Kunstverein Buchholz feiert Jubiläum mit einer großen Gruppenausstellung seiner Künstler

Dröges Vereinsleben gibt es hier sicher nicht. Hinter der Glastür in der Kirchenstraße öffnet sich ein Reich mit weißen Wänden. Darüber wachen erbarmungslose Kunstlichtbirnen. Auf 100 Quadratmetern. Der Kunstverein Buchholz ist ein Ort für zeitgenössische Kunst. Ein Ort, wie man ihn nicht in der Nordheide vermuten würde. Doch warum eigentlich nicht?

Vielleicht kann nur hier, abseits von kunstszeniger Arroganz, vielleicht kann nur hier in der Provinz ein so freundlicher, unprätentiöser und kunstfreudiger Ort entstehen. Seit zehn Jahren zeigt das Team um Kunstvereinsvorstand Christoph Selke und den künstlerischen Leiter Dr. Sven Nommensen Positionen zeitgenössischer Kunst. - Zehn mutige Jahre, und natürlich: garniert mit so mancher Anekdote.

Christoph Selke kann sich zum Beispiel noch gut daran erinnern, wie er am Vorabend einer Ausstellungseröffnung in den Kunstverein kam, und auf dem Boden zwei Künstler mit Dosenbier vorfand, von Ausstellung leider überhaupt keine Spur. Dafür zwei angeheiterte Jungkünstler mit einem technischen Problem. Da braucht es starke Nerven - doch am nächsten Tag war wie von Geisterhand alles fertig. Die Vernissage konnte beginnen. Keiner hat was gemerkt.

Und auch Aufreger waren bei dem überwiegend jungen Programm dabei: Baldur Burwitz zeigte in der Ausstellung "Ideallinie" nichts weiter als eine weiße Linie auf dem Boden, die zudem alles andere als gerade war. Das wollten ihm nicht alle durchgehen lassen. Dazu passt vielleicht das kecke Motto des Kunstvereins: "Most art says nothing to most people". Doch darüber, so finden die Buchholzer, lässt sich wiederum trefflich ins Gespräch kommen.

Zum zehnjährigen Bestehen gibt es nun eine Gruppenausstellung, und mehr als 60 Künstler sind der Einladung gefolgt, ein neues Werk auszustellen. Thorsten Passfeld, der damals mit seiner Ausstellung in den Außenraum ging und einen Holzbau zimmerte, die Kneipe "Zum falschen Freund", in der auf dem Buchholzer Stadtfest noch nach Betriebsschluss heiter bis in die Nacht gefeiert wurde, ist mit einer heiter-denkwürdigen Botschaft dabei: "Irgendwas mit Evolution" heißt sie und darauf ist nachzulesen, was vielleicht auch für die künstlerische Selektion nicht ohne Bedeutung ist: "Die Reichen und Starken und Schönen und Schlauen behalten Recht."

Künstlerin Hermine Anthoine überrascht wiederum mit bräunlichen, amorphen Häufchen, die den sprechenden Titel "Shitty People" tragen. Die vergoldete Keramik erinnert wirklich an das, was Hundehalter verschämt ins Tütchen räumen.

Die Kunstwerke zum Geburtstag wurden zum Teil höchstpersönlich mit dem Auto abgeholt, ein Service, den auch nicht jeder Kunstverein bietet. Vorstand Christoph Selke hat bei diesen Touren schon die aberwitzigsten Szenarios angetroffen - von der glaubensgemeinschaftsartigen Künstler-WG bis zum Sammler auf dem platten Land, bei dem Objekte des berühmten Designers Stefan Wewerka zum Teil achtlos auf der grünen Wiese herumlungerten. Wenn man so viel im Kunstbetrieb unterwegs ist, dann erlebt man eben mit den Künstlern auch Geschichten, die ein wenig zu Freunden werden. Christoph Selke hat für die aktuelle Hängung eine bemerkenswerte Choreographie geschaffen, die die Werke dialogisieren und in Konstellation treten lässt.

