Mit dem Mobiliar der Stadt zu arbeiten, ist das Prinzip des amerikanische Street Artist. Er ist zu Gast im Kunstverein Buchholz.

Buchholz. Dunkellila ist sein Finger. Geschwollen und schmerzt. Das Malheur ist vor zwölf Stunden passiert, als Brad Downey den Asphaltbelag, der jetzt als Kunstwerk auf dem Boden liegt, in die Galerieräume des Kunstvereins Buchholz getragen hat. Inzwischen ist der amerikanische Street Art-Künstler wieder leidlich gut gelaunt, rückt zwei Stühle zusammen und erzählt: Den Asphaltboden, der mit Erdbrocken auf den Kacheln des Kunstvereinsbodens liegt, hat er seit Jahren am Berliner Ostbahnhof gesehen. Die Wurzeln eines Baumes hatten den Asphalt aufgebrochen. Und immer habe er sich gesagt: "Wie kann ich das Faszinosum mal in meine Arbeit integrieren?" Und da Brad Downey Street Art-Künstler ist, standen die Karten für den Asphalt nicht übel. Er wurde zur Ausstellung nach Buchholz gefahren.

Mittlerweile ist Downey bekannt. Nicht unschuldig daran ist die Firma Lacoste, die zum 75. Firmenjubiläum Künstler einlud, die Marke Lacoste im Kadewe künstlerisch zu interpretieren. Downeys Konzept hörte sich eher vage an: Er orakelte - "something outside will turn green." Das fanden die Auftraggeber o.k., nichts ahnend, dass es die Fenster des eigenen Kadewe werden würden. Das war dann leider nicht mehr so o.k.

Seitdem hat Downey im Kadewe strengstes Hausverbot und man redet nicht mehr miteinander.

"Es war Wasserfarbe", sagt Downey über seine Intervention. Der Künstler mit dem irischen Look, den roten Haaren und jeder Menge Sommersprossen im blassen Gesicht gilt als Rebell, aber eigentlich mag er es am liebsten, wenn alles ruhig läuft. Auch die Aktion "House of cards" in Münster, bei der er zusammen mit einem Freund Gehwegsteine aus dem Pflaster ritzte und versuchte, mit ihnen ein Kartenhaus aufzuschichten, bis die Polizei vorbeischaute, war nicht als Provokation gedacht.

Mit dem Mobiliar der Stadt zu arbeiten, das ist Downeys Prinzip: Kleine Details, die er dem Stadtraum hinzufügt, reichen für Wahrnehmungsverschiebungen. Da schaut einen schon mal ein schwangeres Stoppschild mit Kugelbauch an, leuchten Luftballons aus einer leeren Telefonzelle oder wächst ein Baum aus dem aufgebrochenen Asphalt heraus. Ein Motiv, das wiederkehrt. Downey sucht selbst nach Gründen, warum er so fasziniert davon ist, unter die Pflastersteine zu schauen, sie zu schichten und zu reihen. "Vielleicht, weil ich immer auf den Boden schaue, wenn ich gehe." Und nun in Buchholz wieder ein offener, erdbrockiger Boden.

Viele dieser nicht "autorisierten" Aktionen im öffentlichen Raum begeht Downey am Sonntag. Ein herrlich ruhiger Tag und wie geschaffen für seine Aktionen. Anfangs zog er sich noch eine Arbeiterweste an, doch mittlerweile hat er das Gefühl "ehrlicher" zu sich und den Menschen sein zu müssen.

"Ich will mit dem Material der Straße malen, flüchtige Skulpturen schaffen", erklärt Downey sein Anliegen, der seit 2007 im Prenzlauer Berg in Berlin wohnt und aus Prinzip nur Englisch spricht - mit diesem schnarrenden Akzent. "Streetfurniture" nennt er die Zeichen und Objekte, die gratis im öffentlichen Raum stehen und auf Interventionen, kleine Eingriffe nur zu warten scheinen. Wie die sich drehende Litfaßsäule in der Nähe seines ersten Galerieraums bei der Danzigerstraße, die mit bunten Klebebändern eingetaped wurde oder der pinke Telefonhörer, der wie eine Geisel mit Klebeband zum Schweigen gebracht wurde. Oft wirken die Objekte der Stadt durch seine Eingriffe belebt, immer aber anders und sichtbarer.

Auch im beschaulichen Buchholz will Downey den Raum "transformieren". Erst mal allerdings den Galerieraum. Der gewellte Straßenbelag soll "Pfützen" aus Wasser erhalten - solche, in denen sich die Lichter des Raums und die Umgebung brechen, der Umraum ins Werk geholt wird. "So wie es manchmal draußen geschieht", sagt Downey. "Wenn es geregnet hat und das Licht plötzlich magisch wird, you know?" Erwartungen an Buchholz? Downey, der sonst in Paris, New York oder Berlin seine Interventionen im öffentlichen Raum vornimmt, sagt "nein". Schließlich sei er in Kentucky groß geworden und kenne die Provinz.

Die Ausstellung mit Titel "Shallow" (zu Deutsch Untiefe) ist beim Besuch am Dienstag noch "Work in Progress". Downey, der 1980 geboren wurde, hat Malerei und Videos im Gepäck, die an der Wand lehnen. Auch die Chance, unerlaubt in den öffentlichen Raum zu intervenieren, sieht er für Buchholz. Vielleicht wird ein Video in der Nordheide entstehen. Doch blöd wäre ja, das in der Zeitung anzukündigen.

Einen schlagartigen Karrieresprung gab es bei Downey nicht. Er habe einfach immer beharrlich weiter gemacht. Mit Graffitis angefangen und sich dann mehr und mehr hin zur Skulptur, zur temporären Intervention weiterentwickelt. Viele Arbeiten zitieren Kunstgeschichte, Downey hat an der renommierten Slade School of Art in London studiert. Und irgendwann waren die Mittel dann nicht mehr so beschränkt wie damals, als die Symbole und Zeichen der Straße sein günstiger Malkasten waren. Und plötzlich waren die Ausstellungshäuser berühmter.

Berlin, die temporäre Wahlheimat von Downey, wenn er nicht mit dem Flugzeug auf Reisen ist, ist mittlerweile ein besserer Platz für Künstler als New York, findet er. "Hier hat man Raum und Zeit, um zu arbeiten, weil alles noch nicht so teuer ist, und es gibt vor allem Patz."

Im Kunstverein Buchholz hegt man seit längerem Interesse für Street Art, die es mittlerweile in Museen und Sammlungen wie die des Hamburger Jungkunstsammlers Rik Reinking geschafft hat. Künstler wie Boxi, Daim und nun Brad Downey trugen ihre Arbeiten in den Kunstverein. Sorgen um das Verständnis der Kunstvereinsmitglieder macht sich Kunstvereinsvorstand Christoph Selke nicht: "Die sind neugierig und kommen."

Außerhalb der weißen Kunsträume hinterlässt Downey gerne seine Signatur: Vielleicht wird er Buchholz nicht verlassen, ohne ein "Brad Downey was here" zu schreiben.

Brad Downey: Shallow. Eröffnung Sonntag 7. August (11 Uhr), bis 4. September, Kirchenstraße 6 in Buchholz