Am Donnerstag soll dem getöteten Jungen aus Grefrath gedacht werden. Täter Olaf H. gestand und sprach von “beruflichem Stress“.

Hamburg/Mönchengladbach. Der Mord am 10-jährigen Mirco aus Grefrath am Niederrhein ist geklärt, die Leiche gefunden. Der Täter Olaf H. sei ein 45 Jahre alter, treusorgender Familienvater, sagte der Leiter der Sonderkommission Mirco, Ingo Thiel. Er habe sein Privatleben sehr geschützt. Während der mehrstündigen Vernehmung habe Olaf H. gestanden, den Jungen am 3. September vergangenen Jahres in seinem Auto mitgenommen und getötet zu haben. Gegen den Mann sei Haftbefehl wegen Mordes und sexuellen Missbrauchs eines Kindes erlassen worden, ergänzte Staatsanwältin Silke Naumann.

Nun können Familie, Angehörige und Freunde um den kleinen Jungen trauern. Mit einer offiziellen Trauerfeier soll in der kommenden Woche Abschied von Mirco genommen werden. Dies soll voraussichtlich am kommenden Donnerstag um 18 Uhr geschehen, sagte der Pfarrer der freikirchlichen Christengemeinde Krefeld, Norbert Selent. Der öffentliche Gottesdienst werde in der katholischen St. Laurentius Kirche in Grefrath stattfinden und zusammen mit den katholischen und evangelischen Gemeinden im Ort vorbereitet. Die Familie von Mirco werde nicht an der Trauerfeier teilnehmen, sagte Selent.

Bereits nach dem Verschwinden von Mirco vor fast fünf Monaten fand in Grefrath ein Unterstützungsgottesdienst statt. Er wurde ebenfalls in der St. Laurentius Kirche abgehalten und von der Christengemeinde Krefeld sowie den evangelischen und katholischen Gemeinden in Grefrath gehalten. Damals kamen mehrere Hundert Menschen zu dem Gottesdienst. Nach Angaben des Pfarrers wird zur Trauerfeier erneut mit einem großen Andrang gerechnet.

Olaf H. habe ausgesagt, er sei am Tattag in beruflichem Stress gewesen, hieß es am Freitag auf der Pressekonferenz. Sein Chef habe ihn "zusammengefaltet“. Danach sei er planlos in der Region Grefrath umhergefahren. Gegen 22.00 Uhr sei er zufällig auf Mirco gestoßen. Er habe ihn mit seinem Auto überholt, sei ausgestiegen und habe Mirco angesprochen. Der Junge befand sich offenbar in einem Schockzustand und stieg zu Olaf H. in den Wagen. Vermutlich sei es danach in einem Waldstück zu einem Sexualdelikt gekommen. "Mirco ist ein absolutes Zufallsopfer gewesen“, sagte Thiel. "Sie können davon ausgehen, dass da eine Zeitbombe unterwegs war“, ergänzte er zum Motiv des 45-jährigen Olaf H. Der Frust über seinen Job habe ihn zu dieser Tat getrieben.

Der mutmaßliche Täter sei am vergangenen Mittwochmorgen um 6 Uhr in seinem Haus festgenommen worden. Seine Familie habe noch geschlafen. Olaf H. ist in dritter Ehe verheiratet und Vater von drei 17, 14 und 2 Jahre alten Kindern. Er sei letztendlich erleichtert gewesen, dass das Versteckspiel vorbei war, sagte Ermittler Thiel. Der Mann sei völlig ruhig gewesen und habe im Laufe der Vernehmung erklärt: "Okay, dann sag' ich euch, wo der Junge liegt.“ Olaf H. habe keine Vorstrafen. Auch von pädophilen Neigungen sei bisher nichts bekannt.

