Experten sehen die Gehälter in allen Branchen wachsen - auch Berufseinsteiger profitieren von der guten Wirtschaftslage

Hamburg. Boomende Umsätze, ansehnliche Gewinne, Aufschwung in Deutschland: Und der kommt inzwischen auch im Portemonnaie der Arbeitnehmer an. "Es ist auf breiter Front ein spürbares Gehaltsplus für das Jahr 2011 zu erwarten", sagt Tim Böger, Geschäftsführer der Hamburger Vergütungsberatung PersonalMarkt. Arbeitnehmer in allen Branchen würden von Gehaltszuwächsen profitieren. Böger prognostiziert einen durchschnittlichen Zuwachs von drei bis vier Prozent.

Ähnlich schätzt Marco Reiners, Leiter des Vergütungsbereiches beim HR-Beratungs- und Outsourcing-Unternehmen Aon Hewitt, die Entwicklung ein: "Der Anstieg bei den Gehältern zieht sich durch alle Bereiche und Ebenen." Reiners geht von einem durchschnittlichen Plus von 2,9 Prozent aus.

Von dem allgemeinen Trend nach oben profitieren auch Berufseinsteiger. "Insbesondere Hochschulabsolventen werden sicherlich mit besseren Einstiegsgehältern rechnen können", sagt Jürgen Schoder, Senior Projektmanager bei der Personal- und Unternehmensberatung Kienbaum. Denn in den vergangenen Jahren mussten sie sich bedingt durch die Krise mit weniger Geld zufriedengeben.

"Die Zeit der Dauerpraktikanten gehört der Vergangenheit an", sagt Reiners. Die Firmen wüssten,: Wenn sie heute den Nachwuchs nicht einstellen, fehlten vielleicht schon in fünf Jahren gute Leute, die das Wachstum antreiben. "Allein über das Gehalt bekommt man aber nicht die Besten." Gerade bei den Einsteigern zählten auch andere Anreize, wie flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten oder das iPad obendrauf.

Ausgewählte Branchen schneiden beim Gehaltzuwachs besonders gut ab. Als einen der Spitzenreiter identifiziert Böger den Maschinenbau: "Im Jahr 2009 wurden die Gehälter hier stark heruntergefahren, jetzt besteht Nachholbedarf." Er hält ein Plus bei der Vergütung von vier bis fünf Prozent für die Jahre 2011 und 2012 im Maschinenbau durchaus für realistisch. Ähnliches, wenn auch weniger ausgeprägt, sei für den Automobilbau zu erwarten.

Diese beiden Branchen sieht auch Marco Reiners von Aon Hewitt klar auf der Gewinnerseite. "Noch etwas generöser beim Gehalt werden sich aber die Finanzdienstleister zeigen", sagt der Vergütungsexperte. Um etwa 3,4 Prozent Plus geht es nach seiner Einschätzung hier nach oben. Maschinenbau und Automobilbau lägen für 2011 mit 3,2 bis 3,3 Prozent leicht darunter. Branchen hingegen, in denen es, wie in der Pharmaindustrie, bereits in der Vergangenheit großzügig zuging, fingen jetzt eher an zu sparen.

"Vor allem Industrieunternehmen mit Exportorientierung, Beratungsunternehmen, hoch spezialisierte Dienstleister wie Labore und Forschungsinstitute und IT-Dienstleister stehen gut da", sagt Jürgen Schoder von Kienbaum. Laut dem aktuellen Kienbaum Vergütungsreport "Führungs- und Fachkräfte in IT-Funktionen 2011" ziehen Grundgehälter in diesen Ebenen um 3,4 Prozent an. Unternehmen suchen händeringend nach qualifiziertem Personal. Insbesondere für Positionen in den IT-Bereichen werden Bewerber knapp, heißt es in dem Report.

Einig sind sich alle Experten, dass der Anteil der variablen Entlohnung weiter zunehmen wird. "Mitarbeiter mit variabler Vergütung profitieren bereits heute unmittelbar und vergleichsweise stark vom Aufschwung", sagt Böger. Je höher Ebene und Funktion, desto größer falle in der Regel die variable Komponente aus. "Auch den Vertrieblern spült der Aufschwung so mehr Geld in die Taschen", sagt Böger.

Besonders lukrativ wird es für Arbeitnehmer mit Qualifikationen, deren Nachfrage das Angebot weit übersteigt: "Bei den Ingenieuren ist der Fachkräftemangel schon heute Realität", sagt Reiners. Laut einer Erhebung vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) fehlten dem deutschen Arbeitsmarkt im Jahr 2010 durchschnittlich 35 900 Ingenieure. "Aktuell hat sich die Lücke auf 73 100 Ingenieure ausgeweitet, ein absoluter Höchststand", sagt VDI-Sprecher Stephan Berends. Besserung sei nicht in Sicht. "Besonders groß ist der Bedarf im Maschinen- und Fahrzeugbau und für Elektroingenieure."

Der Mangel zeigt Wirkung. "Wer den Job wechselt, kann zehn bis 15 Prozent mehr Gehalt bekommen", sagt Reiners. Allein mehr Gehalt reicht vielen jedoch nicht. "Zahlreiche Firmen bieten inzwischen Zusatzleistungen im harten Wettbewerb um die Arbeitskräfte", sagt VDI-Mann Berends. Dazu gehören etwa der Betriebskindergarten oder flexible Arbeitszeitmodelle.

Fehlende Fachkräfte können bereits jetzt für einige Unternehmen zum Problem werden. "Spezialisten sind knapp am Markt", sagt Reiners. In den Branchen Pharma und Biotech etwa gäbe es nur wenige spezialisierte Wissenschaftler. Auf sie sind die Unternehmen jedoch bei der Entwicklung neuer Produkte angewiesen. "Damit steht und fällt der Erfolg ", sagt der Vergütungsexperte von Aon Hewitt.

Der Mehrwert dieser Mitarbeiter sei für die Unternehmen regelrecht lebenswichtig. Ein regelrechter Kampf um diese Köpfe zeichne sich zurzeit ab. "Bei den Gehältern fällt der Spielraum entsprechend groß aus." Die Einkommen orientieren sich am internationalen Marktwert, da solche Spezialisten länderübergreifend verzweifelt gesucht werden. Auch Spezialisten in der Forschung und Entwicklung von erneuerbaren Energien haben gute Aussichten auf satte Einkommenszuwächse. Marco Reiners: "Hier fehlt noch die passgenaue Ausbildung in Deutschland, Experten sind deshalb rar."