US-Präsident Obama glaubt an Zukunft der Traditionsfirma. Staat unterstützt Sanierung mit acht Milliarden Dollar.

Hamburg/Washington

Es ist eine der größten Pleiten der US-amerikanischen Wirtschaftsgeschichte - und Barack Obama machte sie jetzt zur Chefsache. Der Präsident der Vereinigten Staaten verkündete höchstpersönlich das Unumgängliche, die Insolvenz des drittgrößten amerikanischen Autobauers Chrysler, der 1919 gegründet wurde.

Dabei hob sich der US-Präsident die schlechte Nachricht für Chrysler ganz für den Schluss auf. Zunächst betonte Obama die Stärke nach einem Neuanfang, begrüßte Fiat als Partner und machte den 50 000 Beschäftigten Mut. Dann jedoch kamen die ernüchternden Fakten auf den Tisch: Der Weg zum Neuanfang führt durch ein Insolvenzverfahren, ein riskantes Unterfangen mit unberechenbarem Ausgang.

Obama war bei der Ankündigung der bisher größten Pleite eines Autoherstellers mitfühlend, aber bestimmt: Die Zeit, da die Milliardenkredite in Washington leicht zu haben waren, ist endgültig vorbei. "Ich will keine Autofirmen betreiben, ich will keine Banken betreiben", erklärte der Präsident. "Ich habe schon mit zwei Kriegen zu tun."

Der Konzern werde durch die Insolvenz nach "Chapter 11" (siehe Beistück) geschützt von seinen Gläubigern Ballast abwerfen können. Der italienische Autobauer Fiat soll zunächst mit 20 Prozent bei Chrysler einsteigen und später seinen Anteil auf 35 Prozent aufstocken. In einem bis zwei Monaten könnte Chrysler dann neu starten, so Obama. Er bezeichnete die Allianz mit Fiat als "notwendigen Schritt", der es Chrysler ermöglichen werde, "nicht nur zu überleben, sondern in der weltweiten Autobranche zu florieren".

Obamas Ankündigung waren dramatische Verhandlungen über eine Sanierung außerhalb des Insolvenzrechts vorangegangen. Am Mittwochabend scheiterten jedoch die Gespräche mit Gläubigern über eine Reduzierung der Schulden. Die Hedgefonds unter den Gläubigern hatten laut US-Medien offenbar auf 2,5 Milliarden Dollar bestanden. Das US-Finanzministerium will die Umstrukturierung nun mit acht Milliarden Dollar unterstützen. Kanada stellt weitere 2,4 Milliarden Dollar Nothilfe bereit. Beide Regierungen erhalten dafür acht beziehungsweise zwei Prozent der Chrysler-Anteile.

Fiat werde erst dann eine Mehrheitsbeteiligung bei Chrysler übernehmen können, wenn alle US-Staatshilfen zurückgezahlt seien, so Obama. Fiat selbst strebe eine Mehrheitsbeteiligung ab 2013 an. Die Allianz werde "einen machtvollen neuen Automobilkonzern schaffen", sagte Fiat-Chef Sergio Marchionne.

Chrysler kündigte an, die Arbeit in den meisten der 30 Werke für die Zeit des Insolvenzverfahrens ruhen zu lassen. Es gebe derzeit aber keine Entlassungen und Werksschließungen. Durch die Partnerschaft mit Fiat würden mehr als 30 000 Arbeitsplätze bei Chrysler und Zehntausende weitere bei Zulieferern und Händlern gesichert. Die amerikanische Öffentlichkeit wird den Wahrheitsgehalt von Obamas Ankündigungen kritisch beobachten, denn Chryslers Insolvenzverfahren könnte zum Testlauf für den weit größeren Sanierungsfall General Motors (GM) werden. Und damit auch für das Schicksal der Tochter Opel.

Auch bei dem deutschen Krisenopfer spekuliert der Fiat-Chef auf eine günstige Chance zum Ausbau seines Konzerns. Fiat werde durch den Einstieg bei Chrysler nun noch stärker an dem deutschen Hersteller interessiert sein, vermutet Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. "Fiat wird jetzt aggressiv die Opel-Linie verfolgen, um an die 3,3 Milliarden Euro Staatsgeld heranzukommen und den Chrysler-Deal abzufedern."

Anders als Opel und Fiat passten Fiat und Chrysler aber "ideal zusammen", lobte Dudenhöffer die zweite interkontinentale Partnerschaft Chryslers nach der gescheiterten Ehe mit Daimler, die den Stuttgarter Autobauer mehrere Milliarden Euro kostete. Die Hersteller hätten im Gegensatz zu Daimler und Chrysler beide den Massenmarkt im Auge, keine Premiumansprüche und könnten sich auch im Vertrieb unterstützen: Fiat ist bisher noch nicht auf dem US-Markt vertreten und dürfte sich nun bald mit seinen Marken bei den Chrysler-Händlern präsentieren, sagte Dudenhöffer dem Abendblatt. Im Gegenzug dürften die Italiener den Amerikanern nun bei den Themen helfen, die auch die beiden anderen US-Hersteller GM und Ford so sehr in Bedrängnis gebracht haben: Sie müssen endlich kleinere Wagen mit weniger Verbrauch auf den Markt bringen.