Erzählung: Der Held in Haruki Murakamis Erzählung ist ein Außenseiter. Die Liebe zu einer modesüchtigen Frau wird ihm zum Verhängnis. Parallel zum Buchstart läuft die Verfilmung dieser genialen Story im Kino.

Tony Takitani wuchs schon früh in eine Außenseiterrolle hinein, die ihm bald natürlich erschien. Seine Mutter starb kurz nach seiner Geburt, sein Vater Shozaburo war in den 30er Jahren als Jazzmusiker in Shanghai gewesen und als eingefleischte Künstlernatur nach der Rückkehr nach Japan nicht zum Hausmann oder alleinerziehenden Vater prädestiniert.

Wegen seines amerikanischen Namens wird Tony von seinen Schulkameraden als bunter Vogel verspottet, was ihm jedoch nichts ausmacht. Mit großer Hingabe malt er Blumen, aber auch technische Gebrauchsartikel, die er mit perfektionistischer Detailgenauigkeit zeichnet, fast wie auf einem Foto. Nach seinem Kunststudium wird Tony zwar ein erfolgreicher Illustrator von Magazinen und Firmenprospekten, doch seine Einsamkeit empfindet er als deprimierend.

Als er sich in die junge Eiko verliebt, die er in seinem Büro kennenlernt, steht für ihn fest, daß dies die Frau fürs Leben ist. Doch wer Haruki Murakamis Bücher kennt, weiß natürlich auch, daß damit kein Happy-End vorgegeben ist.

Anfangs befürchtet Tony, von Eiko verlassen zu werden, dann bedrückt ihn ihr exzessives Faible für Designerklamotten, die sie in den exklusivsten Boutiquen kauft. Die zerknirschte Eiko ist nach Tonys Vorhaltungen zwar einsichtig (es ist wie ein Rausch), doch sie kann ihren Kaufzwang nur mit großer Überwindung bremsen und verliert ihre Lebensfreude.

Schließlich kommt sie bei einem Autounfall ums Leben. Tony heuert zwar ein junges Mädchen als Assistentin und Ersatzfrau an, die Eikos Kleider tragen und ihm so über deren Tod hinweghelfen soll. Doch seine Hoffnung erweist sich als tragische Illusion.

Murakamis 1990 geschriebene, ebenso anrührende wie mitreißende Erzählung war 2002 im "New Yorker" veröffentlicht worden. Als Murakami während eines Hawaii-Trips ein T-Shirt mit der Aufschrift Tony Takitani kaufte, soll er bereits die komplette Story im Kopf gehabt haben. Sie besticht mit geradezu minimalistischem Stil. Hier werden nicht, wie etwa in "Mister Aufziehvogel", ausführlich die Alltagsdetails oder Marotten der Arbeitskollegen beschrieben. Stimmungen und atmosphärische Impressionen werden nur kurz angerissen und mit knappen Dialogen versetzt. Tonys Innenleben, seine Vereinsamungs- und Beziehungsängste werden scharfsinnig und mit großer Intensität dargestellt. Diese knappe, nur 64 Seiten starke Geschichte gehört zweifellos zu Murakamis besten Werken.

Jun Ichikawa, ausgesprochener Murakami-Kenner, ist die filmische Umsetzung grandios gelungen. Sein Erzähler berichtet in einem lakonischen Sprachduktus, er läßt die Protagonisten mit nur ein oder zwei Sätzen zu Wort kommen und vertraut ganz auf die Kraft seiner Bilder - was perfekt aufgeht. Mit wunderbarer Intensität evoziert Ichikawa verstörende Bilder.

Die tödliche Enge einer Zelle, in die der Vater von den Chinesen gesperrt wird, spiegelt sich wider in der klaustrophoben Ausweglosigkeit der mit Designer-Garderobe vollgestopften Kleiderkammer. Von Eiko sehen wir beim Boutiquenbummel nur die Schuhe, die Kamera verharrt oft auf den Hinterköpfen. Kein Wunder, daß dieser faszinierende Film, dessen betörende Bilder einen noch lange Zeit beschäftigen, in Locarno mit dem Fipresci-Preis ausgezeichnet wurde und zum Sundance Filmfestival 2005 eingeladen wurde.

Haruki Murakami: Tony Takitani. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. Du Mont, 64 S.; 14,90 Euro. Tony Takitani Japan 2004, 75 Min. (ab 12), R: Jun Ichikawa, D: Issey Ogata, Rie Miyazawa, tägl. im Abaton; Internet: www.alamodefilm.de