Pflegekräfte spezialisieren sich, Helfer übernehmen die Standardaufgaben. Studienmöglichkeiten sollen Gesundheitsjobs attraktiver machen.

"In den nächsten drei bis fünf Jahren müsste jeder fünfte Schulabgänger einen Pflegeberuf ergreifen, um den Bedarf zu decken", sagt Thomas Schulz, Leiter des Bildungszentrums Schlump des Deutschen Roten Kreuzes. Für Arbeitgeber und die Gesellschaft als Ganzes ist der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ein Problem. Für die Mitarbeiter und den Nachwuchs in den medizinischen und pflegenden Berufen so etwas wie eine Jobgarantie.

Heute arbeitet jeder neunte Beschäftigte in Deutschland - etwa 4,7 Millionen Menschen - in einem Beruf, der mit Gesundheit zu tun hat, rund ein Drittel in Teilzeit. Über die vergangenen Jahre ist die Zahl der Stellen vor allem in der unmittelbaren Patientenversorgung gewachsen - bei Ärzten, Pflegern, Krankenschwestern, Arzthelfern. "Was fehlt, ist der Pfleger, der am Bett steht", sagt Falk H. Miekley, Geschäftsführer der auf Gesundheitsberufe spezialisierten Personalberatung MHC.

Zahl der offenen Stellen geht zurück, aber das ist kein gutes Zeichen

Die Zahl der offenen Stellen bei der Agentur für Arbeit Hamburg ist im Vergleich zum Vorjahr allerdings leicht bis deutlich (ein Drittel bei den Pflegern) zurückgegangen. So waren im September 2011 für Altenpfleger 248 offene Stellen gemeldet, 212 für Krankenpfleger und 14 für Ärzte. Ein gutes Zeichen? Knut Böhrnsen, Sprecher der Arbeitsagentur verneint. Eher im Gegenteil: Trotz intensiver Suche hätten Arbeitgeber Stellen nicht besetzen können - "und darum schreiben sie sie inzwischen nicht mehr alle aus".

Je nach Schätzung gehe man davon aus, dass 2030 in Deutschland bis zu 400 000 Mitarbeiter in der Pflege und 56 000 Ärzte fehlten, sagt Personalberater Miekley. Ärzte fehlen vor allem auf dem Land, Pflegepersonal überall. Miekley: "Von der Uni-Klinik bis zum kleinen Krankenhaus mit 120 Betten haben alle Arbeitgeber Probleme."

Politische Ideen à la "Arbeitslose in die Pflege" funktionieren nicht so einfach. "Natürlich gibt es Leute, die durch Ein-Euro-Jobs in die Pflege gekommen sind", sagt Dr. Beate Stiller, die unter dem Namen "eco. Kompetenz für Gesundheitsberufe" Beratung und Schulungen anbietet. Aber man könne nicht jeden da hineinstecken, um Lücken zu füllen. Man müsse sich mit dem Beruf identifizieren.

"Mehr Menschen zieht man nur an, wenn man die Berufe attraktiver macht", sagt Thomas Schulz vom Bildungszentrum Schlump. Versucht werde das mit der Akademisierung der Pflege. Vor fünf Jahren startete etwa der duale Studiengang Pflege an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). "Unsere Absolventen haben einen Berufs- und gleichzeitig einen Bachelorabschluss", sagt Petra Weber, Professorin für Pflegewissenschaft an der HAW.

Noch gebe es nicht viele Absolventen. Diejenigen, die den Studiengang besucht haben, arbeiten in Kliniken, der ambulanten Pflege, in der Behindertenhilfe. "Wir bilden die Krankenschwester auf akademischem Niveau aus", sagt Weber. Das sei kein direkter Einstieg ins Management. "Sie tun immer noch klientennahe Arbeit." Eine Möglichkeit, sich noch weiter zu qualifizieren, bieten Masterstudiengänge in Sozial- und Gesundheitsmanagement.

Deutschland habe einiges aufzuholen, was Gesundheitsberufe angehe, sagt Pflegeexpertin Stiller. Pfleger und Krankenschwestern galten immer als Zuarbeiter für den Arzt. Karriere machten sie als Stationsleiter - oder eben nicht. "Fachkarrieren waren nicht möglich", sagt Stiller. Das habe sich geändert. Wer sich etwa zum Fachkrankenpfleger im Operationsdienst weitergebildet hat, ist ein gesuchter Experte. Außer Führung und Spezialisierung gibt es einen weiteren Karriereweg, erklärt Thomas Schulz vom DRK-Bildungszentrum: die Pädagogik - die Aus- und Weiterbildung von Nachwuchs und Kollegen. "Es liegt am eigenen Interesse, in welche Richtung man sich entwickelt."

Nur eines geht heute nicht mehr: keine Entwicklung. "Man muss viel wissen und immer weiter lernen, das muss jedem klar sein, der einen Gesundheitsfachberuf ergreift", sagt Beate Stiller. "Wer nach der Schule nur schnell eine Ausbildung machen will und eigentlich genug hat vom Lernen, der ist hier falsch." Doch die Gefahr, dass sich so jemand in einen sozialen, pflegerischen oder therapeutischen Beruf verirrt, sei klein. "Zwei Motive werden immer wieder genannt: helfen wollen und die Suche nach einer sinnstiftenden Aufgabe."

Weil Pflegekräfte heute stärker spezialisiert sind, entstehen auch immer mehr Bereiche, in denen die Arbeit von weniger qualifizierten Kollegen erledigt werden kann, etwa von den sogenannten Pflegehelfern. Das sind Absolventen von ein- bis zweijährigen Ausbildungen, die für die Grundpflege qualifiziert sind. Aufgaben, wie beim Essen und der Körperpflege zu helfen oder Schreibarbeiten zu erledigen, gehören dazu. Doch diese Ausbildungen sind noch umstritten. Personalberater Miekley: "Es gibt auch Grabenkämpfe in den Berufsgruppen, weil nicht klar ist, welches die entlastenden Tätigkeiten sind, die Helfer übernehmen können."

Vom Hauptschüler über den Abiturienten bis zu beruflichen Umsteigern kann jeder seinen Platz im Gesundheitswesen finden. "Wenn man sich für die Pflege entscheidet, dann kriegt man auch einen Job", sagt Petra Weber von der HAW. "Das ist heute eine der krisenfestesten Qualifikationen, die man erreichen kann." Und der Mangel an Mitarbeitern wirkt sich aufs Gehalt aus: Sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte werden oft schon über Tarif bezahlt. Personalberater Falk Miekley: "Wer ein gutes Rüstzeug mitbringt, kann auch über sein Gehalt verhandeln."