammer sowie der Volksinitiative der Primarschulgegner über den Gesetzentwurf sprechen. Selbst der große Widersacher Scheuerl gibt sich kooperativ. "Gegen eine schnelle Umsetzung des Volksentscheids ist nichts einzuwenden", sagt Scheuerl. Allerdings sei entscheidend, was im Gesetzentwurf stehe, den er noch nicht kenne. Auch wenn die Feinarbeit am Gesetzestext noch nicht abgeschlossen ist, haben sich die vier Fraktionen im Grundsatz auf folgende drei Änderungen geeinigt:

Fusionsschulen: Die ursprünglich vorgesehenen Fusionen von Grundschulen sollen weitgehend gestoppt werden. Nach Informationen des Abendblatts sollen alle zweizügigen Grundschulen eigenständig bleiben. Das trifft auf die große Mehrheit der 100 Fusionsschulen zu. Nur 15 Standorte sind einzügig. Hier wollen die Politiker die Meinungsbildung an den Schulen abwarten.

Die Fusionen sollten zu größeren Primarschulen führen, deren Bildungsangebot dann umfangreicher hätte sein können. Der Verzicht auf die Zusammenlegung führt jetzt dazu, dass die Schüler der ersten Klassen kürzere Schulwege behalten, weil es mehr eigenständige Standorte gibt.

Über die rechtliche Lage der Fusionsschulen hatte es in den zurückliegenden Wochen eine heftige Debatte gegeben. Die Schulbehörde vertrat den Standpunkt, dass die Fusionen per Rechtsverordnung bereits herbeigeführt seien, nachdem die Schuldeputation die Verordnung beschlossen hatte. Danach müssten sie also auch organisatorisch an den Schulen zunächst einmal vollzogen werden, ehe der Trennschritt dann per neuer Rechtsverordnung erfolgen könne.

Dagegen hatte Scheuerl stets betont, die alte Rechtsverordnung sei nie in Kraft getreten, weil sie nicht im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht worden sei. Diese Sicht der Dinge hat sich nun offenbar durchgesetzt.

Langformen: Die Bürgerschaftsfraktionen wollen die Möglichkeit, Kinder an einem Standort von Klasse 1 bis 10 oder 13 durchgängig zu unterrichten, im Schulgesetz absichern. Viele Gesamtschulen, die jetzt Stadtteilschulen sind, arbeiten seit vielen Jahren als Langformen, also mit einer angeschlossenen Grundschule. Die schwarz-grüne Schulreform hatte auf einer Trennung beider Schulformen bestanden und die Langformen aus dem Gesetz gestrichen.

Nach Abendblatt-Informationen sollen Langformen in Zukunft möglich sein, wenn die Gremien von Grund- und weiterführender Schule dies beschließen. Für besonders ambitionierte Langform-Standorte sind Ausnahmeregelungen vorgesehen, die sofort greifen können. Dazu zählen die Max-Brauer- und die Erich-Kästner-Stadtteilschule sowie die Standorte Alter Teichweg und Winterhude.

Starterschulen: Die jetzigen Fünftklässler an den 23 sogenannten Starterschulen (sie sollten die Vorreiter der Reform sein) sollen nach dem Willen der vier Fraktionen für dieses und das kommende Schuljahr Vertrauensschutz genießen. Das heißt: Die rund 830 Kinder können ihren weiteren Schulweg unter den Bedingungen der Primarschulreform fortsetzen. Der Übergang nach Klasse sechs auf eine weiterführende Schule soll gewährleistet werden. Eine erneute fünfte Jahrgangsstufe wird es an diesen Schulen im nächsten Schuljahr nicht mehr geben. Ein Schulversuch Primarschule ist nicht vorgesehen.

Schulsenatorin Goetsch begrüßte die Einigung der Fraktionen: "Die rasche Änderung des Schulgesetzes macht klar, dass der Volksentscheid ohne Wenn und Aber umgesetzt wird", sagte Goetsch. Nun gebe es die rechtliche Grundlage, den Grundschulen zu ermöglichen, "eine nicht mehr gewünschte Fusion nicht weiter vollziehen zu müssen".