Am 3. März brach das historische Stadtarchiv in sich zusammen und begrub zwei Menschen unter sich. Die Leiche des 17 Jahre alten Bäckerlehrlings Kevin konnte schnell gefunden werden, der 24 Jahre alte Designstudent Khalil galt bis heute als vermisst. Jetzt die traurige Gewissheit: Bei der zweiten Leiche handelt es sich um Khalil. Bilder von der Tragödie in Köln.

Köln. Jeder hatte es vermutet, aber keiner hatte es gehofft. Auch der zweite Vermisste, der 24 Jahre alte Designstudent Khalil, ist tot. Die Trümmerlandschaft des eingestürzten Kölner Stadtarchivs ist für zwei junge Männer zur Grabstätte geworden. Der Designstudent und der 17 Jahre alte Bäckerlehrling Kevin waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Obwohl es schon das Wunder gab, dass Verschüttete auch noch nach zwei Wochen lebend geborgen wurden, traf dieses in Köln nicht ein.

Nichtsahnend hielten sie sich in ihren Wohnungen im vierten Stock in der Severinstraße auf, als sie am 3. März plötzlich mit unvorstellbarer Wucht in die Tiefe gerissen und unter tonnenschwerem Schutt begraben wurden. "Wir vermissen dich" oder "In Gedanken wirst du immer lebend bleiben und unter uns weilen" - diese Beileidsbekundungen stehen in einem Gedenkbuch, das in einer Kirche nahe des Unglücksortes liegt. Der Altarraum ist zum "Ort der Stille" für Betroffene, Anwohner, Helfer und Trauernde geworden. Auch Familienangehörige der Opfer haben dem Buch ihren Schmerz anvertraut. Viele Nicht-Betroffene bekunden ihr Mitgefühl, selbst in italienischer Sprache. Frische Rosen liegen vor der Unglücksstelle an der Absperrung, Kerzen brennen. Ein großes Foto zeigt den jungen Khalil mit strahlendem Lachen. "Wir hoffen - gib' nicht auf", hatten seine Studienfreunde darüber geschrieben.

Der Leichnam des anderen Vermissten Kevin war am vergangenen Sonntag entdeckt worden. Ein Heer von Einsatzkräften suchte weiter unter den gewaltigen und gefährlichen Trümmerbergen, Tag und Nacht, mit schwerem Gerät und mit bloßen Händen. Niemand wusste, wo der zweite Vermisste lag. Für viele Feuerwehrleute und THW-Helfer war das Gefühl stark belastend, dass irgendwo unter ihnen im Geröll wohl noch ein Mensch liegt. "Ich finde keine Ruhe, bis die vermisste Person gefunden ist", sagte auch Einsatzleiter Stephan Neuhoff in den letzten Tagen immer wieder. Am Donnerstagabend stießen die Kräfte dann auf einen männlichen Leichnam. Khalils Vater musste am Freitag den wohl schwersten Gang seines Lebens machen - und seinen toten Sohn identifizieren.

"Um 18.05 Uhr haben die Suchhunde angeschlagen, kurz darauf sind wir auf den Körper gestoßen", sagt ein Feuerwehr-Sprecher. "Wir haben dann noch zwei bis drei Stunden gebraucht für die Bergung." Der Leichnam habe nur einen Meter entfernt von Kevins Fundstelle gelegen, aber viel tiefer: "Wir mussten bis auf gut neun Meter herunter, Kevin hatte in drei Meter Tiefe gelegen." Die Jacke und Geldbörse des Studenten waren schon einige Tage zuvor an einer anderen Stelle gefunden worden. Khalil hatte sich am Unglückstag bei seiner Praktikumsstelle krankgemeldet, war nach Hause gegangen, um sich auszukurieren. Wenige Stunden später stürzte das Haus ein. Offenbar hatte er noch versucht, sich in Sicherheit zu bringen.

Die Katastrophe steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem U- Bahn-Bau. Noch ist die Ursache unklar und damit auch die Frage, wer - neben dem Verlust der verschütteten wertvollen Kulturgüter aus dem bedeutenden Archiv - für die zwei Todesfälle die Verantwortung trägt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unbekannt. "Das stinkt doch nach Pfusch!", hat jemand an der Absperrung auf eine Tafel geschrieben. Daneben ist zu lesen: "Für Kevin und Khalil. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Nun sind beide tot! Warum!!"