Am zweiten Prozesstag im Fall der vor 27 Jahren entführten Ursula Herrmann wurde heute vom Landgericht Augsburg ein Nachbau der Folterkiste begutachtet.

Augsburg. Der zweite Tag im Prozess gegen den Nachbarn der entführten Ursula Herrmann aus Bayern hat am Donnerstag im Landgericht Augsburg mit einer Begutachtung begonnen. Das Gericht sah den Nachbau der Kiste, in der die Zehnjährige qualvoll erstickte. Nach der Entführung vor 27 Jahren war das Mädchen in einer gerade mal 1,36 Meter hohen, engen Kiste eingesperrt worden. Die Lüftungsrohre funktionierten nicht, da Laub den Zugang bedeckte. So erstickte sie innerhalb weniger Stunden qualvoll.

Angeklagt ist ein 58 Jahre alter Mann wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge. Er soll die Kleine vom Fahrrad gezerrt, entführt und in die im Wald vergrabene Folterkiste gesperrt haben. Seine 62 Jahre alte Ehefrau muss sich ebenfalls vor Gericht verantworten - wegen Beihilfe zur Tat verantworten. Ihr wird vorgeworfen, den aus Schnipseln zusammengestellten Erpresserbrief gebastelt zu haben. Das Ehepaar bestreiten das Verbrechen jedoch noch immer.

Die Leiche des Mädchens wurde 19 Tage nach der Tat gefunden. Drei tage nach der Entführung hatte der Täter eine Lösegeldforderung in Höhe von zwei Millionen Mark an die Eltern geschickt.

Der jetzt Angeklagte Mann war kurz nach der Aufdeckung des Verbrechens als Tatverdächtiger vernommen worden. Der ihn damals vernehmende Kriminalbeamte schilderte ihn als "egozentrisch, eiskalt und rücksichtslos". Trotz eines Haftbefehls und widersprüchlicher Angaben zu dessen vorgebrachten Alibis hätten sich gegen ihn damals keine Sachbeweise ergeben. Die an einem Klebeband an der Kiste gefundenen Fingerabdrücke stammten nicht von ihm.

Die robuste Kiste war über Batterien mit einer Beleuchtung und einer kleinen Sitzbank ausgestattet. In ihr fanden die Ermittler unangetastet Kekse, Schokolade und Getränke, einen Jogging-Anzug sowie Romane und Comic-Heftchen als Lesestoff. Die 1,36 Meter hohe sargähnliche Kiste war in einem Walddickicht vergraben, mit Bäumen zusätzlich getarnt und mit einer etwa acht Zentimeter dicken Erdschicht bedeckt. Sie hatte zwei Deckel, die mit sieben Eisenriegeln verschlossen waren. Zusätzlich war das Gefängnis noch mit einer Decke unter dem Erdreich abgedämpft.

Bei der Vernehmung am Donnerstag schilderte ein Polizeibeamter als Zeuge, wie er im Oktober 1981 das tote Mädchen in der Kiste kauernd gefunden hatte. Der Fund sei für die Beamten ein Schock gewesen. Ursula habe keine Überlebenschance gehabt.

Der Prozess wird fortgesetzt.