Der Fall einer Frau, die behauptet im badischen Haßmersheim als eine Art Sklavin bei einer Familie gelebt zu haben scheint sehr dubios.

Haßmersheim/Mosbach. Das Ehepaar, das im badischen Haßmersheim eine junge Frau als Sklavin gehalten haben soll, ist bereits wegen eines ähnlichen Falls verurteilt worden. Die damaligen Straftaten wiesen „erhebliche Parallelen“ zu den aktuellen Vorwürfen gegen die Familie auf, sagte Oberstaatsanwalt Franz-Josef Heering am Freitag in Mosbach. Vater und Mutter bestritten die Tatvorwürfe, der Sohn habe allerdings ein Teilgeständnis abgelegt und Gewalt gegen die 20-jährige Frau eingeräumt.

Die Familie soll das Opfer rund ein Jahr lang eingesperrt, misshandelt und gedemütigt haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die 20-Jährige fortwährend von einem Familienmitglied überwacht wurde. Sie sei zur Hausarbeit gezwungen worden. „Mit der Gewalt sollten Gedanken an eine Flucht verhindert werden“, sagte Heering. Ermittelt wird wegen Verdachts der Geiselnahme.

Die 20-jährige Würzburgerin ist eine Internetbekanntschaft des Sohnes. Ob sich daraus ein Liebesverhältnis zwischen dem minderjährigen Sohn und dem mutmaßlichen Opfer entwickelte, müsse noch geklärt werden. Ebenso, wann die Frau zu der Familie zog und in welchem Verhältnis sie zueinander standen. Die Staatsanwaltschaft geht bisher davon aus, dass die Frau freiwillig zu der Familie zog.

Der 51 Jahre alte Familienvater wurde 2002 in Heidelberg wegen Misshandlung Schutzbefohlener zu vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die 45 Jahre alte Frau erhielt zwei Jahre auf Bewährung. In das Urteil flossen auch vielfache Körperverletzungsdelikte ein. Die Familie sitzt seit ihrer Festnahme durch eine Spezialeinheit in Mittwoch in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt alle drei Familienmitglieder, sich an den gewaltsamen Übergriffen gegen die 20-Jährige beteiligt zu haben. In einem Fall soll der arbeitslose Familienvater, ein gelernter Gipser, die junge Frau auch sexuell genötigt haben. „Wir gehen davon aus, dass sie sich in einer psychischen Drucksituation befand und Angst hatte, einen Fluchtversuch zu unternehmen, wenn sie sich außerhalb des Hauses bewegte“, sagte Heering.

Das Opfer habe sich am Sonntag durch ein geöffnetes Fenster befreien können und habe sich mit Hilfe von Bekannten bei der Polizei gemeldet. Zu den genauen Umständen wollte die Staatsanwaltschaft keine Angaben machen.

Eine Rechtsmedizinerin habe bei ihr Folgen von Misshandlungen festgestellt, unter anderem im Augenbereich. Diese stützten die Aussagen der Frau, dass sie mit Gewalt festgehalten wurde. Ein neunköpfiges Ermittlungsteam habe die Arbeit aufgenommen, hieß es. Aus Gründen des Opferschutzes wollten Polizei und Staatsanwaltschaft keine Angaben zum Aufenthaltsort der Frau oder ihren persönlichen Verhältnissen machen.

Der Bürgermeister der Odenwald-Gemeinde hatte bereits am Donnerstag erklärt, dass die Familie erst vor drei Monaten nach Haßmersheim gezogen war und keine Kontakte zu anderen Dorfbewohnern hatte.

Beim mutmaßlichen Tatort handelt es sich um ein heruntergekommenes Mehrfamilienhaus mit sechs Parteien in unmittelbarer Nähe des Neckars. Die Familie sei im März eingezogen, sagte der Hausmeister Christian Pöppinghaus. Die junge Frau habe er immer nur in Begleitung gesehen, Anzeichen von Misshandlung habe er nicht wahrgenommen.

Andere Zeugen berichteten, dass die Frau, die mit einer auffälligen Frisur die Blicke auf sich zog, öfter mit dem Sohn der Familie und dem Hund am Neckar unterwegs gewesen sei. Ungewöhnliches sei ihnen dabei nicht aufgefallen. (dpa)