Wunsch-Sportdirektor Kreuzer war Dienstag in Hamburg. Sollte es keine Einigung bis zur Mitgliederversammlung geben, so der Aufsichtsrat, dürfte der Wechsel geplatzt sein. Gipfeltreffen am Sonnabend.

Hamburg/Karlsruhe. Etwas verwundert war Günter Pilarsky am späten Montagabend schon, als er seinen E-Mail-Eingang kontrollierte. Der Vizepräsident des Karlsruher SC hatte Post aus Hamburg, was noch keine Überraschung ist. Doch der Inhalt überraschte den vermögenden Finanzexperten, der sich beim Zweitligaaufsteiger wie kein Zweiter mit Zahlen auskennt, dann doch. HSV-Chefkontrolleur Manfred Ertel hatte direkt im Anschluss an die Sitzung des Aufsichtsrats, auf der sich einstimmig für eine Verpflichtung Oliver Kreuzers als Sportchef ausgesprochen wurde, ein weiteres Mal das Angebot des HSV für den Karlsruher Noch-Sportchef dokumentiert. Doch die per Mail zugesendeten Daten - 100.000 Euro, ein Bonus für sportliche Erfolge und ein Freundschaftsspiel - waren identisch zur am Nachmittag per Fax zugestellten Offerte. Nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte, war für Pilarsky am Dienstag klar: das HSV-Angebot ist unannehmbar, das Poker geht in die Verlängerung.

"Unterm Strich muss ein siebenstelliger Betrag stehen. Die Art der Zusammensetzung können wir verhandeln, aber diese Forderung bleibt bestehen", machte KSC-Präsident Ingo Wellenreuther im Gespräch mit dem Abendblatt am Dienstag seinen Standpunkt ein weiteres Mal unmissverständlich deutlich. So droht dem HSV eine Woche nach der Entlassung Frank Arnesens bei der Entscheidung über einen neuen Sportchef mehr und mehr die Zeit davonzulaufen.

Die Vertragsgespräche mit Heung Min Son und Dennis Diekmeier, die beide verlängern sollen, sind vorerst auf Eis gelegt, genauso wie Verhandlungen mit Vereinen und Beratern über Zu- und Abgänge. Und nachdem Andreas Rettig (DFL-Geschäftsführer) und Jörg Schmadtke (zuletzt Hannover 96) nach mehreren Gesprächen von sich aus für die Nachfolge Arnesens abgesagt hatten, ist Kreuzer nun der letzte verbliebene Kandidat. Doch eine schnelle Einigung, das ist spätestens seit Dienstag Gewissheit, wird es nicht geben.

"Wir lassen uns auch nicht den Zeitpunkt für Kreuzers Amtsantritt in Hamburg diktieren. Oliver Kreuzer hat in Karlsruhe noch einen Job zu erledigen. Und da sowohl unser Cheftrainer als auch weitere Verantwortliche erst Anfang kommender Woche wieder im Dienst sind, kann Kreuzer, vorausgesetzt die Vereine werden sich einig, frühestens zum 1. Juli nach Hamburg wechseln", sagte Wellenreuther, der erst an diesem Mittwoch aus seinem Türkei-Urlaub zurückkehrt. Nachdem Pilarsky bereits am Montag vorgeschlagen hatte, dass sich alle Beteiligten zeitnah treffen sollten, wurde diese Idee auch von HSV-Vorstandschef Carl Jarchow unterstützt, der sich am Dienstag mit Kreuzer in Hamburg traf und anschließend Wellenreuther in dessen Feriendomizil in der Türkei anrief.

"Es war ein gutes Gespräch, und ich bin hoffnungsvoll, dass wir die ganze Angelegenheit am Wochenende abschließen können", sagte Jarchow. Endgültig terminiert wurde die "Elefantenrunde" Dienstagabend in einem Telefonat zwischen Ertel und Wellenreuther für Sonnabendmittag in Berlin am Rande des DFB-Pokalfinals.

