Attentäter Breivik beschreibt kühl und detailliert einen Massenmord. Niemand möchte diese Worte hören. Die Angehörigen erleben die Hölle.

Oslo. "Und dann schoss ich ihr in den Kopf." Ruhig beschreibt der Massenmörder die Hölle auf Erden. Schuss für Schuss. Mord für Mord. Anders Behring Breivik lässt den Horror der idyllischen Fjordinsel Utøya wieder lebendig werden. Es werde „grausam“ werden, hat er das Osloer Gericht zuvor gewarnt. Angehörige sehen ihre Lieben vor dem inneren Auge noch einmal sterben. Doch fast niemand verlässt den Saal.

Die Menschen wollen am Freitag die unfassbar schreckliche Wahrheit aus dem Mund des Attentäters hören. Selbst die Richter müssen tief durchatmen. Fassungslosigkeit über das Massaker auf dem Kjærlighetssti - dem Liebesweg. Auf diesem Trampelpfad auf der Insel hatten viele versucht zu fliehen. Doch 69 Menschen müssen sterben.

Minute für Minute schildert Breivik sein Vorgehen. Er blickt Staatsanwältin Inga Bejer Engh an, wirkt gefasst. Er habe sich vor seinen Attentaten „entmenschlicht“, sich durch Meditation von allen Gefühlen distanziert, berichtet der Massenmörder. Trotzdem habe er sich vor Utøya gefürchtet - besonders vor dem ersten Schuss, „100 Stimmen in meinem Kopf, die sagten, tu es nicht.“

Doch Breivik tat es. Er schoss auf Kinder, junge Politiker, den meisten gezielt in den Kopf. „Jetzt oder nie“, habe er sich gesagt. Als erstes musste die Betreuerin des sozialdemokratischen Jugendlagers sterben, Monica Børsei, die „Mutter von Utøya“.

+++ Überlebende von Utøya: "So macht uns Breivik keine Angst" +++

Danach sei er in eine Art „Schockzustand“ gefallen. „Ich erinnere mich nicht an viel“, meint Breivik - um dann detailliert weiter zu berichten. „Ich rannte nicht, ich ging schnell aber ruhig.“ Oder: „Ich erinnere mich, dass ich das halbautomatische Gewehr aus der Plastiktüte nahm.“ Und dass er schon nach kurzer Zeit das Magazin wechseln musste - so viele Jugendliche hatte er bereits getroffen.

Manchmal fallen Breivik seine Worte auch schwer. Wenn er von seinem „Fehler“ erzählt, die Fähre mit ihrer Besatzung entkommen zu lassen. Oder wenn er von einem Jungen berichtet, der versucht habe, ihn anzugreifen - ihn habe er nicht in den Kopf, sondern in den Körper geschossen, „ziemlich oft“. Hätte eine Gruppe versucht, Widerstand zu leisten, hätten sie es wohl geschafft, meint Breivik, der jetzt leicht rot anläuft. Nicht seine grauenvollen Taten, sondern seine „Fehler“ lassen ihn emotional werden.

Die Angehörigen und Zuhörer im Gerichtssaal halten die Hände vor den Mund. Sie atmen angestrengt, so als müssten sie sich ganz auf jeden Atemzug konzentrieren. Es ist still. Niemand unterbricht die Tirade des Massenmörders. Viele schließen die Augen. Doch sie halten durch, hören weiter zu.

„Ich wollte so viele hinrichten, wie möglich“, sagt Breivik. Er habe nicht angehalten, sei einfach weitergegangen, habe alle erschossen, die er traf. Dabei sei der eigentliche Plan gewesen, so wenig wie möglich zu schießen. Die Jugendlichen sollten im Wasser ertrinken, sauber, unblutig.

+++ Kommentar: Nicht zu ertragen +++

Zweimal habe er telefonisch versucht, sich zu ergeben. Mehrmals kommt er nicht durch oder fühlt sich von der Polizei nicht ernst genommen. Also schießt Breivik weiter. Lockt Jugendliche mit seiner Polizeiuniform gezielt an - lässt sie in dem Glauben, sie seien gerettet - und schießt wieder.

Eine Stunde und 20 Minuten dauert das Massaker von Utøya. Breivik nimmt dem Land den Atem, vielen Familien einen Teil ihrer Zukunft. Es gibt keine tröstenden Worte. Nur die Hoffnung, dass dieser Massenmörder so schnell wie möglich vergessen wird - denn das wäre für Breivik die schlimmste Strafe.