Es ist eine behagliche Atmosphäre, in der sich das Drama abspielt. Ein Familienvater bringt seine kleinen Kinder um. Und dann sich selbst.

Lengerich. Auf einer Kommode im Wintergarten sind Familienfotos liebevoll aufgereiht. Von einem Bild lächeln dem Betrachter vier Menschen fröhlich entgegen. Drei von ihnen sind tot. In einer makellosen Kleinstadtidylle hat ein Vater sich das Leben genommen und seine beiden kleinen Kinder auf brutale Weise mit sich in den Tod gerissen.

Mit einem Messer erstach er das zwei Jahre Mädchen und den fünf Jahre alten Jungen in ihrem Einfamilienhaus in Lengerich, einer beschaulichen 22.000-Einwohnerstadt im Münsterland. Dann fuhr der blonde Mann mit dem freundlichen Gesicht mit dem Auto zu einem ehemaligen Stellwerk und stellte sich vor einen heranrasenden Zug.

Am späten Vormittag liegt noch Nebel über der Spielstraße, in der das schmucke neue Haus mit Wintergarten in einer Kurve steht. Im Garten bewegt sich die Plane über dem Sandkasten ganz leicht im Wind, während Mitarbeiter der Spurensicherung in weißen Anzügen daran vorbeigehen. Hier hätten die Kinder noch vor kurzem getobt, erzählen Nachbarn.

Neben einem Klettergerüst stehen ein winziges Fahrrad und ein runder Grill an der Hauswand. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie die Familie hier gelebt haben könnte. „Der Vater hat immer mit seinen Kindern im Garten Fußball gespielt“, sagt Pia Schneiders, die mit ihrem Hund fast täglich an dem Haus vorbeispaziert. „Er wirkte total lieb und nett. Eigentlich hätte man gedacht, das ist die perfekte Familie.“

Wieso der 34-Jährige diese Familie zerstörte, können sich weder Nachbarn noch Ermittler erklären. Aus dem Obergeschoss des Hauses, zu dem eine helle Holztreppe führt, tragen Bestatter die kleinen Körper in den Leichenwagen. Die Kinder lagen tot in den Betten in ihren Kinderzimmern. Der Großvater der beiden hatte am Morgen die Polizei gerufen, nachdem er von seinem Sohn eine furchtbare SMS bekommen hatte. „In der SMS heißt es sinngemäß, dass er die Kinder getötet hätte und sich selbst töten wolle“, sagt der Münsteraner Oberstaatsanwalt Heribert Beck.

Die Mutter der Kleinkinder weiß zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dem grausamen Verbrechen. Die 32-Jährige habe die Nacht bei ihren Eltern verbracht, sagte Beck. In letzter Zeit habe sie die Eheleute häufig streiten gehört, erzählt Karin Lalla, die nur zwei Häuser entfernt wohnt. „Aber deswegen bringt man sich doch nicht gleich um.“ Die 58-Jährige hat Tränen in den Augen.

Die Frau habe „öfter geschimpft“, sagt sie und zeigt auf den Gartentisch. „Sie saß da und hat geraucht, und er hat sich mit den Kindern beschäftigt.“ Wenn Lalla mit ihren Hunden am Garten vorbeiging, wollte der kleine Junge den großen Afghanen gern streicheln. Sein Vater sei dann immer etwas ängstlich gewesen.

Näher gekannt haben die Familie in der Siedlung aber nur wenige. „Jeder geht seiner Wege, man grüßt sich eben“, sagt Lalla. Jeden Morgen sei der 34-Jährige mit seinem Wagen zur Arbeit gefahren, und am frühen Abend wiedergekommen, soviel weiß die Nachbarin noch. Mit dem Auto fuhr der Mann auch davon, nachdem er das Leben seiner beiden Kinder ausgelöscht hatte. Die Ermittler entdeckten den Wagen kurz darauf in der Nähe von Bahngleisen.