Vor 100 Jahren legte Karl Albrecht senior den Grundstein für Konzern. Söhne revolutionierten mit niedrigen Preisen die Handelslandschaft.

Essen. Aldi ist hier noch richtig Aldi. Keine hochmoderne Ladeneinrichtung, kein Schnickschnack. Nur die neuen Einkaufskörbe fallen auf. Die Filiale in der Essener Huestraße 89 ist allerdings kein Aldi-Laden wie jeder andere. Vor 100 Jahren legte die Familie Albrecht im Nachbarhaus den Grundstein für den heutigen Handelsriesen Aldi. Der Bäcker Karl Albrecht startete am 10. April 1913 einen "Handel mit Backwaren". Generationen später sind die eigenständigen Schwesterunternehmen Aldi Nord und Aldi Süd in 17 Ländern in Europa, Nordamerika und Australien aktiv. Im deutschen Heimatmarkt gelten die Aldi-Preise als Messlatte für die Konkurrenz.

Die Männer hinter der Aldi-Erfolgsgeschichte sind die Söhne des Firmengründers, Karl Junior und der mittlerweile verstorbene Theo Albrecht. Nach dem Tod des Vaters übernahmen sie Verantwortung im elterlichen Geschäft und entwickelten das Discountkonzept. "Die Familie Albrecht hat Wirtschaftsgeschichte geschrieben mit der Erfindung eines Formats, das man bis dahin auf der ganzen Welt nicht kannte", sagt der Geschäftsführer des Kölner Handelsinstitutes EHI, Michael Gerling. "In einer Zeit, als im Lebensmittelhandel vorverpackte Ware und Selbstbedienung Einzug hielten, kam die Familie Albrecht auf die Idee: Wir konzentrieren uns auf Artikel, die man täglich braucht, ohne eine große Auswahl zu bieten", schildert er.

Mit dem schmalen Sortiment und einfachen Betriebsabläufen konnte Aldi die Kosten niedriger halten, als es bei anderen Unternehmen der Fall war. "Wer die niedrigsten Kosten hat, kann die besten Preise bieten", verdeutlicht Gerling. Aldi verkauft Ware auf Paletten, die Regale werden gleich kartonweise mit Ware bestückt. Schnell müsse bis heute alles gehen, sagt Gerling: "Den Strichcode, den Aldi erst spät mit der Umstellung von D-Mark auf Euro in seinen Kassensystemen einführte, wird x-fach auf die Packung gedruckt, damit die Kassiererin die Ware nicht drehen muss", schildert Gerling. Der vier Meter lange Kassentisch, auf den die Kunden den Inhalt mehrerer Einkaufswagen legen könnten, ehe es losgehe, sei eine "bahnbrechende Erfindung".

Aldi ist aber nicht gleich Aldi: Bereits 1960 teilten sich die Brüder das Geschäft und die Welt gleich mit auf. Es entstanden die rechtlich eigenständigen Unternehmen Aldi Nord mit Theo an der Spitze und Aldi Süd geführt von Karl Junior. Über den genauen Anlass für die Trennung wird bis heute gerätselt. "Interner Wettbewerb war immer schon ein wichtiger Erfolgsfaktor im System Aldi. Das ist eine mögliche Erklärung", sagt der Discountexperte Matthias Queck. Aldi Nord und Aldi Süd unterscheiden sich nicht nur im Logo. Auch im Sortiment der Lebensmittelhändler und bei der Aktionsware gibt es Unterschiede. Anderseits lernen die Schwesterunternehmen bis heute von einander. Der erste Aldi-Markt - die Abkürzung steht für Albrecht-Discount - wurde 1962 eröffnet, also vor rund 50 Jahren.

"Fragt man sich, wie Aldi so populär wurde, muss man zurück in die 80er-Jahre blicken. Der Startschuss des Erfolgs fiel mit den Non-Food-Artikeln. Ich denke an den ersten Billig-PC", sagt Rewe-Chef Alain Caparros, der selbst sechs Jahre lang Manager bei Aldi Nord war. Die strikte Maßgabe, dass für einen völlig neuen Artikel ein Produkt komplett aus den Regalen verschwinden muss, gilt schon lange nicht mehr. Aldi Nord und Aldi Süd nehmen zunehmend Markenartikel in ihre Läden, jüngstes Beispiel ist die Weltmarke Coca-Cola. Das ungefähr 1000 Artikel umfassende Sortiment von Aldi wurde in den vergangenen Jahrzehnten um Tiefkühlware und Frischfleisch erweitert.

Mit einem größeren Angebot an Backwaren knüpft Aldi seit einigen Jahren an seinen Ursprung an. Aldi Süd begann 2009 mit dem Einbau von Backstationen. Aldi Nord startete 2011 die Modernisierung der Filialen in Europa. Die neuesten Läden sollen mit breiteren Gängen und einer bessere Beleuchtung das Einkaufen leichter machen.

Zur Größe des Handelsimperiums halten sich Aldi Nord und Aldi Süd bedeckt. Nach Schätzung des Handelsinformationsdienstes Planet Retail kamen Aldi Nord und Aldi Süd 2012 mit insgesamt rund 10.000 Filialen - 90 davon in Hamburg - auf rund 62 Milliarden Euro Umsatz. "Das heißt bei 100 Jahren pro Jahr 100 Läden im Schnitt, eine schön runde Zahl. Aber eben nur ein Durchschnitt", sagt Experte Queck.