Wolfsburgs Assistenzcoach Pierre Littbarski vor dem Spiel beim FC St. Pauli über sein Trainerdasein, Tricks, Trulsen und Transfers aus Japan.

Hamburg. Pierre Littbarski muss noch etwas erledigen. Der Weltmeister von 1990 bittet daher, das Interview um zehn Minuten zu verschieben. Später wirkt der 50 Jahre alte Co-Trainer des VfL Wolfsburg, am Sonntag (17.30 Uhr, Millerntor) Gegner des FC St. Pauli, umso entspannter. Der langjährige Bundesligaspieler des 1. FC Köln (116 Tore in 406 Partien) entschuldigt sich für die Verspätung und ist wie eh und je um keinen launigen Spruch verlegen.

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Hamburger Abendblatt:

Herr Littbarski, am vergangenen Wochenende wurden Sie beim Spiel gegen Schalke vom Schiedsrichter auf die Tribüne geschickt. Ist Ihnen das schon öfter widerfahren?

Pierre Littbarski:

Als Co-Trainer war es das erste Mal.

Sie waren auch schon Chefcoach in Duisburg, Japan, Australien, Liechtenstein und im Iran. Aus Ihrer Antwort lässt sich schließen, dass Sie in dieser Zeit schon mal von der Bank verwiesen wurden.

Littbarski:

In Japan beispielsweise sind die Schiedsrichter noch strenger. Da ist mir das schon mal passiert.

Dabei denkt man immer, in Asien seien die Menschen so zurückhaltend.

Littbarski:

Bis auf mich waren auch alle zurückhaltend. Ich habe mich Stück für Stück an die Mentalität gewöhnt, aber in manchen Situationen habe ich die Zurückhaltung dann vergessen. Fußball ist nun mal etwas Emotionales.

Nach dem Schalke-Spiel müssen Sie und Ihr Cheftrainer Steve McClaren mit einer Sperre rechnen. Mit dem in Freiburg erfolgreichen Assistenztrainer Achim Sarstedt und dem ehemaligen Schweizer Nationaltorhüter Andreas Hilfiker haben Sie aber weitere prominente Mitglieder im Trainerstab, die das kurzfristig auffangen könnten.

Littbarski:

Wir möchten eigentlich schon, dass unser Cheftrainer auf der Bank sitzt. Natürlich haben wir ein sehr gutes Trainerteam, ich bin ja auch hier hergekommen, um von Top-Leuten etwas zu lernen. Bei uns ist das keine One-Man-Show. Wir haben hier eine klare Aufgabenverteilung.

Für was genau sind Sie denn zuständig?

Littbarski:

Mein Aufgabengebiet ist in erster Linie das Übersetzen (lacht). Da habe ich bei einem englischen Trainer und vielen internationalen Spielern gut zu tun. Aber im Ernst: Unser Cheftrainer setzt auf "unit work", so heißt das im Englischen. Achim Sarstedt und ich sind also viel mit dem Trainieren einzelner Gruppen beschäftigt.

Manager Dieter Hoeneß sagte bei der Bekanntgabe Ihrer Verpflichtung im Sommer, dass er von Ihnen erwarte, dass Sie den Jungs Ihre Schlitzohrigkeit beibringen. Wie machen Sie das denn?

Littbarski:

Ich glaube, dass wir unheimlich viel Talent in der Mannschaft haben, die Jungs aber manchmal einfach zu nett sind. Natürlich hat jeder ehemalige Bundesligaprofi oder Nationalspieler seine Tricks.

Einen können Sie uns sicher verraten.

Littbarski:

Horst Heldt hat mich mal den König des Zeitspiels genannt. Dafür bin ich jetzt also auch bei uns zuständig. Es geht aber auch darum, wie man seinen Gegner bearbeiten kann und wie man selbst clever spielt.

Der nette "Litti" sind Sie selbst wohl nur abseits des Platzes gewesen?

Littbarski:

Das ist richtig. Gute Spieler mutieren auf dem Platz häufig zu anderen Menschen, da geht's nur ums Gewinnen. Die geben einem nachher die Hand, aber während des Spiels drehen die einem den Finger um.

Können Sie sich noch an Ihre Auftritte am Hamburger Millerntor erinnern?

Littbarski:

Da hatte jedes Spiel Pokalcharakter, das war unangenehmer als in München. Unser Fehler mit Köln war immer, dass wir die Mannschaft unterschätzt haben. Man war noch nicht richtig auf dem Platz, da hatten die schon zwei-, dreimal richtig ausgeteilt. Mein ehemaliger Mannschaftskamerad Andre Trulsen (St. Paulis heutiger Co-Trainer, d. Red.) kann da auch ein Lied von singen. Gegen den darf ich übrigens am Sonntag auf keinen Fall verlieren.

Hätten Sie vor der aktuellen Saison erwartet, dass sie nach zwölf Spieltagen als Zwölfter Tabellennachbar St. Paulis (13.) sein würden?

Littbarski:

Nein, man hofft ja schließlich immer, dass man ganz oben ist. Aber jetzt ist die Situation nun mal so. Das Spiel gegen St. Pauli kommt für uns nun zu einem eher ungünstigen Zeitpunkt, weil die Hamburger nach den vier verlorenen Spielen hoch motiviert in die Partie gehen werden. Ich freue mich aber trotzdem darauf.

Unter anderem treffen Sie auch Marius Ebbers wieder.

Littbarski:

Ebbers hat sich im Vergleich zu Duisburger Zeiten wirklich gut entwickelt. Der hatte früher schon Klasse, ist aber jetzt zu einem absoluten Profi, zu einer Persönlichkeit geworden.

Faszinieren Sie als Dribbelkönig von einst heute auch ähnliche Spielertypen?

Littbarski:

Die faszinieren mich, aber noch mehr kann ich mich für die Schweinsteigers und van Bommels begeistern. Vielleicht liegt das am Alter.

Momentan sorgen gleich mehrere asiatische Spieler in der Liga für Furore. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Littbarski:

Wir wussten in Deutschland immer, dass die Asiaten technisch gut und sehr willensstark sind. Jetzt merkt man auch, dass Spieler wie Kagawa, Hasebe oder Uchida körperlich in der Bundesliga mithalten können.

Kannten Sie Dortmunds Shootingstar Kagawa schon aus Japan?

Littbarski:

Vor zwei Jahren hat der in der gleichen Liga wie mein Klub gespielt. Da hab ich schon drauf getippt, dass aus dem was wird.

Warum spielt er jetzt nicht beim VfL?

Littbarski:

Das war leider schon zu spät. Als der Transfer perfekt gemacht wurde, war ich noch nicht in Wolfsburg im Gespräch. Es gibt da aber noch den einen oder anderen, der richtig gut Fußball spielen kann.

Also kann man damit rechnen, dass die künftig in Wolfsburg auflaufen?

Littbarski:

Das ist Trainer- und Managersache. Aber wenn man mich fragt, könnte ich in jedem Fall adäquat antworten. Als Übersetzer helfe ich da natürlich auch gern.