Der erste Arbeitstag bietet die Chance, vieles besser zu machen als vor den Ferien – etwa den Stress zu reduzieren

Die Ferien sind vorbei, der Arbeitsalltag hat uns wieder. Da wünscht sich jeder, die „schönste Zeit des Jahres“ möge noch eine Weile nachwirken. Tut sie aber meist nicht. Warum? „Oft fährt man schon mit falschen Erwartungen in den Urlaub“, sagt Katja Wonerow, Coach für Zeit- und Stressmanagement. „Die wenigen Wochen sollen dann alles ausgleichen, was im Rest des Jahres falsch läuft.“ Doch das funktioniert nicht: „Wenn man zurückkommt, ist die Arbeitssituation immer noch dieselbe.“

Gerade deswegen ist die Rückkehr aus den Ferien der perfekte Startschuss, um etwas zum Besseren zu verändern. „Denn wer es richtig angestellt hat, hat den Kopf im Urlaub einigermaßen frei bekommen“, sagt Marit Zenk, Businesscoach für Assistenzberufe. „Die Wahrnehmungskanäle sind geweitet und eingefahrene Muster sind gelockert. Man kann wieder über den Tellerrand gucken.“ Das sei die beste Voraussetzung, um Aufgaben neu zu priorisieren und Abläufe zu optimieren. „Was würde mir die Arbeit erleichtern? Wie kann ich einen Prozess beschleunigen? Ist die Aufgabe bei mir eigentlich richtig angesiedelt?“ Das könnten leitende Fragen sein, regt Marit Zenk an.

„Wir alle haben heute mehr auf dem Tisch, als wir schaffen können“, sagt Katja Wonerow. „Und wir scheinen die schlechte Selbsteinschätzung zu haben, dass es trotzdem nie genug ist.“ Allein darum sollte man To-do-Listen führen, die Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit ordnen, findet sie.

Für einen guten Neustart nach dem Urlaub ist die eigene Einstellung entscheidend. Jammern über den Wiedereinstieg in die „Tretmühle“ ist der falsche Ansatz. „Freuen Sie sich, etwas Tolles erlebt zu haben, und konzentrieren Sie sich nun darauf, was auch im Arbeitsleben positiv ist“, sagt Silke Potthast, Coach und Trainerin bei Womenomics, einem Seminarangebot für weibliche Führungskräfte bei der Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung (KWB). Zum Beispiel: das soziale Leben in der Firma, den einen oder anderen netten Kollegen, was an interessanten Projekten und voraussichtlichen Erfolgen ansteht.

Doch selbst wenn so etwas wie Vorfreude aufkommt, schwindet sie schnell wieder, wenn man gleich am ersten Tag versucht, 100 Prozent zu geben. Gerade besonders pflicht- und verantwortungsbewusste Menschen tappen in diese Falle, sagt Marit Zenk. Sie empfiehlt stattdessen einen moderaten Einstieg. „Idealerweise sollte der erste Tag keine bis wenige feste Termine bereithalten. So hat man Muße, die vermeintlich verpassten Dinge zu sichten und zu sortieren.“

„Ich muss mir Zeit geben, wieder in den Arbeitsmodus zu kommen“, sagt auch Katja Wonerow. „Das dauert ein bis zwei Tage.“ Gerade in dieser Zeit rät sie von Überstunden ab. Wer gleich wieder früher kommt oder länger bleibt, schafft es garantiert nicht, seine Urlaubserholung noch eine Weile zu konservieren. Wonerow rät, wenn möglich mit einer halben Arbeitswoche einzusteigen oder seinen Outlook-Abwesenheitsassistenten noch zwei Tage aktiv zu lassen. Einen vollständigen Überblick über die aktuelle Lage, alle ungelesenen E-Mails und verpassten Meetings kann man sich ohnehin nicht im Handumdrehen verschaffen. Wer das versucht, verpulvert innerhalb kürzester Zeit viel Energie, warnt Marit Zenk. Sie empfiehlt „in kleinen Häppchen zu denken: von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag“.

Wer glaubt, keine Zeit für einen gemäßigten Wiedereinstieg zu haben, sollte sein Selbstmanagement überdenken. „Klar, es kommt immer wieder etwas von außen dazwischen“, sagt Silke Potthast, die bei der KWB das Seminar „Mit Selbstmanagement aus der Stressfalle“ anbietet. „Aber was will ich denn selbst? Was kann ich an meiner Situation ändern?“ Wer das Gefühl hat, eigenverantwortlich zu handeln statt vom Chef oder den Arbeitsabläufen getrieben zu sein, erlebt weniger Frust. Und weniger Stress: Wer es schafft, seine automatischen Reaktionsmuster (z.B. Aktionismus oder Vermeidung) zu durchbrechen, hat es selbst in der Hand, wie er sich verhalten möchte, und erlebt sich weniger fremdbestimmt.

Zur Hilfe empfiehlt Marit Zenk das „Kopflüften“: „Man geht einmal um den Block, schiebt die Gedanken über die Firma weg, holt sich vielleicht ein Eis – das befreit unheimlich“, sagt sie. Aber egal, wie man es macht: „Man muss nur einmal wieder loslassen, dann wird auch der Blick wieder freier.“

Gegen den Tunnelblick, der sich bei Stress automatisch einstellt, wirken auch „Erinnerungshilfen“, wie Silke Potthast das nennt. Ein bestimmtes Lied, das die Urlaubsstimmung reaktiviert und das man morgens auf dem Weg zur Arbeit hören kann, ein mitgebrachter Stein oder ein Foto, die an einen entspannten Tag am Strand erinnern. Solche mentalen Anker helfen dabei, immer mal wieder ein bisschen Seeluft oder den Duft von Alpenrosen durchs Büro ziehen zu lassen.