Keine Zeit für Sport? Dass Sport und Job zusammenhängen und warum sich Sozialkompetenz in beidem zeigt, erklärt Coach Marion Klimmer.

Stressresistenz und Rücksichtnahme sind nur zwei der Qualitäten, die Golfer erwerben - und die sie auch im Beruf nutzen können.

Hamburger Abendblatt:

Frau Klimmer, sind Golfer die besseren Manager?

Marion Klimmer:

Fakt ist, dass gute Golfer sehr viele Eigenschaften von guten Managern haben und umgekehrt. Beide müssen in erfolgskritischen Situationen ihr volles Potenzial abrufen und zeigen können. Es nützt nichts, als Golfer ein Weltmeister der Länge und Präzision auf der Driving-Range zu sein, im entscheidenden Turnier aber in herausfordernden Situationen Fehlschläge zu produzieren. Genauso wenig nützt es, vor oder nach Verhandlungen großartige Argumente zu haben, währenddessen aber nicht schlagfertig zu sein.

Trifft das nicht auch auf andere Sportarten zu?

Klimmer:

Die Erfolgsfaktoren jeder Sportart können die berufliche Leistungsfähigkeit steigern. Jede Sportart trainiert aber andere. Beim Tennis muss man lernen, mit den Reaktionen des Gegners umzugehen; je schneller und flexibler, desto besser. Eine fast permanente Top-Konzentration ist hierfür erforderlich. Beim Marathon hingegen ist im wahrsten Sinne des Wortes langer Atem gefragt.

Und beim Golfen?

Klimmer:

Beim erfolgreichen Golfen muss man insbesondere den inneren Kampf mit Emotionen beherrschen und damit auch die Übernahme von Verantwortung für den eigenen mentalen Zustand. Es führt in eine Sackgasse, anderen Menschen oder äußeren Umständen die Schuld für schlechte Ergebnisse zuzuschreiben. Golfen trainiert somit kontinuierliche Selbstverbesserungsprozesse.

In Ihrem Buch "So coachen sich die Besten" beschreiben Sie acht Erfolgssäulen der Höchstleistung. Welche sind das?

Klimmer:

Diese gelten für Golfer genauso wie für Manager. Dazu zählen Fokussierung und Konzentration, gutes Stressmanagement, Selbstvertrauen und positive Selbstkommunikation, konstruktiver Umfang mit Niederlagen, Fitness und Gesundheit. Und all dies ruht auf der unerlässlichen Basis von Fachkompetenz, Übung, Vorbereitung. Nicht zu vergessen ist die soziale Kompetenz, die für gute Manager besonders wichtig ist. Gute Golfer lernen Rücksichtnahme - der eigentliche Sinn der manchmal belächelten Golfer-Etikette-Regeln. Übrigens: Eine Studie der Business School Lausanne legt dar, dass 88 Prozent der Teilnehmer an einem dreijährigen Golfcoaching einen deutlichen Fortschritt ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit feststellten und dass zwischen Golf und Management Parallelen bestehen. Und zwar in Bezug auf Entscheidungsprozesse, Zielsetzungen, Verhandlungen, Einfallsreichtum, Offenheit für Veränderungen, Planung und Umsetzung von Strategien.

Je besser das Handicap, desto leistungsfähiger der Mitarbeiter?

Klimmer:

Nein, diese Korrelation ist nicht herstellbar. Wer jedoch seine Strategien, Motivationen, Fähigkeiten zur Verbesserung seines Handicaps konsequent in seinen Beruf überträgt, kann so gewiss auch leistungsfähiger werden. Auch Unternehmen honorieren bei der Einstellung häufig, wenn Bewerber Leistungssportler waren.

Was lerne ich beim Golf?

Klimmer:

Beispielsweise Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft, Umgang mit Emotionen, mit Druck und Niederlagen, Motivation oder Demotivation anderer, Beharrlichkeit und Ausdauer, Regeltreue und Fairness.

Es heißt, vor einem Geschäft mit einem neuen Partner sollte man erst mal mit ihm eine Runde Golf spielen. Warum?

Klimmer:

Es zeigt sich der Umgang mit Stress, Niederlagen, eigenen Fehlern. Und insbesondere, ob jemand Verantwortung für sich und seine Ergebnisse übernimmt oder die Schuld anderen zuschiebt oder gar versucht zu schummeln. Durch die vielen gemeinsamen Stunden hat man ein fundiertes Gefühl für die zwischenmenschliche Chemie.

Zeigen sich beim Golf Grenzen der Leistungsfähigkeit psychisch und physisch genauso wie im Beruf?

Klimmer:

Grenzen unserer Leistungsfähigkeit können wir beim Golf und im Beruf erleben, wenn wir nicht gut mit situativem Druck und Leistungsstress umgehen können. Dies wird beispielsweise davon beeinflusst, ob wir in erfolgskritischen Momenten eine Balance finden zwischen Fokussierung und Konzentration auf der einen Seite und zwischen Lockerheit, Selbstvertrauen, Zuversicht auf der anderen. Auch hier gibt es typbedingte Unterschiede - aber auch die Möglichkeit, durch Coachings entsprechende Erfolgsstrategien zu entwickeln und Stärken auszubauen.