Eine wichtige Rolle, jedoch nicht die Hauptrolle, bei der Suche nach dem Täter habe ein Kombi des Typs VW Passat gespielt. In dem Wagen seien Spuren von Mirco gefunden worden. Das Auto sei aber nicht der entscheidende Hinweis auf den Täter gewesen, betonte Thiel. Andere technische Hinweise hätten die Ermittler auf die Spur von Olaf H. gebracht. Das Auto sei bereits verkauft worden, weil der Leasing-Vertrag ausgelaufen war. Der VW Passat war der Firmenwagen von Olaf H. Seitdem habe der Kombi in Deutschland als stillgelegt gegolten. Und erst als der neue Besitzer den Wagen mit Luxemburger Kennzeichen versah, sei das Auto wieder in den Fokus der Ermittler gerückt. Es wurde dann am Frankfurter Flughafen gefunden.

Mit einer der größten Suchaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik hatten zeitweise 1000 Polizisten nach Mirco gesucht. Auch Tornado-Aufklärungsjets der Bundeswehr und Drohnen kamen zum Einsatz. Die Polizei erhielt Tausende Hinweise aus der Bevölkerung und zeigte sich immer wieder zuversichtlich, den Täter doch noch ermitteln zu können. Am Ende, sagten die Ermittler immer wieder, würden sich viele kleine Stücke zu einem Puzzle zusammenfügen.

Nach der Tat blieb Mircos Fahrrad zurück. Es wurde von ahnungslosen Passanten entdeckt, mitgenommen, gesäubert und erst nach Bekanntwerden des Verbrechens der Polizei übergeben. In einem Bogen soll der Entführer nördlich um das 16.000-Einwohner-Städtchen herum gefahren sein. Spürhunde hatten die Fährte noch kilometerweit verfolgt. Auf der anderen Seite von Grefrath fanden sich später Kleidungsstücke des Jungen und nach Wochen auch sein Handy.

Obwohl die Polizei-Hundertschaften Teile eines mehr als 50 Quadratkilometer großen Gebietes mehrfach durchkämmten, blieb der Junge bis zuletzt verschwunden. Auch ein bewegender Aufruf von Mircos Eltern im Fernsehen brachte den Täter nicht dazu, sich zu stellen.

Die Pressekonferenz im Liveticker zum Nachlesen

Nach der Festnahme des mutmaßlichen Mörders von Mirco teilen die Staatsanwaltschaft und Polizei am heutigen Freitag in Mönchengladbach den Stand der Ermittlungen in einer Pressekonferenz mit. Abendblatt.de informiert Sie live über die Einzelheiten zum Tathergang, die möglichen Motive des Verdächtigen und die weiteren Ermittlungsergebnisse der Polizei:

Ingo Thiel: Wir haben Mircos Mörder! Viele kleine Spuren haben zum Erfolg geführt. Die Konzentration lag auf dem VW Passat B6. Einem Zeugen ist das Auto aufgefallen. 150.000 Passat Kombi wurden überprüft. Ende Dezember wurden die Ermittler dann auf das Fahrzeug des mutmaßlichen Täters aufmerksam. Das Fahrzeug sollte verkauft werden, weil der Leasing-Vertrag ausgelaufen ist. Es war ein Firmenwagen.

Ingo Thiel: Die Spuren an Mircos Kleidung stimmten mit den Spuren aus dem Fahrzeug überein. Der mutmaßliche Täter stieß zufällig auf Mirco. In einem Waldstück soll es zu einem Sexualdelikt gekommen sein. Danach hat der Verdächtige Mirco in diesem Waldstück getötet. Der Ablageort war also auch der Tatort. Weitere Einzelheiten werden nicht genannt.

Ingo Thiel: Der Tatverdächtige Olaf H. ist 45 Jahre alt, hat drei Kinder und ist verheiratet in dritter Ehe. Er ist treusorgender Familienvater und ist bisher nicht polizeilich aufgefallen.

