Falsche Personalentscheidungen haben Folgen. Kein guter Mitarbeiter will für inkompetente Vorgesetzte arbeiten. Doch was ist guter Führungsstil?

Albert Nußbaum, Wirtschaftspsychologe und Geschäftsführer der Personalberatung Mercuri Urval Deutschland, über Folgen glückloser Personalauswahl und Anforderungen an moderne Führungskräfte.

Hamburger Abendblatt:

Herr Nußbaum, was kostet es Unternehmen, wenn diese auf der Führungsebene falsche Personalentscheidungen treffen?

Albert Nußbaum:

Allgemein kann man als Richtwert etwa zwei Jahresgehälter der jeweiligen Position ansetzen. Das Problem reicht aber viel weiter. Sie verlieren durch schlechte Führung auch gute Leute. Denn Menschen arbeiten für andere Menschen. Kein talentierter Mitarbeiter möchte für eine ungeeignete Führungspersönlichkeit arbeiten.

Ihr Firmengründer Hakan Eriksson hat ein eignungsdiagnostisches Verfahren entwickelt, das Persönlichkeitsmerkmale identifiziert. Wie funktioniert das?

Nußbaum:

Ein vereinfachtes Beispiel: Eine starke Ausprägung in Merkmalen wie Begeisterungsfähigkeit, Neugier und Abenteuerlust hilft eher bei einer vertrieblichen Tätigkeit in neuen Märkten als bei einer Position im Finanzwesen. Dort wiederum zahlen sich eher Diszipliniertheit und Genauigkeit aus. So stellt jede berufliche Position eigene Anforderungen, und jeder Mensch bringt gewisse Eigenschaften und Fähigkeiten mit.

Gleichen Sie das Anforderungsprofil der Firma mit dem Persönlichkeitsprofil des Bewerbers ab?

Nußbaum:

Es wäre schön, wenn es so einfach wäre. Das Problem ist, dass die meisten Anforderungsprofile heute schon nach wenigen Monaten nicht mehr mit den Erfordernissen der Realität übereinstimmen. Gerade deshalb wird der Faktor Persönlichkeit immer wichtiger. Man muss fragen: Wer ist in der Lage, ein Unternehmen weiterzubringen, Neues zu entwickeln, Führung und Verantwortung zu übernehmen?

Wie leicht, wie schwer ist es, Menschen zu führen?

Nußbaum:

Führungsfähigkeit kann man nur bedingt lernen. Sie können noch so viele Kurse machen oder einen glänzenden MBA-Abschluss vorzeigen. Wenn die Mitarbeiter nicht mitmachen, werden Sie als Führungskraft keinen Erfolg haben. Der Wille allein reicht nicht aus, es gehören auch bestimmte Kompetenzen dazu, die je nach Unternehmen und Branche sehr unterschiedlich ausfallen.

Unterschätzen Mitarbeiter die Anforderungen an Führungskräfte?

Nußbaum:

Mitarbeiter meinen oft, als Chef habe man mehr Freiheiten. Die meisten übersehen dabei aber, dass man als Führungskraft eben nicht einfach so bestimmen kann, sondern massiv fremdbestimmt ist. Eine Führungskraft arbeitet ja selbst eher weniger in der Sache, sondern leitet andere Menschen an. Und dabei bekommt sie es dann eben auch mit allen Defiziten und Schwächen ihrer Mitarbeiter zu tun.

Bis wohin muss eine Führungskraft Schwächen der Mitarbeiter akzeptieren?

Nußbaum:

Es ist ja genau die Aufgabe einer Führungskraft, vorhandene Stärken zu aktivieren und Mitarbeiter an ihr Leistungsoptimum zu führen - und auf der anderen Seite vorhandene Schwächen organisatorisch oder personell zu kompensieren. Die Grenze ist sicher dort erreicht, wo individuelle Schwächen von Mitarbeitern dem Unternehmen massiv schaden.

Was ist der Unterschied zwischen Bestimmen und Führen?

Nußbaum:

Wenn Sie bestimmen, müssen Leute Ihnen zwangsweise folgen. Wenn Sie führen können, tun die Leute freiwillig das, was den gemeinsamen Zielen dient. Was meinen Sie, mit welchem Ansatz Sie die größeren Erfolge erreichen?

In Deutschland wurde lange Zeit hierarchisch geführt. Ist das noch angemessen?

Nußbaum:

Hierarchie ist ein ausgeprägtes Merkmal großer, unflexibler Systeme. Damit werden Sie weder den Anforderungen der Märkte noch den Bedürfnissen der Menschen gerecht. Übrigens nicht nur der Mitarbeiter, auch der Kunden. Wer will denn als Kunde noch mit einem Mitarbeiter sprechen, der selbst keine Entscheidungen treffen kann und sich immer das Einverständnis eines Vorgesetzten einholen muss?

Bekommen Sie selbst Feedback auf Ihren Führungsstil? Wie gehen Sie damit um?

Nußbaum:

Jede Führungskraft bekommt ein ganz einfaches Feedback in Form der Fluktuation. Wenn Ihnen diejenigen Leute weglaufen, auf die Sie eigentlich die Zukunft Ihres Unternehmens aufbauen wollen, dann stimmt etwas nicht. Mein Führungsstil ist vergleichsweise simpel: Ich vertraue meinen Leuten, zeige ihnen ihre Möglichkeiten auf und lasse sie ihre Arbeit tun. Und wer meine Unterstützung braucht, kann jederzeit zu mir kommen.

Albert Nußbaum ist Geschäftsführer von Mercuri Urval Deutschland. Die Unternehmensberatung hat bundesweit 80 Mitarbeiter in sechs Niederlassungen, u. a. in Hamburg, Wiesbaden und Berlin. Nußbaum hat an der RWTH Aachen studiert und in psychologischer Diagnostik promoviert.