Den Kunstsammlern Thomas Olbricht und Harald Falckenberg gelingt es, Lücken der ewig klammen Museumshäuser zu schießen.

Die Passion des Sammelns. Im kleinen Stile kennt sie wohl jeder, wenn unsere Anhänglichkeit an die Dingwelt uns dazu führt, immer mehr Objekte einer Sorte anzuhäufen. Im großen Stil des Kunstsammelns kennen sie die wenigsten. Meistens einfach in Ermangelung finanzieller Mittel. Und doch verspricht diese Variante der Sammlerlust besonderen Distinktionsgewinn. Sigmund Freud räsonierte bereits um die Jahrhundertwende über die Leidenschaft zum Anhäufen von Kunst und orakelte von "Sublimierung" und Kompensation eines "Mangels" aus der Kindheit.

Im Falle der Kunstsammler Thomas Olbricht aus Essen und Harald Falckenberg aus Harburg ist der Hang zum Sammeln, Einverleiben und Haben-Wollen besonders edel und mit gesellschaftlich günstiger Prognose, denn es gelingt den beiden Gegenwartssammlern, Lücken der ewig klammen Museumshäuser zu schießen. In die nördliche Deichtorhalle, der Halle für aktuelle Kunst, sind nun Werke beider Sammlungen eingezogen, und zwar durch das kuratierende Händchen von Deichtorhallenleiter Dirk Luckow.

In dialogisierenden Konstellationen hängen sie da, aus ihrem bewährten Sammlungskontext heraus gerissen und in einen neuen Kontext eingespeist. Bereit, neue Kraftlinien und ein Prisma der Gegenwartskunst zu eröffnen: Werke aus beiden Sammlungen. Mit einem Paukenschlag beginnt der Dialog: Raum eins eröffnet männlich-viril, mit Hang zur popkulturellen Gewaltpose und medialer Überwachungsfantasie: Che Guevara ist in einer Glasvitrine im Ausfallschritt und mit entladener Pistole (Gavin Turk) ist zu sehen, dahinter eine auf den Besucher zielender Revolver von Richard Longo und das Werk "Ace of Spades" von Wolfe von Lenkiewicz, das mit Totenkopf und Revolver den doppelten Elvis von Warhol aufruft. So wird Effekt erzielt. Man meint Falckenbergs anarchischen Sammleratem zu spüren, doch biegt man um die Ecke, schlägt gleich Olbrichts Handschrift durch.

Raum zwei wirkt farbenfreudiger und abgründig-subtiler: Zwei bunte Plastikfiguren mit riesigen Kindergesichtern nehmen den Raum ein. Werke von Takashi Murakami. Fröhlich und verspielt - doch bei genauem Hinsehen zugleich ein "Memento Mori", in den Händen halten die knallbunten Plastikfiguren nämlich einen mahnenden Stab mit einem Totenkopf. Wächter zur Unterwelt. Doch in dieses nur scheinbar süßliche "Kinderzimmer" gesellen sich weitere Werke, die den Boden des Harmlosen schwankend und unheimlich machen.

Mike Kelley, Meister des Unheimlichen, liefert eine riesige Schlange aus Plüschtieren, die sich zur drohenden Fontäne in die Luft erhebt - unheimlich und ins Regressive der Kindheit zurücksinkend. An den Wänden ein asiatisches Kindergesicht, pastellzart, mit riesigen Mandelaugen kurz vor dem Ertrinken (Yoshitomo Nara), eine Nähe zum Horror-Genre taucht auf. Raum drei nimmt das Szenario des Unheimlichen in einem konzeptuellen Minimalismus zurück, ruhige Arbeiten in Grauwerten von Gerhard Richter, ein Bürostuhl, der sich in der Glasvitrine auf eine aberwitzige Umdrehung beschleunigt. Schnell erstarrt eine Sammlung zu ihrem eigenen Klischee, das sie vor sich herträgt, das natürlich einen gewissen Wahrheitswert und eine Orientierung birgt, aber natürlich auch eine Reduktion von Komplexität bedeutet. Bei Falckenberg, der als Geschäftsführer der Firma Elaflex zu einem gewissen Vermögen mit einem Patent für Tankstutzen kam, lauten die Schlagworte: politisch, provokant, Kunst der Groteske oder die postmodern bodenlose Parodie. Olbricht hingegen wird das emotionalere Sammler-Händchen zugewiesen, eine Sammlung quasi als Frucht einer intuitiv auswählenden Passion. Als Arzt interessiere ihn mehr das Körperliche, heißt es.

Kurator Dirk Luckow gelingt es durch Auswahl und Zusammentragen, das ungesehene Potenzial in beiden Sammlungen freizusetzen und doch ihre Kontur in der Ausstellung "Zwei Sammler" erfahrbar zu machen. Rund um verschiedene Themenkomplexe wie Tod, Liebe, Kindheit oder Gewalt wurde konstelliert, so dass sich sammlerische Handschriften und ein aufregendes, verblüffendes Spannungsfeld der Gegenwartskunst ergeben.

Was es sonst noch zu sehen gibt? Farbfeldarbeiten von Heimo Zobernig und Sarah Morris oder Arbeiten, die die Ironie einer sicheren Behausung im lädierten Leben umkreisen, mediales Drängen (Sam Durant) und stachlige Grenzziehung à la Marc Dion, sexuelle Anspielungen, Groteskes nebst seltsamen ausgestopften Tieren, kleine wunderliche Kabinette von Absurditäten aus den Schatzkammern der Sammler.

Wie die beiden Herren zum Sammeln kamen? Olbricht sieht den Drang schon seit Kinderschuhen angelegt, seit der Briefmarken auf den Geschäftsbriefen, die sein Vater beim Wella-Konzern aus aller Welt bekam und die er zu sammeln begann. Das Verkaufen seiner Anteile als Aufsichtsratsvorsitzender des Wella-Konzerns versetzte ihn als Sohn schließlich in die angenehme Lage, Kunst-Werke großzügig einkaufen zu können. Falckenbergs erste Schritte als Sammler waren konventionell, wie er selbst findet. Erst der Kontakt zum Hamburger Künstler Werner Büttner, dem reflektiert-Standortlosen und immer Spöttischen, der im Rahmen seiner Scheidung Unterschlupf bei ihm in einer Männer-WG fand, schärfte seine ästhetische Urteilskraft nachhaltig und brachte Falckenberg in Kontakt mit den Jungen Wilden der 80er, die seiner Sammlung als wichtige Säule Kontur geben.

Falckenberg selbst hatte schon früher den Dialog mit anderen Sammlern gesucht - wie der Sammlung Ingvild Goetz oder jüngst der Sammlung Rheininghaus. Diese Zusammenschauen müssen den Vergleich mit "Zwei Sammler" in den Deichtorhallen nicht scheuen. Im Gegenteil: die räumlichen Möglichkeiten in den Harburger Phoenixhallen sind immens. Dort ist derzeit allerdings auch eine Ausstellung zu sehen: In die Phoenixhallen eingezogen sind Arbeiten des Züricher Konzept-Künstlers Dieter Meier, den viele als extrovertierten Musiker des Elektropopduos Yello kennen dürften und der hier mit seiner situationistischen Kunst überrascht.

"Zwei Sammler - Thomas Olbricht und Harald Falckenberg", bis 21. August, nördliche Deichtorhalle. "Dieter Meier: Works 1969-2011 And The Yello Years"bis 11.9., Sammlung Falckenberg, Wilstorfer Straße 71, Tor 2, Führungen Mi 18, Sa 15, So 12 und 14 Uhr. www.sammlung-falckenberg.de