Kein Job, kein Geld, keine Hoffnung? Oder ist alles nur Panikmache? Abendblatt.de hat sich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Hamburg umgehört.

Hamburg. Als Bilal Onunbas (23) vor dreieinhalb Jahren eine Lehre als Kfz-Mechatroniker anfing, dachte er, er hätte es geschafft. Sein Start ins Berufsleben sah so vielversprechend aus. Kurz darauf kam sein Sohn zur Welt. Die kleine Familie aus Billstedt musste zwar sparen, blickte aber ansonsten optimistisch in die Zukunft. Doch jetzt wird die Situation für den Sohn türkischer Eltern immer bedenklicher. Trotz seiner Ausbildung in der Lehrwerkstatt der Hamburger Kfz-Innung und zahlreicher Praktika wird er im Februar kommenden Jahres wohl keinen festen Arbeitsplatz finden. "Durch die Wirtschaftskrise sind die Betriebe sehr vorsichtig geworden", sagt der junge Mann.

Das Schicksal Bilal Onunbas' ereilt derzeit immer mehr Jugendliche in Deutschland. Vor allem die 15- bis 24-Jährigen sind die Hauptleidtragenden der Wirtschaftsflaute, ergab eine Studie, die der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gestern vorgestellt hat. Danach stieg die Erwerbslosigkeit in dieser Altersgruppe im Mai dreimal so stark an wie die allgemeine Arbeitslosigkeit. Um 16,1 Prozent auf rund 367 000 schnellte sie bundesweit in die Höhe.

In Hamburg war die Situation im Juni noch dramatischer. Hier lag die Zunahme bei fast 30 Prozent, die Zahl der jungen Arbeitnehmer, die nach einer Ausbildung Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, stieg sogar um 47 Prozent.

Die drastischen Zuwächse haben vor allem zwei Gründe: Zum einen schaffen es immer weniger junge Menschen, direkt nach der Ausbildung in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernommen zu werden. Zum anderen entlassen die Unternehmen in der Krise zuerst die jüngeren Mitarbeiter ohne Kinder, weil auf diese Art und Weise die Sozialauswahl im Kündigungsschutzgesetz funktioniert.

"Die Jugendlichen akzeptieren heute zudem jede Art von Beschäftigungsverhältnis, um überhaupt auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen", sagt Tanja Buch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Unter Leih- und Zeitarbeitern seien jüngere Beschäftigte überproportional vertreten. Und auch sie seien dann die Ersten, wenn es aufgrund einer Auftragsflaute zu Entlassungen komme.

Mittlerweile prägt die Erfahrung der Krise und der Ungewissheit eine ganze Altersgruppe. "Wir haben es mit einer zutiefst verunsicherten Generation zu tun", sagt Trendforscher Patrick Schenck vom Trendbüro Hamburg. In einem Lebensabschnitt, in dem die Heranwachsenden ohnehin erst auf der Suche nach der eigenen Identität seien, biete ihnen die Gesellschaft nun immer weniger Sicherheiten an. "Viele machen gleich zu Beginn ihrer beruflichen Karriere die Erfahrung, dass sie eigentlich nicht gebraucht werden", so Schenck. Dies könne gravierende Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl haben.

Die Anforderungen an die jugendlichen Bewerber haben sich aus Sicht des Trendforschers deutlich erhöht. "Man muss extrem flexibel und zugleich strukturiert sein." Damit gehe allerdings auch ein größeres Maß an Freiheit und an Entfaltungsmöglichkeiten einher.

Manche Jugendliche reagieren auf die immer höheren Erwartungen der Gesellschaft, indem sie ein überaus rationales Verhältnis zu ihrer eigenen Lebensplanung entwickeln. "Meine Studenten haben ihre spätere Marktfähigkeit sehr genau im Blickfeld", sagt der Soziologe und Protestforscher Dieter Rucht vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung. Sie wüssten sehr genau, welchen Karriereweg sie künftig erfolgreich einschlagen könnten. "Einfach vor sich hin zu studieren wie zu meiner Zeit, das gibt es eigentlich nicht mehr." Das Spielerische am Studium sei aus seiner Sicht fast gänzlich verloren gegangen.

Ob sich aus den Krisenerfahrungen allerdings eine neue, gemeinsame Identität entwickeln kann, darüber sind sich die Forscher derzeit noch uneins. "Ich sehe vor allem eine große Zahl an Einzelkämpfern, die jeder für sich unterwegs sind", sagt Soziologe Rucht. Eine wachsende Politisierung oder gar die Herausbildung einer neuen Protestbewegung könne er derzeit noch nicht erkennen.

Viel wird auch davon abhängen, wie lange die prekäre Lage für die Jugendlichen und Studenten noch anhält. Bei den Ausbildungsplätzen geht der DGB in diesem Jahr eher noch von einer Verschärfung der Lage aus. Durch die angespannte Situation in vielen Firmen könne das Angebot um 50 000 auf 570 000 zurückgehen, schätzen die Gewerkschafter.

Bilal Onunbas gehört jedenfalls zu jenen, die trotz der Enttäuschung ganz pragmatisch auf ihre unsichere Zukunft reagieren. 50 Bewerbungen hat der angehende Kfz-Mechatroniker schon geschrieben. Jetzt wartet er. Wenn gar nichts klappt, will er einfach noch eine Ausbildung machen - zum Grafikdesigner.