Jens Reimers ist Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice. Mit Spezialkameras durchleuchtet er das Leitungssystem unter der Hansestadt

Sie haben einen Durchmesser von nur zehn Zentimetern - oder sind bis zu 1,40 Meter breit. Sie verlaufen unter der Erde, manchmal sogar in 18 Meter Tiefe. Manche von ihnen stammen aus dem Jahr 1890, andere sind absolut neu. Über eine Kamera wird ihr innerer Zustand sichtbar gemacht: Jens Reimers untersucht von seinem Spezialfahrzeug aus die Rohrleitungen der Hansestadt.

Der 49-jährige Reimers ist Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice. Er arbeitet bei der Canal-Control+Clean, einem Unternehmen der Buhck-Gruppe, das sich auf den Bereich Reinigung und TV-Untersuchung von Schmutz- und Regenwasserkanälen sowie Kanal- und Rohrsanierung spezialisiert hat.

"Mir macht meine Arbeit auch nach 28 Jahren noch Spaß", sagt Reimers. Weil er mit Spezialkameras die Leitungen inspiziert, hat sich für seinen Beruf auch die Bezeichnung TV-Inspekteur eingebürgert. Jens Reimers schätzt vor allem die persönliche Freiheit und Zeiteinteilung, die er bei der Bearbeitung seiner Aufträge hat. Diese kommen von öffentlichen Auftraggebern, Bauämtern, und privaten Bauherren. Zuständig sind verschiedene Behörden, wie das Gartenbauamt oder die Straßenbaubehörde. Etwa zehn bis 15 Prozent sind Aufträge von Hamburg Wasser.

"Mich erwarten täglich andere Herausforderungen", sagt Reimers. Zwar sei ein Großteil seiner Arbeit mittlerweile Routine, dennoch passiere immer wieder Unerwartetes. Und auftretende Probleme müssen gelöst werden, bevor die eigentliche Arbeit anfängt. Wie beispielsweise, wenn ein Rohr schwer zugänglich sei oder das Wasser trotz bekannter Verläufe der Rohre nicht abläuft. Oder wenn der Verlauf der Rohre völlig unbekannt ist, weil alte Planungsunterlagen verloren gegangen sind.

"Für Häuser um die Jahrhundertwende existieren häufig keine Unterlagen. Bei einigen neuen Bauten ist der Bauherr in Konkurs gegangen, und die Unterlagen sind deshalb verschwunden", sagt Jens Reimers. "Außerdem sieht man erst, wenn der Deckel auf ist, wie das Rohr tatsächlich beschaffen ist und wie viel Schmutz darin ist."

Beim Stichwort Schmutz wird er heftiger: Ihn ärgert das negative Image seines Berufs. "Bereits beim Wort Kanal rümpfen viele die Nase. Aber der Beruf der Fachkraft für Rohr- und Kanalservice ist kein dreckiger Job. Ganz im Gegenteil: Wir sorgen mit unserer Arbeit dafür, dass keine Verunreinigungen entstehen, und sind somit auch für den Umweltschutz tätig." Die Sicherheit stehe dabei immer an erster Stelle. Deshalb seien auch immer drei Mitarbeiter gemeinsam unterwegs.

"So ist sichergestellt, dass ausreichend Personal auf der Baustelle ist, falls man in den Kanalschacht einsteigen muss", sagt Reimers. Ein Mitarbeiter ist immer für die Reinigung, der andere - wie Jens Reimers - für die Inspektion und Dokumentation des Kanalsystems zuständig. "Es ist bei uns immer Teamarbeit." Das Gefahrenpotenzial durch beschädigte Rohrleitungen sei hoch. "Es kann zu Unterspülungen kommen, welche im Extremfall zu Fahrbahneinbrüchen führen können", sagt der Fachmann für Hamburgs Unterwelt. "Deshalb ist unsere Arbeit so wichtig."

Der Beruf der Fachkraft für Rohr- und Kanalservice ist aus dem Ver- und Entsorger entstanden und wird erst seit 2002 unter dem neuen Namen ausgebildet. Es gibt drei Schwerpunkte dabei: Reinigung, Inspektion und Dichtheitsprüfung. Bei der Inspektion ist die Computertechnik für die Krananlage und fahrbaren Kameras entscheidend. "Für diese Arbeit ist das Fahrzeug quasi das Büro", sagt Jens Reimers und lächelt: "Ich kann hier im Anzug sitzen."

Bei der Reinigung und Dichtheitsprüfung allerdings müsse der Mitarbeiter in den Kanal runter, um Abschnitte abzudichten. Neue Kollegen würde Reimers gern begrüßen: "Wir brauchen dringend Fachkräfte", sagt er.

Der Fachmann arbeitet mit modernster Technik, denn die Spezialfahrzeuge sind mit leistungsfähigen Rechnern ausgerüstet, die sämtliche Daten, die mit der Kamera aufgenommen werden, sofort vor Ort digitalisieren können. So erhalten die Auftraggeber eine DVD und dazu einen Plan, auf dem das jeweilige Rohrsystem genau aufgezeichnet ist. "Auf der DVD sehen sie dann die Leitungen von innen und können dabei zugleich jeden kleinen Schaden erkennen." Durch ihr Equipment sind die Fahrzeuge sehr kostbar: "Mit der Ausrüstung haben sie jeweils den Wert eines Einfamilienhauses."

Zu den Vorteilen seines Jobs zählt Jens Reimers, dass seine Kenntnisse ihm auch attraktive Möglichkeiten bieten, im Ausland zu arbeiten. So war er für seine Firma, die weltweit Aufträge ausführt, zum Beispiel schon einmal zehn Tage in Istanbul tätig. Kollegen von ihm arbeiten dort auf einer Baustelle. Einer von ihnen ist inzwischen sogar in die türkische Metropole umgezogen, weil es ihm dort so gut gefällt.

"Es gibt in Istanbul Rohre, die einen Durchmesser von 2,50 Metern und sogar bis zu sechs Metern haben. Sie gehören zu großen Abwasserkanälen", sagt Jens Reimers. Ihm gefallen die deutschen Rohrleitungen allerdings besser. Vor allem die in Altona aus dem Jahr 1890. Sie seien immer noch in Betrieb. "Weitestgehend saniert", sagt Jens Reimers und schwärmt: "Das waren damals noch Handwerker, die ihre Arbeit verstanden."