Katrin Sahner zeigt Video-Installationen in Buchholz, die leichtfüßig daher kommen

Buchholz. Irgendwie ist sie anwesend und zugleich doch nicht anwesend. Fünf Beamer stehen in den abgedunkelten Räumlichkeiten des Kunstvereins Buchholz und projizieren ratternd bewegte Bilder an die weißen Kunstvereinswände in der Kirchenstraße. Darauf zu sehen ist eine junge Frau, die in scheinbar alltäglichen Szenen eine denkwürdige Gymnastik durchexerziert. Sie hangelt sich sehr konkret und körperlich durch einen Alltag zwischen Küche, Kinderzimmer und Co., ohne auch nur einmal den Fuß auf den Boden zu setzen. Katrin Sahner heißt diese Videokünstlerin, die dort in Buchholz so vollends in ihre Arbeiten eingeht, dass sie als Urheber der Bilder auch Teil der Kunstwerke und damit selbst zum Bild, zum Zeichen wird.

Doch gerade heute ist Katrin Sahner im realen Leben nicht da, reißt eine Leerstelle in den weißen Ausstellungsraum. Denn ihr Kind ist krank, wie Bärbel Blunck vom Kunstverein Buchholz weiß, die in den hinteren Räumen des Kunstvereins gerade eine Tiefkühl-Lasagne zum schnellen Mittag vorbereitet. Also bleibt nur Sahners medialer Schatten, der lustvoll-verspielt den Satz "Nicht den Boden berühren" und damit fast so etwas wie eine Reminiszenz an die Kindheit zu inszenieren scheint und den Subtext zum gesamten Videomaterial bildet.

Wer ist Katrin Sahner? Es ist die Beziehung von Künstler und Modell, von Subjekt und Objekt und vielleicht auch von dominanter Souveränität zu einem bis auf die bloße Haut ausgesetztem Ausgesetzt- und Eingezogensein, das die junge Künstlerin in verschiedenen Nuancen und Medien immer wieder in ihren Arbeiten durchdeklinierte.

Angefangen hatte es mit 36 Zeichnungen und Fotos, auf denen die HfbK-Absolventin Katrin Sahner ahnungslosen Wachsoldaten in Stockholm, Prag und Kopenhagen auf die Pelle rückte, diese willkürlich zum Opfer wählte, indem sie die stocksteifen Repräsentanten während ihrer Wache abzeichnete und so noch einmal repräsentierte. Eine Meditation über den Akt des Zeichnens, den sie wenig später noch um Einiges weiter zuspitzte und buchstäblich zum Akthaften, zum Entkleideten wenden sollte. Es war das Spiel mit den historisch gesetzten Parametern von männlichem Künstlergenius und seiner - naturgemäß - weiblichen Muse, wie die Künstlerin einmal erklärte, das sie interessierte und das sie spielerisch wenden und dann in Verschiebungen erproben wollte.

Doch die Künstlerin machte sich auch selbst zum körperlich leidenden und erfahrendem Subjekt: Nicht nur, dass Sahner sich selbst in einer Aktion entblößt bis auf die Haut von einem Straßenzeichner abzeichnen ließ, der seine Dienste vor der Berliner Gedächtniskirche anbot und mit dieser Aktion sogleich die Polizei auf den Plan rief. Das Spiel von Gestalten und unmittelbarem Hineingezogensein ist es auch, das die Künstlerin in ihren neuesten Videos in Buchholz facettenreich inszeniert.

Einerseits ist es ihr inszenierter Blick, der die Kamera im Videosetting anleitet und dirigiert. Andererseits ist es aber auch der Körper der Künstlerin, der dort an der Deckenlampe baumelt, sich über, unter und durch Tisch und Stühle hangelt und so selbst zum ästhetischen und vom Zufall heimgesuchten Material wird: ein Objekt, das die künstlerische Erfahrung des "Nicht-den-Boden-berührens" selbst "erleidet" und zugleich das Subjekt der Inszenierung ist.

Kaffeekochen, ohne den Boden zu berühren, Milch heiß machen, ohne den Schneidersitz auf der Küchenarbeitsplatte zu unterbrechen: was heißt es eigentlich, nicht den Boden zu berühren? Sahners Bewegungschoreographie scheint eine innere, sehr meditative und unaufgeregte Notwendigkeit innezuwohnen, der die Kamera folgt und doch scheinen die nüchtern-repetitiven Muster gleichzeitig von Intentionen und Zwecken befreit zu sein. Sahner inszeniert ihre Bewegungsabläufe mit meditativer Ruhe und einer selbstversunkenen Geste, der etwas entschleunigtes, aber auch etwas zwanghaft-ritualisiertes anzuhaften scheint, etwas Quälendes.

Denn was für eine Welt wäre das, in der man die Füße nicht mehr auf den Boden bekommt? Es wäre eine Welt des "weder noch", eine Welt in der Schwebe, in der man nicht recht Position beziehen kann, aber auch eine Welt, in der das Spielerische "sowohl als auch" und die wundersame Blickverschiebung regieren würde, die Dinge gleich ganz anders sichtbar macht. Es wäre vielleicht ein bisschen die Welt der Kindheit mit ihrer Magie und ihren Geheimnissen, die Katrin Sahner, zart, brünett und in hippen Turnschuhen mit ihrer filmischen Versuchsanordnung aufruft.

Sahners Arbeiten changieren bei aller Tiefsinnigkeit und allem doppelbödigen Spiel mit der Satzgrammatik von "Nicht den Boden berühren" zwischen Performance, Video- und Konzeptkunst und finden doch nirgendwo ganz sicher ihren Hafen, setzen den Fuß gewissermaßen nie konkret in einem Medium auf den Boden. Genau diese Schwebe zwischen den Genres macht sie so spannend. Es sind mehrdimensionale Versuchsanordnungen, die doch noch eins tun: mit ihrem schrägen Witz den Betrachter berühren.

Katrin Sahner: Nicht den Boden berühren. Bis 20. Februar im Kunstverein Buchholz, Kirchenstraße 6, Dienstag bis Freitag, 16 bis 18 Uhr; am Wochenende 11 bis 17 Uhr.