Beim Gütetermin vor dem Arbeitsgericht präsentiert sich der frühere HSV-Trainer Martin Schwalb gut erholt von seinem Infarkt

Hamburg. Hinterher erzählt Martin Schwalb, wie schwer ihm das gefallen sei und dass er sich doch einen anderen Rahmen gewünscht hätte als den Raum 109 des Hamburger Arbeitsgerichts in Barmbek-Süd für das Wiedersehen mit seinem Verein. „Es gibt schönere Sachen auf der Welt“, sagt er, „aber was sein muss, muss sein.“

Schwalb, 51, hat in den vergangenen Monaten ja schon kritischere Momente durchlebt. Am 2. Juli hat ihn die HSV-Handball-Betriebsgesellschaft gekündigt, nach fast neun Jahren, in denen er dem Verein als Trainer, zwischenzeitlich auch als geschäftsführender Präsident gedient und in dem er alle wichtigen Titel gewonnen hat. Am Tag danach hat Schwalb einen Herzinfarkt erlitten. Er sagt: „Hätte unsere Nachbarin nicht zufällig den Schlüssel zu unserem Haus gehabt und den Notarzt gerufen, hätte ich es nicht überlebt.“

Elfeinhalb Wochen später wirkt er gut erholt. Schwalb, Jeans, Hemd, dunkelblaues Jackett, ist mit seiner Frau Gabriele und seinem Anwalt Stefan Thiele (Kanzlei Frank und Thiele) erschienen. 15 Minuten hat das Gericht für den Gütetermin angesetzt, Aktenzeichen 29 Ca 329/14. Der HSV wird von Oliver Schwansee vertreten.

Schwalb erhebt Anspruch auf Lohn und Weiterbeschäftigung. Aus Sicht des HSV ist die Kündigung als Trainer fristgerecht zum Monatsende erfolgt. Einen Arbeitsvertrag gibt es nicht, lediglich einen sogenannten Letter of Intent, ausgestellt am 20. August 2013, offenbar auf Drängen Schwalbs. Darin erklärten beide Seiten ihre Absicht, binnen drei Tagen einen Vertrag abzuschließen.

Dazu aber ist es nie gekommen. „Das Arbeitsverhältnis beinhaltet somit keinen Kündigungsschutz“, argumentiert Schwansee. Es habe nur ein faktisches Arbeitsverhältnis bestanden, wobei wesentliche Vertragspunkte wie Laufzeit, Kündigungsfrist und Prämienhöhen offengeblieben seien.

Thiele hingegen hält die Kündigung für unwirksam. Der Letter of Intent beinhalte alle Mindestinhalte eines Vertrages und begründe eine Anstellung bis Juni 2015. Selbst danach wäre eine Kündigung ohne Grund nicht möglich. Sein Angebot: Angesichts der fast zehnjährigen Betriebszugehörigkeit Schwalbs sei eine Abfindung von einem Monatsgehalt (25.000 Euro) pro HSV-Jahr angemessen, hinzu kämen ausstehende Prämien für den Champions-League-Sieg. Schwansee weist das zurück. Schwalbs Wechsel in die Geschäftsführung 2011 habe die Betriebszugehörigkeit unterbrochen. Auch seien die Vergleichsmöglichkeiten des HSV „aufgrund der bekannten wirtschaftlichen Lage äußerst beschränkt“. Für den 4. Dezember wurde ein neuer Termin vereinbart.

Bis 13. Oktober muss der HSV die Klage erwidern. Mehrheitsgesellschafter Matthias Rudolph kann sich am Telefon eine gütliche Einigung offenbar vorstellen. „Aber wenn, dann müssen wir uns über fünf und nicht zehn Monatsgehälter unterhalten.“

Bis dahin erhält Schwalb Arbeitslosengeld. Er hat sein Leben umgestellt seit seiner Erkrankung, geht regelmäßig ins Fitnessstudio, versucht viel zu lachen, „weil mir das guttut“, achtet auf seine Ernährung, hat mit dem Rauchen aufgehört. Die letzte Zigarette sei „mitten ins Herz gegangen“, sagt er und deutet auf seine Brust. Genau hier hätten die Schmerzen begonnen. Schwalb erzählt, wie er hilflos durch sein Schlafzimmer kroch, wie er den Rettungshubschrauber hörte, wie ihm der Arzt eine Spritze in den Hals rammte („wie in ‚Pulp Fiction‘“), wie ihm per Herzkatheter vier Stents eingesetzt wurden.

Jetzt fühle er sich „hervorragend“. Und ja, er wolle wieder als Trainer arbeiten. Ob der Stress nicht zu viel sei? „Handball ist meine Leidenschaft. Diese Art von Stress brauche ich.“