Der Spanier Alberto Contador hat die erste Alpenetappe der 96. Tour de France gewonnen und freute sich sichtlich über diesen Sieg.

Verbier. Ein wie entfesselt fahrender Alberto Contador hat seinem großen Rivalen Lance Armstrong beim ersten Schlagabtausch in den Alpen eine bittere Lehrstunde erteilt und das Gelbe Trikot in beeindruckender Manier an sich gerissen. Der spanische Kletterkönig stürmte als Erster die Skistation in Verbier hinauf, knöpfte dem schwer mitgenommenen Astana-Kollegen Armstrong 1:33 Minuten ab und stieß damit den Italiener Rinaldo Nocentini vom Thron der 96. Tour de France.

Damit sorgte Toursieger von 2007 nicht nur für das Glanzlicht auf der 207,5 km langen Alpenetappe, sondern womöglich auch auch schon für die Vorentscheidung in der Gesamtwertung. Zuvor hatte die Tour mit dem tragischen Tod einer Zuschauerin und dem Luftgewehr-Angriff eines Heckenschützen ein schwarzes Wochenende erlebt.

Die Entscheidung fiel 5,7 km vor dem Ziel, als Contador eine seiner gefürchteten Attacken setzte und alle Favoriten quasi stehen ließ. Armstrong hatte nicht den Hauch einer Chance zu kontern und hatte schon einen Kilometer später einen Rückstand von über einer halben Minute. Am Ende wurde er nur Neunter. Den zweiten Platz hinter Contador sicherte sich der Luxemburger Andy Schleck mit einem Rückstand von 42 Sekunden, gefolgt vom Italiener Vincenzo Nibali. Andreas Klöden landete als bester Deutscher auf Platz acht.

In der Gesamtwertung liegt Contador nun 1:37 Minuten vor Armstrong und 1:46 vor Bradley Wiggins (Großbritannien). Der deutsche Youngster Tony Martin konnte das Tempo der Favoriten ebenfalls nicht mitgehen und verlor das Weiße Trikot des besten Nachwuchsprofis an den Luxemburger Andy Schleck. Einen Tag zuvor, als der russische Amstel-Sieger Sergej Iwanow die Etappe nach Besancon gewann, hatte Martin sein Weißes Trikot noch mit Kämpferherz erfolgreich verteidigt.

„Runter mit den Masken“, forderte die französische Sporttageszeitung L'Equipe am Sonntagmorgen, nachdem sich die Favoriten zwei Wochen lang fast nur belauert hatten. So lief es zunächst auch bis zum 8,8 km langen und durchschnittlich 7,5 Prozent steilen Schlussanstieg nach Verbier hinauf. Einträchtig fuhren die Favoriten Seite an Seite über vier Bergwertungen der dritten und einer der zweiten Kategorie.

Stattdessen hatte eine zehnköpfige Spitzengruppe lange Zeit das Geschehen bestimmt und zwischenzeitlich einen Vorsprung von über vier Minuten herausgefahren. Dazu gehörte auch der Schweizer Zeitfahr-Olympiasieger Fabian Cancellara, der sieben Tage das Gelbe Trikot getragen hatte. Zu der Zeit hatte die „Tour der Leiden“ für Kokainsünder Tom Boonen bereits ein Ende. Der belgische Sprintstar, der sich einen Tag vor dem Tour-Beginn ins Starterfeld geklagt hatte, trat am Sonntag wegen einer Magen-Darm-Grippe erst gar nicht mehr an. Boonen hatte die ganze Tour über Pech mit Stürzen, Defekten und gesundheitlichen Problemen.

Vor dem Start in Pontarlier hatte das Peloton zunächst eine Schweigeminute eingelegt. Am Samstag war bei einem tragischen Unfall eine 61-Jährige Frau ums Leben gekommen. Die Zuschauerin war beim Wechseln der Straßenseite frontal von einem Polizeimotorrad, das mit rund 90 km/h unterwegs war, erfasst worden.

Nach ersten Ermittlungen habe trotz der hohen Geschwindigkeit kein Verschulden des Polizisten vorlegen. „Die Unvernunft des Opfers war wohl die Ursache für das Drama“, sagte Alexandre Chevrier, der stellvertretende Staatsanwalt von Mülhausen. Demnach habe die Frau kurz vor dem Eintreffen des Pelotons die Straße bei Wittelsheim überquert und nicht auf das Motorrad geachtet.

Anschließend rutschte das Gefährt noch in zwei weitere Zuschauer hinein, beide schweben aber nicht in Lebensgefahr. Ein 61-jähriger Mann erlitt einen Beinbruch. Eine 36-jährige Frau, die ihr einjähriges Baby auf dem Arm trug, wurde mit einer Nackenverletzung ebenso ins Krankenhaus eingeliefert. Der Motorradfahrer klagte über Rückenschmerzen.

Am Freitag hatte erst der Luftgewehr-Angriff auf den dreimaligen spanischen Weltmeister Oscar Freire und den Neuseeländer Julian Dean für Aufregung gesorgt. Freire wurde beim Anstieg zum Col du Bannstein am Oberschenkel, Dean am Zeigefinger der linken Hand getroffen. Beide konnten die Tour aber fortsetzen. Die Polizei fahndet nach zwei Jugendlichen im Alter von 16 oder 17 Jahren.

Bevor der Schlagabtausch in den Alpen weitergeht, legt die Tour am Montag einen Ruhetag ein. Am Dienstag folgt die 16. Etappe über 159 km von Martigny nach Bourg-Saint-Maurice. Dabei sind unter anderem der Große und der Kleine St. Bernard-Pass zu bewältigen.