Es müssen nicht immer Traumstrände sein, die man mit einem schönen Urlaubsziel verbindet. Mal ist es eine einsame Bucht, mal das Häuschen in den Dünen, mal eine wunderschöne Kirche. Unsere Autorin erinnert sich an eine Lindenallee im Klützer Winkel in Mecklenburg.

Aus der Entfernung sieht es aus wie ein umhäkelter Hügel. Als hätte jemand gesagt: So, diese sanfte Kuppe verzieren wir mal mit einer grünen Bordüre.

1991 fiel mir die Lindenallee auf dem Weg zum Ostseebad Boltenhagen ins Auge. Seither habe ich sie immer wieder fotografiert. Im Frühjahr in zartem Grün, im Sommer über gelben Feldern, im harten Kontrast der Wintersonne im Schnee. Sie ist wie eine Erinnerung an Fontanes Effi Briest, mein Spazierweg in eine längst vergangene Zeit.

Die 270 Meter lange Lindenallee verbindet eines der hübschesten Schlösser Mecklenburgs mit dessen einstigem Vorwerk Hofzumfelde. Der Reichsgraf Hans Caspar von Bothmer ließ hier vor rund 270 Jahren seinen Familienstammsitz errichten. Er verlangte, was gut und teuer war: Kavaliershäuser, Wassergräben, Alleen, einen Barockgarten. Für die Lindenallee schaffte man eigens niederländische Linden nach Klütz. Bothmer hat die Anlage nie gesehen: Er starb 1732 in London, als das Schloss gerade vollendet war.

1991 konnte ich von alter Pracht nicht mehr viel sehen. Der Park wirkte verwahrlost. Das Schloss war zu DDR-Zeiten in das "Feierabendheim Clara Zetkin" umgewandelt worden, ein Altenheim für betagte Werktätige.

Aber jemand hatte sich um die Allee gekümmert. Einige Bäume waren mit Stäben abgestützt. Die Stämme teilen sich in der Mitte, und die Zweige wachsen nach rechts und links in die der Baumnachbarn hinein. So ergeben sie eine typische barocke Girlandenform, die man "Feston" nennt.

Barockgärten waren ein Großversuch, die Natur in Form zu zwingen. Beete hatten geometrische Muster. Baumstämme wurden auseinandergezogen, in Kugel- oder Kastenform geschnitten. Eine Festonallee erfordert ständige Pflege. Sonst zerfranst sie wie eine Spitzenmanschette am Ärmel.

Als Wolfgang Kaletta 1963 nach Klütz kam, waren die Triebe zehn Meter hoch geschossen. Fünf der ehemals 72 Linden fehlten. Kaletta hatte in Stralsund Gartenbau gelernt und sich im DDR-Kulturbund Grundwissen über Barockgärten angeeignet. Der damals 25-Jährige sollte sich eigentlich um Kohl und Alpenveilchen kümmern. Er sah die Allee und schritt zur Tat.

Er schnitt, stützte und fügte Äste zusammen. "Linden haben schlafende Augen", sagt er. "Wenn im Frühjahr der Saftdruck kommt, treibt der Baum aus diesen Augen aus. Nach drei Jahren sind die Äste ausgetrieben. Dann muss man sie im Herbst nach dem Laubabfall wieder herunterschneiden. Sonst stirbt das ab."

In Kaletta fand die Allee ihren Retter. Inzwischen ist er 71 Jahre alt und Rentner. Die Lindenallee, einzigartig in Deutschland, steht jetzt unter Schutz und Pflege des Landes. Ein niederländischer Gartenbauspezialist ist beauftragt, die fehlenden Bäume zu ersetzen. Dazu nutzt man Bodentriebe der Klützer Linden, die eigene Wurzeln gebildet haben, sagt Kaletta. So erhält man identisches Baummaterial. Aber die jungen Bäume dann mithilfe von Zug und Druck in die gespaltene Form zu bringen, wird Jahrzehnte dauern. Meine Lieblingsallee hat also noch eine spannende Zukunft.