Der Sportpsychologe rät Managern zu mentalen Übungen: Spielen Sie schwierige Situationen vorab in Gedanken durch!

Hamburger Abendblatt: Spitzensport und Management - ist das wirklich vergleichbar?

Hans-Dieter Hermann: Ja. Erstens müssen sich Manager in einer Leistungsgesellschaft ständig selbst übertreffen - genau so wie die Sportler. Manager müssen ständig noch einen oben draufsetzen. Denn der Erfolg und die Zahlen vom Vorjahr sind nichts mehr wert, sondern eine stetige Leistungssteigerung ist gefordert. Ähnlich ist es im Leistungssport. Wenn zum Beispiel Roger Federer heute noch auf dem Niveau Tennis spielen würde wie vor drei Jahren, dann wäre er nicht mehr die Nummer eins der Weltrangliste, vermutlich nicht einmal mehr unter den Top 20. Zweitens ist vergleichbar, dass Manager und Sportler gut sind, wenn es drauf ankommt. Hier ein wichtiger Kundentermin oder Vortrag, dort die Olympischen Spiele oder Weltmeisterschaften. Es bringt ihnen nichts, wenn sie nur im Training gut sind, im Wettkampf oder beim Kunden müssen sie die Topleistung bringen.

Abendblatt : Gilt diese Analogie nur für das Top-Management oder auch die Ebene darunter?

Hermann: Ich denke, dass dieser Vergleich für nahezu alle mittel- und langfristig erfolgreichen Führungskräfte passt.

Abendblatt: Dafür hat der Manager im Normalfall keinen Trainer. Bei Bundesligavereinen oder in der Nationalelf gibt es sogar einen Trainerstab bis hin zum Mentalcoach. Das kann sich in der Wirtschaft allenfalls ein Top-Manager leisten. Die normale Führungskraft hat diese Form der Betreuung nicht, oder?

Hermann: Wenn wir die Fußballnationalelf mit der Wirtschaft vergleichen, dann sprechen wir in der Tat über Top-Manager mit einem eigenen Beraterstab. Das ist aber nicht der Regelfall. Die meisten Sportler außerhalb der medial präsenten Profisportarten sind ebenfalls weitgehend auf sich selbst gestellt.

Abendblatt: Sprechen wir einmal über den Otto Normalmanager. Was sind das für Tricks, mit denen er sich im Alltag besser motivieren kann?

Hermann: Keine Tricks. Es geht um verschiedene Methoden, wie Manager ebenso wie Sportler ihren Kopf mitspielen lassen können. Die eine Methode ist ganz banal: Man muss immer wieder seinen Akku aufladen. Das ist sehr individuell, welche Strategien dabei greifen. Aber wichtig ist es, den eigenen Weg zu finden, wie man abschalten und sich regenerieren kann. Und zwar wirklich abschalten - und nicht beim Wandern noch ein paar Telefonate mit Kunden führen. Der zweite Punkt ist die Fähigkeit, sich auch mit ganz anderen Dingen zu beschäftigen, etwa Hobbys oder ehrenamtlichen Tätigkeiten, und aus den gewohnten Denkmustern herauszukommen. Das hängt eng mit Punkt eins zusammen.

Abendblatt: Wenn der erste Job einem dafür die Zeit lässt . . .

Hermann: Ja, natürlich darf ich dadurch nicht zusätzlich in Stress kommen oder mir gar Schlaf entziehen. Der dritte Punkt: Sich immer wieder selbst zu fordern und dem Stress stellen - damit lernen wir auch, wieder Entspannung herzustellen. Das ist wie ein Wettkampf beim Sportler. Wer erfolgreich im Beruf sein will, darf sich deshalb nicht schwierigen Situationen entziehen oder solche Aufgaben delegieren. Spitzenleistung beruht vor allem auf erfolgreicher Stressbewältigung. Das kann man lernen. Der vierte Punkt: Man kann schwierige Situationen bereits vorab im Kopf durchspielen; Sportler nennen das mentales Training. So können wir unseren eigenen Handlungsplan bereits entwickeln.