Der Generalbundesanwalt ermittelt. Eine mysteriöse, aber glaubwürdige Zeugin ist aufgetaucht. Das Wiesn-Attentat war mit 13 Toten der schlimmste rechtsextreme Anschlag.

Karlsruhe/München. Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest wird der Fall neu aufgerollt – eine neue Zeugin zum Wiesn-Attentat ist aufgetaucht. Die Bundesanwaltschaft geht nun neuen Hinweisen auf mögliche Drahtzieher nach. „Ich habe heute angeordnet, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden“, sagte Generalbundesanwalt Harald Range am Donnerstag. „Mord verjährt nicht.“ Die bisher unbekannte Zeugin könnte auf mögliche Mitwisser hindeuten.

Die Ermittlungen werden sich Range zufolge aber nicht auf diese Frau allein beschränken. „Wir werden allen Ansatzpunkten erneut und umfassend nachgehen.“ Er sprach vom „schwersten rechtsextremistischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“.

Bei dem Anschlag 1980 waren 13 Menschen getötet und 200 verletzt worden. Unter den Toten war auch der Attentäter, der 21-jährige Gundolf Köhler, Anhänger der rechtsextremen „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Er wurde zeitweise als Einzeltäter angesehen.

Range betonte jetzt jedoch: „Eine Einzeltäter-Theorie haben wir niemals verfolgt.“ Von Anfang an sei nach möglichen Mittätern oder Verschwörern gesucht worden. Wiederholt habe die Bundesanwaltschaft die Wiederaufnahme der Ermittlungen geprüft, unter anderem auch nach Auswertung von Stasi-Unterlagen.

Jetzt „stehen wir vor einer neuen Situation“, sagte Range. Die Aussage der Zeugin sei „werthaltig“. Zum Inhalt äußerte er sich nicht. Das Bayerische Landeskriminalamt wurde mit den kriminalpolizeilichen Ermittlungen beauftragt.

Der Opferanwalt Werner Dietrich nahm die Nachricht von der Wiederaufnahme der Ermittlungen mit „Freude und Genugtuung“ auf. „Ich kann nur sagen: Da hat sich das lange Arbeiten gelohnt“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Dietrich, der mehrere Opfer vertritt, hatte mehr als 30 Jahre lang für eine Wiederaufnahme gekämpft. Die Karlsruher Entscheidung stärke seine Mehrtäterthese.

Im September hatte er seinen dritten Wiederaufnahmeantrag gestellt. Darin benannte er fünf neue Zeugen, darunter nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ auch eine Frau, die am Tag nach dem Anschlag Flugblätter mit einem Nachruf auf den Attentäter Gundolf Köhler gefunden haben soll – noch bevor dessen Name öffentlich bekannt war. „Der Wiederaufnahmeantrag war offensichtlich so fundiert, dass sie nicht dran vorbei konnten“, sagte Dietrich am Donnerstag der dpa

Immer wieder war von verschiedenen Seiten gefordert worden, den Fall neu aufzurollen. Der bayerische Landtag und der Münchner Stadtrat hatten vor drei Jahren eine Wiederaufnahme der Ermittlungen gefordert. Vor Kurzem hatten die Grünen im Bundestag verlangt, alle Akten auf den Tisch zu legen. Sie wollen etwa wissen, ob ein früherer Waffensammler, der möglicherweise ein Hintermann sein könnte, als V-Mann einer Sicherheitsbehörde diente.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) freute sich über die Entscheidung der Bundesanwaltschaft. „Auch wenn das Leid so vieler Menschen damit nicht wieder gut gemacht werden kann, so ist es doch ein wichtiges Signal, dass in unserem Rechtsstaat alles versucht wird, jedes Verbrechen aufzuklären und in diesem Fall mögliche rechtsextreme Hintergründe offenzulegen“, sagte er.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) München begrüßte die Wiederaufnahme ausdrücklich. „Wir werden die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft mit großem Interesse verfolgen und hoffen, dass nun die offenen Fragen umfassend untersucht und Antworten gefunden werden“, sagte die Münchner DGB-Vorsitzende Simone Burger. Die DGB- Jugend München richtet zusammen mit der Stadt München seit 1983 zum Jahrestag des Anschlags eine Gedenkfeier für die Opfer aus.