Trotzdem muss man als HSV-Anhänger den unfreiwillig komischen Eindruck bekommen, dass schnelle Lösungen bei der Besetzung der Sportchefposition nicht satzungskonform sind. Bereits nach der Trennung von Dietmar Beiersdorfer, nach der der frühere Aufsichtsratschef Horst Becker eine "zügige Suche ohne Hast" angekündigt hatte, dauerte es eine halbe Ewigkeit, ehe man mit Bastian Reinhardt eine Notlösung präsentieren konnte. Auch die Verpflichtung Arnesens zog sich in die Länge, weil der Däne nach der Einigung im März noch bis Ende Mai seinen damaligen Vertrag beim FC Chelsea aussitzen wollte. Die Folgen in beiden Fällen: angestrebte Transfers platzten, der Kader wurde erst spät zusammengestellt, der erhoffte sportliche Erfolg blieb aus.

"Die wichtige Phase ist ein halbes Jahr vor der Transferperiode. Jetzt sind alle Vereine aktiv. Man muss das schon wesentlich früher machen. Das haben wir nun verpennt", kritisierte sogar Nationalspieler Dennis Aogo im fernen Amerika gegenüber dem Radiosender NDR Info, Teamkollege Marcell Jansen ätzte: "Das kann mich nicht mehr frustrieren. Ich bin das schon gewohnt."

Was dem HSV nun tatsächlich droht, hängt möglicherweise von einer echten Kuriosität ab: Wie gut kann Karlsruhes Kreuzer die Ablösemodalitäten des Bald-Hamburgers Kreuzer ausverhandeln? So soll sich der designierte HSV-Sportchef nach übereinstimmenden Informationen aus dem Aufsichtsrat sogar vertraglich dazu verpflichtet haben, eine KSC-Freigabe selbst zu erwirken. Demnach wird der HSV-Dreijahresvertrag nur dann wirksam, wenn Kreuzer Verhandlungsgeschick beweist und seinen Noch-Arbeitgeber von einer Einigung überzeugt - möglichst noch vor dem Pokalfinale in Berlin und vor allem vor der HSV-Mitgliederversammlung am Sonntag. Ob sich aber Kreuzer und der Aufsichtsrat auch wirklich einig sind, bleibt abzuwarten. Gegenüber dem Abendblatt bezeichnete der 47-Jährige den kolportierten Vertragspassus als "Blödsinn".

Derzeit ist Kreuzer noch mit KSC-Chefscout Lothar Strehlau im Ausland zu Gesprächen mit möglichen Verstärkungen für den Zweitligaaufsteiger unterwegs. Zuletzt waren die beiden in Belgrad, nach dem Hamburg-Kurzbesuch am Dienstag wollen sie sich am Donnerstag im polnischen Breslau das Spiel zwischen Slask Wroclaw und Posen anschauen. "Ich mache zurzeit nach wie vor meinen Job für den KSC. Das ist doch klar. Ich will hier ein bestelltes Feld hinterlassen", sagte Kreuzer, der zwar auf eine schnelle Lösung hofft, diese aber nicht mit unlauteren Mitteln forcieren will.

Was Kreuzer möglicherweise nicht klar ist: Sollte es im Laufe dieser Woche zu keiner Annäherung im Ablösepoker kommen, droht sein Traum vom Engagement in Hamburg bereits zum zweiten Mal zu platzen. Auf langwierige und imageschädigende Verhandlungen, so ein HSV-Kontrolleur, werde man sich jedenfalls nicht einlassen. Sollte es keine Einigung bis zur Mitgliederversammlung geben, so der Aufsichtsrat, dürfte der Wechsel geplatzt sein - "und dann hätten wir alle ein Problem".

Am Dienstag gab der DFB die Teilnehmer des neuen Fußballlehrerlehrgangs bekannt. Mit dabei auch HSV-U23-Coach Rodolfo Cardoso, der nach zwei Fehlversuchen endgültig angenommen wurde