Der FC St. Pauli setzt gegen die Individualisten des VfL Wolfsburg am Sonntag auf kollektive Offensive. Es sollen endlich wieder Tore fallen.

Hamburg. Alle sind gefordert. Alle. Ausdrücklich und im Besonderen. Vier Niederlagen in Folge haben in Holger Stanislawski eine Erkenntnis reifen lassen. Vor dem Heimspiel seines FC St. Pauli gegen den VfL Wolfsburg (Sonntag, 17.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) hat der Trainer ein paar Sicherungen entfernt und seiner Mannschaft die Rückkehr zur kollektiven Offensive verordnet. Mit Sturm, Drang und Gemeinschaftssinn soll dem bislang weit hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Tabellennachbarn begegnet werden.

"Wir haben keine Krise, ich werde keine Panik verbreiten", sagt Stanislawski zwar, doch zuletzt waren die Phasen, in denen der Aufsteiger seinen bewährten schnellen, flachen Kombinationsfußball durchsetzen konnte, immer kürzer geworden. Vor einer Woche gegen Leverkusen sahen sich die Hamburger in der ersten Halbzeit einer 45-minütigen Leverkusener Dominanz gegenüber, verteidigten mit Glück und Geschick, kamen aber selbst zu keiner einzigen klaren Torgelegenheit mehr. "Wir wollen wieder selbst aktiv werden, uns offensiv orientieren, Torsituationen kreieren und in den gegnerischen Sechzehner kommen", bläst Stanislawski nun zum Angriff, wohl wissend, dass die neue alte Ausrichtung gegen individuell hervorragend besetzte Mannschaften wie den VfL Wolfsburg tödlich sein könnte. "Ich gewinne lieber 5:4 als 1:0", hatte Stanislawski im Sommer 2009 einmal gesagt. Nach dem Leverkusen-Spiel scheint die Ergebnispräferenz auch für Niederlagen zu gelten: lieber 4:5 als 0:1. "Verhalten und abwartend spielen passt nicht zu uns", findet auch Angreifer Gerald Asamoah, "wir müssen starke Mannschaften zu Fehlern zwingen, um eine Chance zu haben. Früh angreifen, und den Wolfsburgern unser Spiel aufpressen." Was bedingt, den Gegner im Aufbau richtig anzulaufen, die Wege zuzustellen, höher zu stehen und im richtigen Moment als Kollektiv den Überfall zu starten. St. Pauli will die Wölfe im Rudel erlegen.

So plausibel die Ansage scheint, so gefährlich ist sie auch. Die Wolfsburger Offensive ist mit herausragenden Einzelkönnern wie Mario Mandzukic, Edin Dzeko sowie den Brasilianern Diego und Grafite besetzt. "Meistens wird einer unserer Sechser gegen Diego spielen und es ihm so unangenehm wie möglich machen", sagt Stanislawski, der gegen den Hochveranlagten aber Unterstützung angefordert hat und die gleiche Marschroute wie in der Offensive vorgibt: "Wir müssen ihn im Kollektiv bearbeiten." Die Gemeinschaft soll gegen das ambitionierte, aber fragile Gebilde VfL zum großen Trumpf werden. Wirklich viel zu verlieren hat der FC St. Pauli gegen die Schwergewichte der Liga ohnehin nicht. "Gegner wie Schalke, Leverkusen oder auch Wolfsburg sind individuell besser. Wir wissen, dass wir einen Bombentag benötigen, um diese Mannschaften zu schlagen", sagt Mittelfeldspieler Florian Bruns.

Doch die Gelegenheit scheint günstig, zumal Wolfsburgs Trainer Steve McClaren, dem es bisher nicht gelang, die Ansammlung der Stars zu einer homogenen Einheit zu formen, möglicherweise erneut umbauen muss. Torschützenkönig Dzeko bekam bei seinem Länderspieleinsatz mit der bosnischen Nationalmannschaft einen Schlag auf den Knöchel und droht wie Sturmpartner Grafite, der gestern wegen muskulärer Probleme das Training abbrach, auszufallen. Die Entscheidung, ob das Duo auflaufen kann, soll angeblich am Sonntag fallen. Allerdings ist zu erwarten, dass die Wölfe nach nur einem Sieg aus den vergangenen sechs Bundesligapartien alles versuchen werden, um einen Einsatz zu ermöglichen.

Ungewissheit, die Stanislawski kaum interessiert. Der Trainer sieht die entscheidenden Faktoren, die über Sieg und Niederlage entscheiden, bei allem Respekt vor der Extraklasse der Angreifer in den eigenen Reihen. "Nur wir selber können uns aus diesem Negativtrend wieder befreien. Wir haben jetzt noch fünf Spiele, um uns aus dieser Situation herauszumanövrieren. Es geht darum, das Glück zu erzwingen." Und das ab sofort mit kollektiver Offensive.