Bewohner des Albert-Schweitzer-Viertels wehren sich gegen Vorwürfe und setzen ein Zeichen

Winsen. Zainap (6) sammelt fleißig. Sie wirft bereits die zweite Tüte Müll in den großen Container, der extra für diese Aktion im Innenhof aufgestellt wurde. Zainap lebt, wie rund 150 andere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, in einem Viertel, in dem, so wie es derzeit ist, eigentlich niemand wohnen möchte. In der Plattenbau-Siedlung zwischen Albert-Schweitzer-Straße und Humboldtweg zahlt man bis zu 750 Euro für eine 3-Zimmer-Wohnung, deren Fenster undicht, Heizungen kaputt und wo die Wände der Kinderzimmer voller Schimmel sind. Die Bewohner werden stigmatisiert und angefeindet, und jetzt wurde das Schweitzer-Viertel auch noch als Müll-Viertel tituliert. Das macht wütend: "Wir sind kein Saustall", empört sich Bewohnerin Ilka Neitzke-Wittke. "Und auch kein Problem-Viertel. Hier wohnen Menschen."

Mit einem "Aufräumtag" haben sie jetzt ein Zeichen gesetzt, ein Zeichen dafür, dass ihnen ihr Viertel nicht egal ist, und dass sie bereit sind mitzuhelfen, damit das Leben dort menschenwürdiger wird. Was mit einer Handvoll Kinder an diesem Nachmittag beginnt, wächst schnell zu einer konzertierten Aktion. Über 80 Menschen helfen schließlich mit, den Unrat aus Beeten und Grünflächen zu sammeln, voll gemüllte Keller zu entrümpeln, Papier, Glas und leere Flaschen einzusammeln. "Das ist nicht nur unser Dreck", sagt Neitzke-Wittke. "Oft wird nachts einfach Müll in der Siedlung abgeladen." Und der Hundekot, der überall herumliegt, stinke zum Himmel. Jetzt verteilt sie Flyer und Kottüten, schließlich, sagt sie, habe man auch als Hundebesitzer Verantwortung.

Seit etwa zwei Jahren gehört das Schweitzer-Viertel zum Projekt "Soziale Stadt". Mit einem Investitionsvolumen von knapp zwei Millionen Euro soll das Viertel saniert werden. Die eine Hälfte tragen Stadt, Land und Bund, die andere soll vom Eigentümer, der Capricornus GmbH in Berlin, beigesteuert werden. Erste Maßnahmen waren der Neubau eines Spielplatzes und der Abriss eines maroden Parkhauses. "Jetzt sollen feste Müllboxen aufgestellt werden", erläutert Quartiermanager Sven Dunker das nächste konkrete Vorhaben. Vieles sei in der Findungsphase, müsse mit Sanierungsträger, Stadt und Eigentümer abgestimmt werden.

Die Liste der vorgeschlagenen Maßnahmen ist lang, und die wichtigste ist noch immer nicht angepackt: Die Sanierung der maroden Gebäude. Doch selbst wenn es um Reparaturen geht, brauchen die Bewohner einen langen Atem. Hayati Temür hat drei Jahre lang seine undichten Fenster angemahnt. "Unzählige Telefonate habe ich geführt, bis endlich etwas passiert ist", sagt er. Die Hausverwaltung, mit Sitz in Wilhelmshaven, schickt jeden Dienstag für vier Stunden einen Hausmeister - in eine Siedlung mit immerhin 200 Wohneinheiten.

Seit Sven Dunker hier ist, ist vieles besser geworden, finden die Bewohner. Der Sozialpädagoge ist für das Projekt als Quartiermanager installiert. Er kümmert sich auch um die sozialen Belange der Menschen: "Die Bewohner wollen endlich raus aus den negativen Schlagzeilen."