Ingo Thiel: Der mutmaßliche Täter tötete aus einer Stresssituation heraus. Er war eine tickende Zeitbombe. Ob er auch für andere Taten verantwortlich ist, ist noch nicht geklärt.

Ingo Thiel: Der Haftbefehl wurde wegen Mordes erlassen. Die Eltern werden alle Details der Tat erfahren.

Ingo Thiel: Die Ehefrau des mutmaßlichen Täters konnte nichts ahnen. Ihr war nichts aufgefallen. Der berufliche Stress war offenbar der Auslöser der Tat. Die Familie von Olaf H. ist geschockt.

Ingo Thiel: Der Verdächtige hat auf seine Verhaftung völlig ruhig reagiert. Im Laufe der Zeit hat er dann die Tat gestanden. Er war erleichtert. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine pädophlie Neigung des mutmaßlichen Täters.

Ingo Thiel: Mirco ist ein absolutes Zufallsopfer. Er hatte einfach nur Pech. Der Täter stammte aus der Region und Mirco war zur falschen Zeit am falschen Ort.

Ingo Thiel: Der Verdächtige hat nicht aktiv versucht das Fahrzeug verschwinden zu lassen. Der Leasing-Vertrag ist ausgelaufen. Das Auto sollte verkauft werden und war zurzeit der Ermittlungen nicht im Besitz von Olaf H.

Ingo Thiel: Olaf H. ist in der Nachbarschaft nicht aufgefallen. Er war zu feige, sich zu stellen. Man konnte ihm die Tat nicht ansehen.

Ingo Thiel: Die Tornado-Jets haben nicht das Gebiet überflogen, in dem Mircos Leiche gefunden wurde.

Ingo Thiel: Der mutmaßliche Täter Olaf H. zeigt Reue und will sich bei Mircos Eltern entschuldigen.

Ingo Thiel: Das Fahrzeug war nicht der entscheidende Hinweis auf Olaf H. Technische Methoden haben zur Überführung des Verdächtigen geführt.

Ingo Thiel: Zur zeitlichen Abfolge der Tat können noch keine Details genannt werden. Gegen 22 Uhr wurde Mirco aufgegriffen, gegen 01.30 Uhr war der Verdächtige Olaf H. wohl wieder zu Hause. Wann es zur Tötung gekommen ist, kann noch nicht eindeutig beantwortet werden.

Ingo Thiel: Der mutmaßliche Täter wurde am frühen Mittwochmorgen von der Soko Mirco zu Hause abgeholt. Er war ruhig und ist wortlos mitgefahren. Anschließend wurde Olaf H. ausführlich vernommen. Nach etwa vier Stunden hat er dann die Tat gestanden.

Ingo Thiel: Mircos Leiche war nicht vergraben, nur abgelegt. Der mutmaßliche Täter wollte sich Mircos Kleidung nur entledigen, er wollte damit keine Spur legen.

Staatsanwältin: Der Verdächtige wird sich wegen Mordes verantworten müssen.

Ingo Thiel: Der mutmaßliche Täter hat die Polizei zur Mircos Leiche geführt. Mircos Tötung war eine spontane Geschichte.

Ingo Thiel: Die Obduktion der Leiche Mircos in der Rechtsmedizin in Düsseldorf werde Tage dauern. Deshalb wird nicht gesagt, wie Mirco getötet wurde. Das Kind sei am Tatabend aber vermutlich drei Stunden in den Händen des Mannes gewesen.

+++ Toter Mirco: Auto verriet seinen mutmaßlichen Mörder +++

Mirco war vor fast fünf Monaten, am 3. September 2010, im Alter von zehn Jahren auf dem Nachhauseweg entführt worden. Bei einer der größten Suchaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik hatten zeitweise 1000 Polizisten nach dem Kind gesucht. Auch Tornado-Aufklärungs-Jets der Bundeswehr kamen zum Einsatz. Die 65-köpfige "Soko Mirco“ ging mehr als 9000 Spuren nach.