Das Abendblatt analysiert die Kompetenzen der vier Kandidaten um den Posten als Sportchef der Hamburger: Schmadkte, Kreuzer, Magath und Beiersdorfer.

Hamburg. Am Tag danach wusste Jörg Schmadtke nicht wirklich, wie er seinen Auftritt einordnen sollte: "Ich denke jedenfalls, dass ich mich nicht verstellt habe. Ich habe mich so gegeben wie ich bin." Eine gute Stunde hatte sich der ehemalige Manager von Hannover 96 am Donnerstagabend im Hotel Radisson Blu am Hamburger Flughafen den Fragen des HSV-Aufsichtsrats gestellt. Der Rat, das höchste Gremium des Traditionsvereins, bat bei der Suche nach einem neuen Sportchef auch Oliver Kreuzer, Manager des Zweitliga-Aufsteigers Karlsruher SC, zu einem Gespräch.

Detailliert wollten die Räte von den beiden Kandidaten wissen, wie sie die Qualität des aktuellen HSV-Kaders sehen, wie die Nachwuchsarbeit verbessert werden kann und wo sie Einsparpotenziale sehen - ein erster zarter Hinweis auf die klammen Kassen. In den nächsten Tagen wollen sich die Räte mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit auf einen Kandidaten verständigen. Allerdings favorisieren nach Abendblatt-Informationen manche Räte auch eine Lösung mit einem alten Bekannten: Dietmar Beiersdorfer, derzeit Manager von Zenit St. Petersburg, von 2002 bis 2009 schon mal Sportchef des HSV. Allerdings steht Beiersdorfer in Russland noch zwei Jahre unter Vertrag und würde wohl Ablöse kosten. Auch zu Felix Magath hatten mehrere Räte schon Kontakt aufgenommen. Der schrieb gestern auf seiner Facebook-Seite: "Ich glaube, der HSV wäre gut beraten, wenn er nicht nur einen neuen Sportdirektor sucht, sondern sich auch Gedanken machen würde über seine Ausrichtung. Ich denke, da muss man beim HSV an deutlich mehr arbeiten als nur an einem neuen Sportdirektor." Das Abendblatt analysiert die Qualitäten der Kandidaten.

Sportliche Kompetenz: Jörg Schmadtke spielte als Torhüter 266 Mal in der Bundesliga. Große Erfolge waren ihm dabei aber nicht vergönnt: Mit Freiburg (1995) und Leverkusen (1998) wurde er zwei Mal Bundesligadritter. Oliver Kreuzer bestritt für den Karlsruher SC und Bayern München 282 Bundesligaspiele. Zudem spielte er fünf Jahre in der Schweiz für den FC Basel. Mit den Bayern wurde er Uefa-Cup-Sieger und deutscher Meister, mit Basel ebenfalls Meister und Pokalsieger. Magath bestritt 306 Bundesliga- und 43 Länderspiele als Aktiver. Er wurde Europameister 1980, Vizeweltmeister 1982 und 1986, Europapokalsieger der Pokalsieger 1977 und der Landesmeister 1983. Hinzu kommen drei Meistertitel mit dem HSV (1979, 1982, 1983) sowie als Trainer drei Meistertitel und zwei Pokalsiege. Beiersdorfer spielte für den HSV und Bremen 254 in der Bundesliga, wurde 1993 mit Werder deutscher Meister und zwei Mal Pokalsieger (1987 mit dem HSV, 1994 mit Bremen). Für Deutschland bestritt er ein Länderspiel.

Sportchef-Bilanz: Unter Schmadtke erreichte Alemannia Aachen 2004 mit kleinem Etat das DFB-Pokalfinale, spielte 2004/05 als Zweitligist sogar im Uefa-Pokal und schaffte 2006 den Aufstieg in die Bundesliga. In Hannover bewies er sein glückliches Händchen für Transfers, holte unter anderem Ron-Robert Zieler, Lars Stindl, Didier Ya Konan, Mohammed Abdellaoue und Mame Diouf - allesamt Volltreffer. In Hannover trauert man Schmadtke noch hinterher, er gilt dort als bester Manager der Vereinsgeschichte. Kreuzer sammelte Erfahrung in Basel, Graz und Salzburg, ehe er 2011 nach Karlsruhe ging. Nach dem Abstieg in die 3. Liga musste Kreuzer mit bescheidenden Mitteln eine komplett neue Mannschaft aufbauen. Das durch seine Transfers geformte Team schaffte den sofortigen Wiederaufstieg. Magath gilt dagegen als teure Lösung, der auf Stars setzt. Allerdings entdeckte er auch Talente wie die Schalker Joel Matip und Julian Draxler, Paolo Guerrero (Bayern) oder Kevin Kuranyi beim VfB Stuttgart. Beim HSV holte Magath als Trainer Hasan Salihamidzic in die Bundesligamannschaft. Beiersdorfer arbeitete von September 2002 bis Juni 2009 als Sportchef beim HSV. Unter dem heutigen Manager von Zenit St. Petersburg kamen einige heutige Bundesliga-Größen nach Deutschland. Allein für die Spieler Daniel van Buyten, Rafael van der Vaart, Khalid Boulahrouz und Nigel de Jong erwirtschaftete der HSV einen Überschuss von 41,2 Millionen Euro, der auch Flops wie Benjamin Lauth, Emile Mpenza, Thiago Neves, Alex Silva oder auch Eljero Elia verschmerzen ließ. Beiersdorfer führte den damals Tabellen-Elften in seiner Amtszeit sechs Mal ins internationale Geschäft. 2006/2007 erreichte der HSV sogar die Gruppenphase der Champions League.

Führungserfahrung: In Hannover gilt Schmadtke als sehr direkt, sobald ihm etwas nicht passt. Sein Verhältnis zu Trainer Mirko Slomka war lange gestört. Das letzte halbe Jahr kommunizierten beide nur noch per Mail, obwohl beide Büros nur wenige Meter trennten. Die ewigen Streitereien mit Slomka über Transfers sollen das Fass dann zum Überlaufen gebracht haben. So wollte Slomka Srdjan Lakic kaufen, während Schmadtke die Oberhand behielt und Mame Diouf verpflichtete. Der 49-Jährige hat aber grundsätzlich kein Problem mit Trainern, erwartet aber einen offenen und ehrlichen Umgang. Ebenso wie Kreuzer, der als umgänglicher Typ mit einem engen Draht zum Trainer gilt, HSV-Trainer Thorsten Fink gilt als guter Freund. In seinem Führungsstil kann Kreuzer aber rigoros sein. So untersagte der Verwaltungsrat in Karlsruhe sämtliche Transfers, bevor nicht der Etat für die Saison abgesegnet wurde. Am nächsten Tag verpflichtete Kreuzer Reinhold Yabo aus Köln.

Ebenso beansprucht Magath als Sportchef für sich absolute Entscheidungsfreiheit bei seinen Clubs. Er gilt als klare Führungsfigur, die gern Trainerjob und Sportchefposten auf sich vereint, um eigenständiger entscheiden zu können.

Anders Dietmar Beiersdorfer, der als durchsetzungsfähiger Teamplayer gilt. Der 49-Jährige arbeitete seit 2003 bei drei Vereinen als Sportchef und Vorstand, wobei er für Red Bull den Fußballsektor weltweit leitete. Beiersdorfer spielt mit Zenit St. Petersburg noch um den russischen Meistertitel und legt Wert darauf, mit dem jeweiligen Trainer eng zusammenzuarbeiten.