Er ist einer der Besten seines Berufs und wesentlich an Filmen wie Coppolas "Pate"-Trilogie und "Apocalypse Now" oder "American Graffiti" von George Lucas beteiligt, die Teil unseres kollektiven Gedächtnisses sind. Doch nur Fachleute kennen Walter Murch, denn er gehört zu den unsichtbaren Männern, die Filme schneiden, vertonen, mischen, ihnen Sound und Rhythmus geben und damit virtuos die vorbewußte Wahrnehmung beim Zuschauer lenken.

Der kanadische Autor Michael Ondaatje lernte Murch 1996 kennen. Der Cutter gehörte zu dem Team um Regisseur Anthony Minghella, das Ondaatjes Roman "Der englische Patient" verfilmte. Der Autor war fasziniert davon, wie Murch mit dem Filmmaterial umging, wie er es überraschend montierte, wie oft akribisch der eine unverwechselbare Ton ausgewählt und wie raffiniert er plaziert wurde. Ondaatje fand Murchs Arbeit der seinen in der Endphase des Schreibens vergleichbar, in der aus Quasi-Rohmaterial ein Roman komponiert wird.

Als Ondaatje "Anils Geist" beendet hatte, schlug er Murch ein neues Projekt vor: Interviews über "Die Kunst des Filmschnitts". Das Ergebnis der fünf Sessions im Jahr 2000 ist ein Glücksfall: ein Buch, das tiefe Einblicke in die kreative Werkstatt eröffnet. Denn die Texte sind keine typischen Interviews, sondern stimulierende Gespräche zwischen zwei Künstlern.

Wer eine cineastische Überdosis erwartet, wird angenehm überrascht. Denn Murch ist ein "Renaissance-Mensch" (Ondaatje). Er kennt sich ebenso in der Astronomie aus wie in der Musik des 15. Jahrhunderts, und wenn er Goethe zitiert, über Flauberts Realismusbegriff reflektiert und darüber, wie Beethovens Art zu komponieren der Grammatik des Films entspricht, dann fügt sich all das selbstverständlich in die Argumentation. Filmhistorisch ist er dagegen weniger beschlagen, und Fernsehen schaut er sich nie an. Es ist erstaunlich zu hören, welchen Einfluß ein Cutter auf den Film nehmen kann. En detail sowieso, aber auch auf die große Architektur. Und daß er Teile des Drehbuchs neu erfinden muß, weil erst im Schnitt auffällt, was fehlt. Dabei läßt Murch keinen Zweifel daran, daß er immer im Dienst von Autor und Regisseur steht.

Nebenbei fließt auch Anekdotisches ein, etwa die Unzufriedenheit Marlon Brandos mit seinem hochbezahlten Kurzauftritt in "Apocalypse Now". Brando paßte das Buch nicht, und statt Kurtz wollte er lieber Leighley heißen. Coppola erfüllte diesen Wunsch. Doch der launische Star machte seine Entscheidung rückgängig und bestand nun auf dem Namen Kurtz, was insofern mißlich war, als eine wichtige Szene schon mit häufigem Aussprechen des Namens Leighley gedreht worden war. Der Dialog wurde neu aufgenommen und Kurtz den Leighley-Lippenbewegungen angepaßt - ein Fall für Murch.

Michael Ondaatje: Die Kunst des Filmschnitts. Gespräche mit Walter Murch, Carl Hanser Verlag, 342 S.; 27,90 Euro.