Nobody Rinaldo Nocentini trägt das Gelbe Trikot, Tour-Neuling Brice Feillu holt sich den Tagessieg – aber der große Gewinner ist Alberto Contador.

Andorra-Arcalis. Der spanische Top-Favorit hat sich am „Jan-Ullrich-Berg“ im teaminternen Generationen-Konflikt durchgesetzt und Lance Armstrong in die Schranken verwiesen. Der Champion von 2007 nahm seinem prominenten Astana-Rivalen in Andorra- Arcalis 22 Sekunden ab und rückte am Freitag die Team-Hierarchie in seinem Sinne zurecht. „Ich hatte es vor der Etappe meinen Fahrern freigestellt, wer attackiert. Sie sollten das untereinander regeln. Wir sind im Kollektiv weiter vorne stark vertreten, das ist die Hauptsache“, kommentierte Astana-Teamchef Johan Bruynell den vorerst zugunsten von Contador entschiedenen Machtkampf in seinem Team.

Zum ganz großen Coup reichte es für Contador aber nicht, da der Franzose Feillu, der im Ziel minutenlang Freudentränen vergoss, und der 21 Jahre junge Nocentini ihre lange Flucht glücklich zu Ende brachten. Dies dürfte der Madrilene, der die Winzigkeit von sechs Sekunden hinter Nocentini liegt, aber verschmerzen. Wie Ullrich zwölf Jahre zuvor setzte sich Contador auf der Pyrenäen-Etappe gegen seine älteren Team-Kontrahenten durch und liegt als Gesamtzweiter nun zwei Sekunden vor Armstrong und 31 Sekunden vor dem Vierten Levi Leipheimer.

Das Maillot Jaune streifte sich nach der 7. Etappe nach 224 Kilometern erstmals sensationell der Italiener Nocentini über, der sechs Sekunden auf Contador ins Ziel rettete und Fabian Cancellara (Schweiz) vom Thron der 96. Tour de France stürzte. „Ich bin überglücklich, aber ich hatte einen großen Schreck gekriegt, als ich hörte, dass Contador attackierte. Zum Glück hat es noch zu Gelb gereicht“, sagte Tour-Debütant Nocentini, der in der Nachwuchswertung auch dem Cottbuser Tony Martin das Weiße Trikot entriss.

Als großer Gewinner der 7. Etappe durfte sich aber vor allem Contador fühlen. Sein Coup im Skiort auf 2240 Meter Höhe, wo Milram- Profi Johannes Fröhlinger nach überragender Kletter-Vorstellung starker Dritter wurde, dürfte für den Champion von 2007 nach den wiederholten Nadelstichen Armstrongs eine besondere Genugtuung sein. Lange schien es, als ob der große Showdown mit seinem Astana-Rivalen Armstrong ausbliebe. Die beiden großen Tour-Favoriten hielten sich wie Andreas Klöden, der mit 54 Sekunden Rückstand nun Sechster ist, bis 1500 Meter vor dem Ziel an Stillhalte-Abkommen. Dann aber stieg Contador, dem 2006 Verbindungen zum mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes nachgesagt worden waren, aus dem Sattel und ließ alle anderen Spitzenfahrer stehen.

Mit seinem Sturm hinauf in den Skiort folgte Contador dem Beispiel Ullrichs, der am 15. Juli 1997 an gleicher Stelle ins Gelbe Trikot gestürmt war und einen Radsport-Boom in Deutschland ausgelöst hatte. Am Vortag hatte Tour-Rekordsieger Armstrong noch angekündigt: „Falls Contador geht und ihm keiner folgt, werde ich bei den anderen Kapitänen bleiben.“ Daran hielt er sich – ob gewollt, oder nicht.

Als Contadors Attacke auf der 10,6 Kilometer langen und im Schnitt 7,1 Prozent steilen Steigung begann, war eine anfangs neunköpfige Ausreißergruppe, der auch Tour-Neuling Fröhlinger angehörte, längst geschrumpft und Feillu hatte alle Begleiter abgeschüttelt. Einzig Fröhlinger schien lange mithalten zu können. Dann aber musste auch er abreißen lassen und kam 25 Sekunden nach Feillu ins Ziel. „Das ist natürlich ein wunderschöner Tag für mich, aber ich betrachte ihn ein bisschen mit einem weinenden und einem lachenden Auge, denn viel hat heute nicht zum Sieg gefehlt“, sagte der 24-Jährige aus Gerolstein. Sein Milram-Kapitän Linus Gerdemann konnte nicht den Besten folgen, kletterte aber um drei Plätze auf den 27. Rang (+ 4:20 Minuten).

Die strapaziösen 224 Kilometer der ersten Bergankunft hatten es in sich. Insgesamt fünf Steigungen mussten die verbliebenen 177 Starter erklimmen. Nicht immer lief alles nach Plan, es gab einige Stürze. Der entthronte Spitzenreiter Cancellara hatte gleich zwei Defekte, kämpfte sich aber jeweils wieder heran. 5400 Meter vor dem Ziel verließen ihn dann aber die Kräfte und er musste das Gelbe Trikot nach sieben Tagen Nocentini überlassen. Bruyneel war damit zufrieden: „Nun hat Nocentinis Mannschaft die Last der Verantwortung.“