Über dem einst aufstrebenden Solarunternehmen liegt ein dunkler Schatten. Conergy-Vorstand Dieter Ammer nimmt Stellung zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Hamburg. Dieter Ammer hat Jahre seiner Jugend in Namibia verbracht und als leidenschaftlicher Jäger so manches Tier vor der Flinte gehabt. Jetzt ist der Vorstandschef des führenden europäischen Solarunternehmens Conergy mit Sitz in Hamburg selbst der Gejagte. Er steht im Visier der Justiz. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den 58-jährigen Manager, der früher die norddeutschen Unternehmen Tchibo und Becks lenkte, Ermittlungen aufgenommen. Der Verdacht: Insiderhandel und Bilanzfälschung. Im Abendblatt-Gespräch äußert er sich erstmals konkret zu diesen Vorwürfen.

Die Anstrengung der vergangenen Tage steht dem 1,90-Meter-Mann ins Gesicht geschrieben. Er lässt Kaffee und Wasser vor sich unberührt. "Ich kann nicht mehr tun, als mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten und für ein offenes Verhältnis zu sorgen", sagt er. Ammer geriet in die Schlagzeilen, als vor wenigen Tagen 125 Ermittlungsbeamte 24 Büros und Wohnungen in Hamburg, Berlin, Stuttgart und München durchsuchten. Elf Personen werden von der Justiz als "verdächtig" eingestuft, darunter ehemalige Vorstände von Conergy. Namen sickerten zunächst nicht durch.

Doch kurz nach den Durchsuchungen sah Ammer sich gezwungen, in einer schriftlichen Erklärung an die Mitarbeiter zuzugeben, dass auch er selbst Ziel der Ermittlungen sei. Der einflussreiche gebürtige Bremer, der auch im Aufsichtsrat von Heraeus sitzt, geht nun in die Offensive, wehrt sich. Bei einer Verurteilung drohen ihm immerhin bis zu fünf Jahre Haft. Den Vorwurf des Insiderhandels, dessen er sich im Jahr 2007 schuldig gemacht haben soll, weist er vehement zurück.

Er habe das beanstandete Aktiengeschäft als damaliger Aufsichtsratschef von Conergy "ohne Insiderwissen und in dem für ein Organ des Unternehmens zulässigen Zeitraum" getätigt, beteuert Ammer. "Ich habe damals rund fünf Prozent meines damaligen Aktienbesitzes verkauft, den Hauptteil behalten." Knapp elf Millionen Euro hat Ammer am 30. März 2007 mit dem Verkauf verdient, wie ein Blick auf die Conergy-Homepage zeigt. Hans-Martin Rüter, der damals Vorstandschef des Unternehmens war, kassierte bei seinem Aktiendeal am selben Tag sogar gut 16 Millionen Euro.

"Wir müssen reorganisieren"

Den Vorwurf, dass das Unternehmen in dieser Zeit die Geschäftsentwicklung zu positiv dargestellt habe, um den Aktienkurs in die Höhe zu treiben, gibt Ammer an die Adresse des damaligen Vorstandes weiter. "Laufende Unternehmensinformationen und Ad-hoc-Meldungen werden vom Vorstand herausgegeben", sagt er. Er als Aufsichtsrat sei nicht in die Gestaltung dieser Meldungen einbezogen worden. "Dies ist auch nicht üblich", so Ammer. "Eine tägliche Kontrolle ist nicht Aufgabe des Aufsichtsrates." Noch immer besitzt der Manager knapp vier Prozent der Conergy-Anteile und hält zudem Beteiligungen an anderen Firmen. Ammer ist finanziell unabhängig, wohlhabend. Bei Conergy bangen dagegen viele Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz. "Wenn sich die Situation in der Branche nicht bessert", sagt Ammer, "müssen wir noch weiter reorganisieren."

Der Traum des Volkswirts, Conergy zum größten Solarzellenanbieter der Welt auszubauen, hat auch in den vergangenen Monaten nach weiteren Entlassungen, Berichten über Verluste von mehr als 200 Millionen Euro auch noch 2008 und einem starken Preisverfall in der Branche gelitten, sein eigenes Image ist angekratzt.

