Es ist eigentlich banal: Ein Wahlversprechen ist die feste Zusage einer Partei, etwas zu tun. Die Erfahrung lehrt, dass es im Laufe der Regierungszeit oft relativiert oder sogar ignoriert und schließlich vergessen wird. Der neue Hamburger Senat hat eine Reihe von Versprechen abgegeben - und das Abendblatt wird zweimal im Jahr überprüfen, inwieweit sie umgesetzt wurden. Ein "Realitäts-Check" von Andreas Dey, Rebecca Kresse, Peter Ulrich Meyer, Hanna-Lotte Mikuteit und Philip Volkmann-Schluck mit einer Grafik von Julian Rentzsch

Es gilt das gesprochene und das geschriebene Wort. Gesprochen vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung am 23. März, geschrieben im Arbeitsprogramm des Hamburger Senats, das als Datum den 10. Mai trägt: Versprechen aus elf Politikbereichen hat das Abendblatt ausgewählt - von der festen Zusage, jährlich 6000 zusätzliche Wohnungen zu schaffen, über die Ankündigung, das modernste Bussystem Deutschlands zu installieren, bis zu der Beteuerung, den Haushalt zu konsolidieren und die Neuverschuldung zu senken.

Selten hat eine Partei im Wahlkampf wie jetzt die SPD, selten hat ein Spitzenkandidat wie eben Olaf Scholz so sehr darauf gedrungen, dass die Wähler sie und ihn beim Wort nehmen. Ja, die Wahlkampagne der Sozialdemokraten hatte als zentrales Element die Glaubwürdigkeit. Es galt und gilt die ausdrückliche Zusicherung, dass Zusagen eingehalten werden.

Scholz hat diesen Politikansatz mit dem Anspruch des ordentlichen Regierens überwölbt. So unscharf der Begriff ist: Dahinter steht die Überzeugung, dass Politik nicht zuletzt auch Handwerk ist, das Politiker beherrschen oder eben nicht. Mehr noch: Für Scholz ist das Regierungshandeln trotz aller Risiken des Unvorhersehbaren im Wesentlichen planbar. Wenn man so will, ist das Arbeitsprogramm des Senats sein politischer Vier-Jahres-Plan.

Angesichts der prekären Haushaltslage ist die entscheidende Hürde zur Umsetzung der kostenrelevanten Versprechen ihre Finanzierbarkeit. Hier hat die SPD mit dem Prinzip "Pay as you go", das vom früheren US-Präsidenten Bill Clinton entlehnt wurde, ein schönes Modell zum Leitsatz erhoben. Gemeint ist, dass keine neue Ausgabe getätigt werden darf, ohne dass die Finanzierung geklärt ist. Kurz gesagt: Wenn an der einen Stelle mehr ausgegeben werden soll, muss klar gesagt werden, wo an anderer Stelle gespart wird.

Allein: Diesem Anspruch ist Scholz nicht immer gerecht geworden. So gibt es für Mehrausgaben über jährlich 70 Millionen Euro, zum Beispiel durch die Rücknahme der Kita-Gebühren-Erhöhung, eine Liste mit Sparmaßnahmen über gut 73 Millionen Euro. Die enthält aber auch einmalige Ausgaben wie den Stopp der Stadtbahn-Planung. Und das Entgegenkommen bei der Beamtenbesoldung, die Schwarz-Grün wesentlich stärker kürzen wollte, kostet rund 90 Millionen Euro jährlich, für die es keine konkrete Sparmaßnahme gibt.

Die Finanzierung ist noch aus einem weiteren Grund für Scholz und die regierende SPD ein Problem. Die Konsolidierung des Haushalts und die Begrenzung des Ausgabenwachstums auf ein Prozent jährlich ist selbst wiederum ein Versprechen aus dem Arbeitsprogramm des Senats. Der bequeme Ausweg, teure Wahlversprechen durch Steuermehreinnahmen zu finanzieren, ist Scholz also versperrt. Der Bürgermeister und Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) haben sich dazu auch mehrfach öffentlich bekannt.

Auf den 38 Seiten des Senats-Arbeitsprogramms finden sich mehr Versprechen und Ankündigungen, als auf dieser Doppelseite stehen. Das Abendblatt hat eine Auswahl nach drei Kriterien getroffen: Die Überprüfbarkeit muss gewährleistet sein. Das Versprechen muss politische Bedeutung haben, und es muss möglichst viele Menschen betreffen. Eine Ausnahme: Die Zusicherung von Scholz, ordentlich zu regieren, wird überprüft, obwohl es keine eindeutigen Kriterien dafür gibt. Hier gab die zentrale Bedeutung der Ankündigung den Ausschlag.

Scholz weiß um den engen Zusammenhang zwischen seiner Glaubwürdigkeit und der Einhaltung der Wahlversprechen. "Was ich versprochen habe, das halte ich. Was ich nicht versprochen habe, habe ich nicht versprochen", pflegt Scholz zu sagen. Den zweiten Teil der Aussage erfahren die Hochschulen derzeit gerade schmerzhaft. Mehr Geld für die Wissenschaft gibt es nicht, es wurde nicht versprochen.