Es gab schon lange Setzrisse im Keller. Nun wurde ein einmaliger Kulturschatz zerstört. Bilder von der Tragödie in Köln.

Köln. Die Mittagspause ist gerade vorbei, als ein seltsames Knarzen in den Wänden Mitarbeiter und Besucher des Historischen Archivs von Köln misstrauisch macht. Sofort werden sie aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Augenblicke später bricht der vierstöckige Komplex mit Donnergetöse zusammen. Umliegende Straßenzüge werden in eine riesige Staubwolke gehüllt. Als sich der erste Nebel verzieht, befindet sich an der Stelle des bunkerartigen Gebäudes ein riesiger Schuttberg.

"Wie am 11. September", entfährt es der Kioskbesitzerin Paraskevi Oustampasiadi (42), die alles aus nächster Nähe miterlebt hat. Anwohner Jürgen Ariza y del Pino: "Das ist alles schrecklich. Meine Mutter ist in der Severinstraße groß geworden."

Die Severinstraße - vor gut einer Woche kam hier noch der Rosenmontagszug vorbei. Und jetzt werden hier drei Menschen vermisst. Außerdem wurde ein einmaliger Kulturschatz vernichtet. Für Eberhard Illner, lange Jahre Abteilungsleiter im Archiv, war die Katastrophe "absehbar". Es habe klare Warnungen wie Setzrisse im Keller gegeben. Erst vergangene Woche seien neue Risse entdeckt worden. Schuld könnte der seit Jahren andauernde Bau einer U-Bahn-Linie sein.

Durch den Einsturz entstand möglicherweise ein größerer Schaden als beim Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar (50 000 zerstörte Bücher). Illner: "Wir reden hier von 18 Regalkilometern wertvollsten Archivguts europäischen Ranges."

In Köln lagen Originaldokumente aus 1000 Jahren Stadtgeschichte, darunter der Nachlass von Schriftstellern wie Heinrich Böll (* 67) und Komponisten wie Jacques Offenbach (1819-1880). Der Kölner Notar Konrad Adenauer, Enkel des ersten Bundeskanzlers, befürchtet, dass viele Archivalien seines Großvaters zerstört wurden. "Im Stadtarchiv lagen seine gesammelten Unterlagen", sagte er "Welt Online". Adenauer senior war mehr als 15 Jahre Kölner Oberbürgermeister.