Selbst Ammers langjähriger Weggefährte Otto Happel, der Erbe des Bochumer Spezialmaschinenherstellers Gea, hat seine Anteile an Conergy stark reduziert, von 15 auf nur noch drei Prozent. Von einem Misstrauensvotum Happels will Ammer aber nichts wissen: "Er hat bereits im Mai angekündigt, sein Portfolio umzuschichten und sich in diesem Zusammenhang auch von Investments in regenerative Energien zu verabschieden."

Schon einmal hat Conergy einen schmerzhaften Schrumpfungsprozess durchleben müssen. Nachdem Ammer Hans-Martin Rüter Ende 2007 an der Unternehmensspitze ablöste, mussten 1000 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, viele hoch qualifizierte Experten gingen freiwillig. Sie waren enttäuscht darüber, dass das Management sich mit Investitionen in Geschäftsfelder wie Windturbinen, Biogas- und Biomasseanlagen verzettelte. In diese dunkle Vergangenheit reicht auch der Vorwurf der Bilanzfälschung, dem die Staatsanwälte ebenfalls nachgehen. Die Bilanzen für das Geschäftsjahr 2006 und für das erste Halbjahr 2007 waren vom neuen Vorstand unter Ammer nachträglich korrigiert worden.

"Mich enttäuscht, dass gegen mich ermittelt wird"

Auf diesem Weg wurden Umsätze mit Tochtergesellschaften verringert, die aus Sicht der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) vorher zu hoch ausgewiesen waren. Zudem soll ein Grundstücksgeschäft in Frankfurt/Oder, wo die Conergy-Produktion steht, bilanziell falsch dargestellt worden sein. Der Fall sei bereits gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte und der DPR korrigiert worden, sagt Ammer. "Mich enttäuscht, dass gegen mich jetzt auch in diesem Fall ermittelt wird." Schließlich habe er selbst - in seiner damaligen Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender -"ganz wesentlich" dazu beigetragen, dass die angeblichen Bilanzierungsfehler beseitigt wurden. Auch habe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Untersuchungen im Oktober 2007 bereits zu den Akten gelegt.

Dass die Unregelmäßigkeiten aus dieser Zeit bis heute nachwirken, zeigte die turbulente Hauptversammlung im Frühjahr, als der ehemalige Vorstand nicht entlastet wurde. Ammer soll hier seine Finger mit im Spiel gehabt und damit einen Affront gegen seinen Neffen und Ex-Vorstandschef Hans-Martin Rüter zumindest hingenommen haben, heißt es. Er selbst weist diesen Vorwurf scharf zurück, räumt aber zugleich ein, dass es auch aktuell noch Gespräche zwischen Aufsichtsrat und dem früheren Vorstand darüber gebe, inwieweit sich die Unternehmensleitung damals "mögliche Verletzungen der Sorgfaltspflicht" habe zuschulden kommen lassen. Im Zweifel müsse das Unternehmen die Führungsriege noch auf Schadenersatz verklagen. Doch auch Ex-Conergy-Chef Rüter, bei dem die Polizei bei den Durchsuchungen ebenfalls Material beschlagnahmte, weist jede Schuld von sich (s. u.).

Ammer selbst denkt bereits an seine Zeit nach Conergy - im Anschluss an die Restrukturierung. "Ich werde mich dann wieder um meine sonstigen Beteiligungen kümmern." Ex-Infineon-Vorstand Andreas von Zitzewitz, der seit Januar im Vorstand bei Conergy sitzt, ist als sein Nachfolger im Gespräch. "Er macht eine exzellente Arbeit", sagte Ammer über Zitzewitz.

Allerdings muss sich Ammer fragen lassen, warum Conergy wieder Manager ins Boot geholt hat, die in ihren früheren Funktionen nicht nur für erfreuliche Nachrichten gesorgt haben. So war von Zitzewitz beim Chiphersteller Infineon über eine Schmiergeldaffäre gestolpert und konnte sich nur durch ein Geständnis einer Gefängnisstrafe entziehen. Und dem Aufsichtsrat von Conergy steht Eckhard Spoerr vor. Er musste bei Freenet wegen des Verdachts auf Insiderhandel seinen Hut nehmen.