Milchviehhalter drohen mit weiteren Protesten. 14.000 Landwirte sehen sich in ihrer Existenz bedroht.

Hamburg. Die Milchbauern geben nicht auf. Mit weiteren Aktionen wollen sie sich gegen die niedrigen Preise für ihre Produkte wehren. "Wir werden die Proteste in den nächsten Tagen ausweiten", sagte Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), dem Abendblatt.

Seit Juli erhalten die Bauern nur 17 bis 21 Cent pro Liter - rund ein Drittel weniger als 2008. Damit liegt der Preis zum Teil unter dem Interventionsniveau der Europäischen Union (EU). Das führe aber nicht automatisch dazu, dass die Bauern einen Mindestpreis für die Milch bekommen, da die Interventionsmenge begrenzt ist. Die EU kauft dann Milcherzeugnisse auf, um den Preis zu stützen.

"Die Lage in vielen Betrieben ist sehr ernst", sagte Foldenauer. "Wenn sich in den nächsten ein bis zwei Monaten nichts ändert, verlieren viele Bauern ihre Existenzgrundlage." Unterdessen machen die Bauern mit Protesten auf ihre prekäre Lage aufmerksam. Vor dem Aldi-Zentrallager im schleswig-holsteinischen Horst haben gestern Morgen rund 40 Bauern gegen die niedrigen Milchpreise protestiert. Drei Stunden lang versperrten die Demonstranten mit einer Sitzblockade drei Eingänge des Lagers. Auf Plakaten mit Aufschriften wie "Die faire Milch" und "Wie billig soll Milch noch werden?" machten Landwirte ihrem Unmut Luft.

Drei Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern haben einen Lieferboykott begonnen. Möglicherweise würden sich weitere Landwirte den Aktionen gegen niedrige Milchpreise anschließen, sagte Peter Guhl, Mitglied im Landesvorstand des BDM. "Es ist jetzt so, dass wir auf den 800 Milchviehbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern täglich 570 000 Euro verbrennen", sagte Guhl. Der BDM fordert von der Bundesregierung Maßnahmen zur Begrenzung der Milchmenge.

Von der EU können die Bauern jedoch keine Unterstützung mehr erwarten. Im nächsten Jahr wird die Milchquote nochmals erhöht. "Das wird den Marktdruck auf die Bauern noch erhöhen", sagte Foldenauer. Auf EU-Ebene zeichne sich keine Mehrheit für eine Aussetzung der beschlossenen Quotenerhöhung ab, sagte Staatssekretär Gert Lindemann am Rande eines Treffens der europäischen Agrarminister im schwedischen Växjö.

Wegen der niedrigen Milchrohpreise hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gefordert, die Quote nächstes Jahr nicht zu erhöhen. Damit war sie jedoch bei EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel und den meisten EU-Staaten auf taube Ohren gestoßen.

Da eine Verringerung der Milchquote auf europäischer Ebene nicht durchsetzbar ist, solle in Deutschland die sogenannte Saldierung abgeschafft werden. Wenn Betriebe aufgeben, darf deren Milchmenge bislang auf andere Höfe übertragen werden. Das sollte in Deutschland nicht mehr erlaubt sein, forderte Foldenauer. Nach seinen Worten wäre dies auch kein nationaler Alleingang innerhalb der EU. In Frankreich gebe es auch keine Saldierung. Beide Länder stellten 60 Prozent der europäischen Milchproduktion, könnten den Markt also stark beeinflussen.

Im BDM sind rund 35 000 Betriebe organisiert. "Wir rechnen damit, dass 20 bis 40 Prozent aufgeben müssen", sagte Foldenauer. Das wären bis zu 14 000 Milchviehbetriebe. "Das Ausscheiden dieser Betriebe aus dem Markt verbessert die Lage aber nicht grundlegend, solange ihre Milchquoten von anderen Betrieben übernommen werden können." Bisher hat sich die Lage am Milchmarkt immer nur kurzfristig entspannt. Ziehen die Preise wieder an, steigt auch die angebotene Milchmenge.