Henrik Eiben hängt da mit minimalistisch Abstraktem neben einer ebenso abstrakten Fadenarbeit von Deborah Kim, daneben reduzierte Farb- und Materialstudien von Michael Schmeichel und Irmgard Bussmann. Abteilung: zeitgemäßes Abstraktes.

An der Stirnseite zeigen Arbeiten von Street Art-Künstler Daim, der sonst lieber auf Hauswänden sprayt, wie aufgeschlossen der Kunstverein neuen Kunstformen ist. Daims "The fancy Explosion" hängt über einer Arbeit des Braunschweiger Textspielers Stefan Mauck. Den gab es im vergangenen Jahr zu bewundern, als er in der Ausstellung "Trautes Heim" die Silhouetten stereotyper Fertighäuser mit phrasenhaften Beschreibungen ihrer Bewohner füllte. Und Boxi, der anarchische Engländer, war vergangenen Sommer mit seinen schablonenhaften Spraypaints, die Menschen in apokalyptischen Schutzanzügen zeigen, zu Gast in der kleinstädtischen Beschaulichkeit.

Ein aufgeschlagenes Buch liegt im Kunstverein Buchholz, in dem die Gäste der Eröffnung am vergangenen Sonntag ihre Eindrücke notierten: "Gut gehängt, tolles Engagement, einige interessante Arbeiten! Danke" notiert ein Besucher.

Das Erfolgsprinzip des Kunstvereins liegt darin, bekannte und etablierte Positionen mit solchen von jungen Künstlern zu mischen, die Perspektiven eröffnen und neue Wege mit Material- und Formsprache beschreiten. Hinzu kommt pro Jahr eine regionale Position, der der Kunstverein ein Forum bietet. H.C. Koglin war dabei mit seinen subtilen Arbeiten zu Mensch und Masse, genauso wie Op-Art-Tüftler Ludwig Wilding oder Herbert Zangs mit seinen Verweißungen. Kategorie: Kunstgeschichte.

Einige Entdeckungen des Kunstvereins sind mittlerweile richtig durchgestartet: Der Grieche Dimitris Tzamouranis, der gerne mythologische Motive zeitgemäß verarbeitet, wird mittlerweile hoch gehandelt. Einen Fürsprecher fand er sogar in dem Politiker Guido Westerwelle, der sein Gemälde "Narziss" 2006 zu seinen Lieblingsbildern votierte, was wiederum nicht ohne eine gewisse Ironie ist. Auch Tzamouranis stellte 2006 im Kunstverein Buchholz aus.

Wie wird es weiter gehen? Nach der großen Jubiläumsausstellung hat der Verein, der zu seinen Vernissagen rund 800 Einladungen verschickt, wieder einen Clou gelandet. Der renommierte amerikanische Künstler Brad Downey wird im August vorbei schauen, berüchtigt für radikale Straßenaktionen oder gar für die Besprühung der Fenster des Kaufhaus des Westens (KadeWe) mit grünlicher Farbe. Eine PR-Aktion der Firma Lacoste, die wohl nicht damit gerechnet hat, was herauskommt, wenn man einen waschechten Jungkünstler freie künstlerische Werbehand gibt.

Bärbel Blunck, die gute Seele und Öffentlichkeitsarbeiterin des Buchholzer Kunstvereins, freut sich darüber, dass diese Ausstellung "irgendwie auch ein wenig Erinnerung" stiftet. Erinnerung daran, wen man alles hier in der Nordheide hatte. Dem lässt sich eigentlich nichts hinzufügen. Vielleicht noch: Happy Birthday, lieber Kunstverein!

Kunstverein Buchholz, Kirchenstraße 6, bis 10. Juni. Di.-Fr. 16 bis 18 Uhr, Wochenende 11 bis 17 Uhr.