Während Gold und Silber neue Rekordpreise erklimmen, warnen Experten vor einer Blasenbildung an den Kapitalmärkten.

Hamburg. Keine Spur mehr von Krise an den Finanzmärkten. Angetrieben von guten Unternehmensnachrichten stieg der Deutsche Aktienindex (DAX) gestern um 2,45 Prozent auf 5854,14 Punkte. Das wichtigste Börsenbarometer notierte damit so hoch wie seit Anfang Oktober vorigen Jahres nicht mehr. Nicht nur Aktien sind wieder gefragt. Gold erreichte gestern mit 1070,40 Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) einen neuen Rekordstand. Im Gegenzug verliert der Dollar weiter an Wert. "Die hohe Liquidität, die die Notenbanken zur Bewältigung der Finanzkrise bereitgestellt haben, fließt in Vermögenswerte statt in die Gütermärkte", sagt Michael Bräuninger vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI).

Als Grund dafür sieht er, dass Investments in die reale Wirtschaft noch gescheut werden. "Die starke Konzentration auf Vermögenswerte birgt aber die Gefahr einer neuen Blasenbildung an den Börsen", sagt der HWWI-Experte. Viele Experten rechnen dennoch mit einer Fortsetzung der steigenden Kurse bei Aktien, Gold und Silber, wie eine Umfrage des Abendblatts zeigt.

Prognose: "Deutscher Aktienindex steigt auf 6200 Punkte"

"Wir gehen davon aus, dass positive Konjunkturdaten, hohe Liquidität und mangelnde Anlagealternativen dafür sorgen, dass die Aktienmärkte ihre Rallye fortsetzen werden", sagt Matthias Thiel von der Hamburger Bank M.M.Warburg & CO. Für Ende des Jahres liegt das DAX-Ziel der Bank bei rund 6200 Punkten. Damit wäre dann das Niveau vor dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers wieder erreicht.

Auch Jochen Intelmann von der Hamburger Sparkasse (Haspa) sieht noch Luft bis auf über 6000 Punkte. "Der Aufwärtstrend wird noch so lange gehen, bis die Notenbanken Signale aussenden, dass sie die Liquidität verknappen wollen", sagt Intelmann. Zumindest in den USA sei damit aber nicht so schnell zu rechnen. Nach seiner Einschätzung führt jeder neue Kursanstieg zu neuen Engagements. Bisher wird der Aufschwung am deutschen Aktienmarkt aber vor allem von ausländischen Anlegern getragen, während sich Privatanleger und Versicherungen zurückhalten und dem Aufschwung nicht trauen.

Silber im Windschatten von Gold

Das nächste Preisziel für die Feinunze Gold liegt bei 1100 Dollar. Davon geht Thorsten Proettel, Edelmetallanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), aus. "Das sollte noch in diesem Jahr erreicht werden." Im Laufe des nächsten Jahres sind auch 1300 Dollar möglich, erwartet Stefan Rose, Leiter des Haspa-Edelmetallbereichs. Trotz des hohen Interesses am Edelmetall gibt es keinen Engpass beim Verkauf. "Goldmünzen und Barren sind bei der Haspa jederzeit verfügbar", sagt Rose.

Risiken wie einen steigenden Dollar-Kurs oder auch steigende Zinsen, die den Preis drücken könnten, seien derzeit eher nicht zu erwarten, sagt Proettel. Der Dollar sei fair bewertet und die Zentralbanken würden kaum die Zinsen erhöhen, was andere Anlagen wieder attraktiver machen würde. Gefragt dürfte Gold auch als Schmuck bleiben. So sind die Importe nach Indien im September wieder auf 50 Tonnen gestiegen, den höchsten Wert in den vergangenen elf Monaten. Dort stehen Feiertage an, an denen traditionell viel Gold verschenkt wird. Kritisch sieht der LBBW-Analyst allenfalls die derzeit hohe Anzahl von Wertpapieren, mit denen sich Spekulanten eingedeckt haben. "Sollten sie zu einem bestimmten Zeitpunkt verkaufen, könnte der Preis doch noch ins Rutschen geraten." Klar ist für Proettel aber: "Die Fakten für einen weiter steigenden Goldpreis überwiegen."

Das gilt auch für Silber, das Gold des kleinen Mannes. Im Windschatten von Gold hat das Edelmetall seit Jahresbeginn auf Dollar-Basis um über 50 Prozent zugelegt, während Gold sich nur um 20 Prozent verbesserte. Ex-Investmentbanker und Silber-Experte Thorsten Schulte erwartet bis 2012 einen Anstieg des Silberpreises von rund 18 auf 100 Dollar je Feinunze. "In den nächsten sechs bis neun Monaten sollte es auf 25 bis 35 Dollar steigen, wobei man auch Rückschläge einkalkulieren muss", sagte Schulte dem Abendblatt. Über die Hälfte des Silbers werde industriell verarbeitet, bei Gold seien es nur elf Prozent. "In der Doppelrolle von Silber als Edel- und Industriemetall sehe ich einen starken Preistreiber." Für die nächsten Jahre erwartet er eine hohe Inflation und einen schwachen Dollar. "Zu Silber werden dann viele greifen, die sich Gold nicht mehr leisten können."

Dollar unter Druck

Die Deutsche Bank rechnet damit, dass sich die Schwäche des Dollar fortsetzt. Gestern setzte die Europäische Zentralbank den Kurs für einen Euro auf 1,4881 Dollar fest. Bis zum Jahresende erwartet die Deutsche Bank einen Kurs von 1,55.

Die Credit Suisse rechnet sogar mit einem Kurs von 1,60 Dollar. "Die aktuelle Dollar-Schwäche wird bis weit in das Jahr 2010 anhalten", sagt Joe Prendergast von Credit Suisse. Gründe sind die lockere Geldpolitik der USA und das hohe US-Haushaltsdefizit. Der Dollar verliert als Reservewährung an Bedeutung. So ist das Gewicht des Dollar an den Devisengesamtbeständen der Notenbanken auf den für die Nachkriegszeit beispiellos niedrigen Anteil von 62,8 Prozent geschrumpft.

Während die Exportindustrie vom starken Euro belastet wird, bringt er für Verbraucher Vorteile. Wer in den Dollar-Raum auf Reisen geht, profitiert von günstigen Flügen und Hotels. Auch Markenprodukte lassen sich dort günstig erwerben.