Hunderte Hamburger besuchten am Wochenende das Grab in Ohlsdorf. Die Grabstätte ist frei von Schnörkeln und von Stil und Würde geprägt.

Ohlsdorf. Wie ihr Leben, so das Grab: einfach gehalten, frei von Schnörkeln, indes von Stil und Würde geprägt. "Das passt zu Loki", flüstert Hermann Dominico angesichts des schlichten Steinquaders mit den fast verwitterten Inschriften. Loki Schmidts Name ist noch nicht dabei, aber Gustav Schmidt (1888-1981), Lokis so sehr geschätzter Schwiegervater. Zwei Rhododendren wachsen neben dem Stein, Ilexhecken an den Seiten. Davor rote Windlichter. Zwei rosafarbene Rosen ruhen auf einem Pflasterstein. Das war's.

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Wie viele Hundert Hamburger besuchte der Heizungsbauer aus Alsterdorf am Wochenende die letzte Ruhestätte Hannelore Schmidts auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Etliche taten sich schwer, das Familiengrab der Schmidts zwischen Mittelallee und Krieger-Ehrenallee zu finden. So wenig spektakulär ist es. "Auch wir hatten nach Kränzen und einem Blumenmeer Ausschau gehalten", ergänzt die Kinderbetreuerin Ruth Dominico. Doch all die Ehrbezeugungen wurden am Mahnmal für die Opfer der NS-Verfolgung direkt am Haupteingang des Friedhofs niedergelegt - an Grabstelle 244 wäre nicht ausreichend Platz gewesen.

Die Entscheidung des Ehepaares Dominico, Loki Schmidt sechs Tage nach der Trauerfeier im Michel ganz persönlich Respekt zu erweisen, ist spontan gefallen - auch ob des herrlichen Ausflugswetters. Mit dem Fahrrad machten sich beide auf den Weg, beseelt von schönen Erinnerungen an die Verstorbene. "Ich werde sie nie vergessen", sagt Frau Dominico nach einer Schweigeminute. Besonders beeindruckt habe sie Lokis Wagemut und Beharrlichkeit. Auch in bitteren Kriegsjahren und mehreren Fehlgeburten zum Trotze. "Mir wird ihre markante, norddeutsche Stimme ewig im Ohr bleiben", fügt der Ehemann hinzu. "Loki war ein geradliniges Urgestein." Gesegnet von trockenem Humor: "Allein die Frage an Henning Voscherau viele Jahre vor ihrem Tod, ob er noch Bestellungen annehme ..." Für Trauerreden.

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Immer wieder kommen Trauernde hinzu, andere gehen wieder. Dezente Ruhe dominiert, jedoch keine Sprachlosigkeit: In Grüppchen stehen Menschen beisammen und sprechen über Loki und Helmut Schmidt. "Wir spüren einfach nur große Hochachtung", sagen Angelika und Günter Raap unisono. "Wir haben Loki verehrt." Daran ändere sich fortan gar nichts. Frau Raap erinnert sich noch gerne an den Besuch Loki Schmidts in der Bäckerei am Langenhorner Markt, in der sie früher arbeitete.

Normal sei sie gewesen, bodenständig und freundlich. Vor dem Tod der Ehrenbürgerin hat Frau Raap ihrem Mann ein Geschenk gemacht: "Erzähl doch mal von früher", das Loki-Buch. Auch Annegret Stehnck und Siegfried Bauer aus Norderstedt haben schöne Erinnerungen an damals. An die hanseatische Art, mit der Loki und Helmut Ehre für ihre Heimatstadt eingelegt haben. Mehr Sein als Schein. Genau diese Tugend unspektakulärer Bodenhaftung hat auch Jürgen Exler von Münster nach Ohlsdorf geführt. Ein Konzert am Sonntagabend in der 02 World nutzt er zum Abstecher zu Loki Schmidts Grab. Obwohl er sich am Friedhofstor wie andere auch einen Lageplan mit markierter Stelle geben ließ, wurde der Friedhof zum Irrgarten.

"Am Sonnabend und Sonntag waren gut und gerne tausend Menschen hier bei ihrer Loki", sagt ein Mann mit Plastikbeutel und grüner Gießkanne. Er kennt hier jeden Meter. Ebenso wie Dr. Klaus Matthias aus Winterhude. Der Mediziner war 25 Jahre Amtsarzt auf dem Ohlsdorfer Friedhof und schätzte an Hannelore Schmidt neben ihrem bescheidenen Wesen vor allem ihr "schönes Barmbeksch", das betonte Idiom. Wie viele andere an Lokis Grab mache auch er sich Sorgen um den Witwer Helmut Schmidt.

"Ich bin 90 Jahre alt und spreche aus Erfahrung", sagt der Amtsarzt im Ruhestand, derweil die letzten braunen Blätter von der riesigen Buche neben dem Grab der Schmidts zu Boden schweben. Vor acht Jahren sei seine Frau gestorben, ein nicht zu ersetzender Verlust. Freunde, Kontakte und Unternehmungen seien Medizin für weitere Lebensfreude. Dann zieht er seine Mütze, verneigt sich vor dem Grab - in andächtigem Schweigen.