Wer im Job punkten will, sollte sich von eingefahrenen Denkmustern und Vorurteilen lösen. Beispiele gefällig? Frauen verdienen von vornherein schlechter als Männer.

Frauen verdienen von vornherein schlechter als Männer. Abteilungen arbeiten miteinander. Alkohol ist ein Karrierekiller. Vorstands-Assistenz ist ein sicheres Karriere-Sprungbrett. Großraumbüros sollen die Kommunikation verbessern. Wer oben auf der Karriereleiter steht, muss den Knigge beherrschen.

Das sind doch alles Binsenweisheiten, oder? Irrtum, meint der Leiter der Hamburger Karriereberater-Akademie, Martin Wehrle. Er hat in vielen Gesprächen mit Betroffenen herausgefunden, was Menschen im Beruf ausbremst. Und das ist manchmal einleuchtend, viel häufiger aber verblüffend. So stellte Wehrle zum Beispiel fest:

- Frauen steigen oft mit höherem Gehalt ein als Männer in vergleichbaren Positionen.

- Die fehlende Zusammenarbeit zwischen Abteilungen kostet Unternehmen viele Millionen Euro.

- Alkohol verbessert die Karrierechancen. Den Grund sieht Wehrle in der größeren Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit der Trinkfreudigeren: "Wenn man viel ausgeht, spricht man mit Menschen, und dann hört man auch das Gras wachsen, was den Beruf angeht."

- Großraumbüros sorgen keineswegs für bessere Kommunikation, sondern folgen allein betriebswirtschaftlicher Logik: Weniger Büromiete senkt die Kosten und steigert so den Profit.

- Unternehmen, erkannte Wehrle, werden wie eh und je in wesentlichen Punkten per Befehl und Gehorsam geführt, und oft, so lautet seine bittere Feststellung, gilt: Je höher jemand steigt, desto schlechter werden seine Manieren. Wohlgemerkt: leider vor allem gegenüber Mitarbeitern, nicht nach oben. Ausnahmen gibt es natürlich, wie überall.

Aus seinen Beratungsgesprächen hat der 39-Jährige 239 solcher beruflicher Fehleinschätzungen herausdestilliert und sie im "Lexikon der Karriere-Irrtümer" (Econ Verlag) zusammengefasst: von A wie Anfangsgehalt bis Z wie Zusagen von Chefs.

Wehrle räumt darin auf mit Mythen, die sich rund um das Thema Karriere ranken. Gleichzeitig gibt er dem Leser konkrete Strategien an die Hand, die eigene Laufbahn mit Pfiff und ohne Fehlschläge zu gestalten. Wehrle spricht damit nicht nur die verunsicherte Generation Praktikum an. Er hilft auch Profis, die zahlreichen Fallen im Berufsleben zu meiden und erfolgreich die nächsten Stufen der Karriereleiter zu erklimmen.

Doch woran scheitern viele Berufstätige denn nun konkret beim Aufstieg auf den Hierarchieberg? "Der Hauptfehler ist, zu denken: Im Berufsleben geht es so zu wie in der Schule - für gute Leistungen wird man belohnt", erklärt Wehrle im Gespräch mit dem Abendblatt. Umdenken sei gefragt, denn es nütze nichts, wenn man tolle Leistungen bringe, sie aber nicht kommuniziere. "Aufsteigen gelingt nur zu 10 Prozent durch Leistung, die übrigen 90 Prozent schafft der Kontakt zu den richtigen Personen", behauptet der Karriereexperte. Entscheidend für eine Karriere sei gute Kenntnis der Spielregeln am Arbeitsmarkt: "Wer da den Durchblick hat, weiß: Ich muss Verantwortung übernehmen für mich, statt mich als Spielball der Umstände einzupendeln." Wer die Spielregeln nicht kenne, sei ständiger Willkür ausgesetzt und frage sich dauernd: Warum machen eigentlich die anderen Karriere - und nicht ich?

Viele Arbeitnehmer sind in der Wirtschaftkrise verunsichert und stecken eigene Ambitionen zurück. Stimmt nicht, meint Wehrle: "Es ist gerade dann falsch, zu denken: Ich ducke mich jetzt weg, dann passiert mir nichts. Denn je weniger Sie den Chef überzeugen, desto niedriger ist Ihr Gehalt. Also kriegen Sie eine kleinere Abfindung. Das Unternehmen kann Sie also billiger loswerden, und dann sind Sie weg." Er schlägt vor: "Machen Sie der Firma deutlich, wo Sie nachweislich von Nutzen in der Krise sind. Denken Sie insofern unternehmerisch. Damit können Sie gewaltig punkten!"

Ähnlich urteilt der Unternehmensberater Jens-Uwe Meyer, Autor von "Das Edison-Prinzip" (Campus Verlag). Beim German Economic Forum in Garmisch-Partenkirchen forderte er am Donnerstag Unternehmer und Manager auf, doch die guten Seiten der Krise zu sehen. Das ständige Gerede über die "Krise" blockiere die Kreativität, erklärte Meyer. Er hob fünf Gründe hervor, warum Führungskräfte, aber auch engagierte Arbeitnehmer die Krise positiv sehen können:

- "Endlich unzufrieden! Dauerhafter Erfolg führt dazu, dass man in Zufriedenheit versinkt und der Kopf einschläft. Statt neue Ideen auszuprobieren, verharren wir im Alten."

- "Endlich raus aus dem kreativen Koma! Am offensten sind Manager für neue Ideen, wenn die Umsätze sinken. Nie war die Gelegenheit günstiger, sich mit neuen Vorschlägen zu profilieren!", sagte Jens-Uwe Meyer. Auch für Angestellte, die nicht in Lethargie verfallen sind, liegt darin eine echte Chance.

- "Endlich eine Welt voller Probleme! Freuen Sie sich darüber, dass es endlich wieder Probleme gibt, die man anpacken und lösen kann", sagte Meyer.

- "Endlich darf man wieder scheitern! In der Krise ist vielen Unternehmen bewusst geworden, dass man mit alten Ideen schnell scheitern kann. Das hat die Toleranz gegenüber neuen Ideen drastisch erhöht."

- "Endlich Schluss mit fetten Budgets! Endlich können Sie es sich und den Anderen zeigen, dass Sie auch mit kleinen Budgets Großes bewirken können. Entdecken Sie neue kreative Wege!"

Diese provokante Einschätzung deckt sich mit den Erkenntnissen von Martin Wehrle: Bei vielen seiner Ratsuchenden zeigte sich nämlich, dass sie zu brav den Dienstweg gingen. "Wer positiv auffallen will, muss mehr tun", fordert Wehrle. Nur so wird der eigene Mehrwert deutlich.