Karlsruhe lässt Ultimatum des Aufsichtsrats für die Freigabe seines Sportchefs verstreichen - Reservekandidat Schmadtke sagt ab. Kreuzer und Fink kennen sich bereits seit Jahren.

Hamburg. Alles sollte ganz schnell - und im Geheimen - über die Bühne gehen. Am Sonntagmorgen informierte der HSV-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Ertel den Präsidenten des KSC, Ingo Wellenreuther, in einem Telefonat darüber, dass man Oliver Kreuzer als neuen Sportchef verpflichten wolle. Ertel stellte dem Präsidium der Badener zudem ein Ultimatum: Bis um 18 Uhr sollte die Freigabe erteilt werden. Als kleines Dankeschön bot der HSV eine Ablösezahlung in Höhe von 100.000 Euro an. Doch daraus wurde nichts ...

Aber der Reihe nach: Am Sonnabend reiste Kreuzer, der sich am Donnerstag den Kontrolleuren das erste Mal vorgestellt hatte, ein weiteres Mal nach Hamburg, um sich mit dem Personalausschuss des HSV zu treffen, dem neben Ertel auch Jens Meier, Christian Strauß und Eckart Westphalen angehören. Die Gespräche waren so zielführend, dass der 47-Jährige die Stadt mit einer Zusage verließ. Der Vertrag beim HSV sollte vom 1. Juli 2013 an über drei Jahre laufen, das Gehalt des neuen Sportchefs eine Million Euro betragen.

Dem Abendblatt sagte Kreuzer am Nachmittag hoffnungsfroh: "Bevor ich die Position des Sportdirektors ausüben kann, bedarf es erst einer Einigung mit dem KSC. Mein jetziger Club ist nun gefordert, diese herbeizuführen." Denn dass es ihn mit Macht dazu drängt, die sportliche Leitung des HSV zu übernehmen, daran ließ Kreuzer keinen Zweifel: "So eine Chance bekommt man nicht oft. Ich wäre richtig enttäuscht, wenn mir der KSC mir sie nehmen würde."

Ein Pluspunkt für Kreuzer in den Überlegungen der Räte war offensichtlich, dass er und Fink sich seit Jahren kennen und schätzen, man baute innerhalb des Gremiums auf eine harmonische Zusammenarbeit. Für HSV-Präsident Carl Edgar Jarchow muss der neue Sportchef zudem ein absoluter Fußball-Fachmann sein. Er sollte „ein gutes Netzwerk haben und uns weiterbringen, gemeinsam mit unserem Trainer Thorsten Fink“, sagte Jarchow am Sonntagabend im „Sportclub“ des NDR-Fernsehens. „Wir sind in der schwersten Situation der HSV-Geschichte und müssen jeden Cent umdrehen“, sagte HSV-Aufsichtsrat Jürgen Hunke zudem im NDR. „Man muss über die Struktur des Vereins sprechen. Wir sind wie ein großes Hotel, das generalüberholt werden muss. Wir sind ein kleiner Sanierungsfall.“

Das Duo Fink-Kreuzer wäre dafür eine gute Kombination, denn wer die Karrierewege der beiden ehemaligen Profifußballer vergleicht, stößt auf erstaunliche Parallelen: Während seiner Spielerkarriere wechselte Kreuzer vom KSC zum FC Bayern (1991) und verließ den Rekordmeister 1997 Richtung Basel. Im selben Jahr kam Fink aus Karlsruhe nach München. Als Kreuzer 2006 das Amt des Sportdirektors bei Red Bull Salzburg antrat, holte er Fink als Jugendtrainer nach Österreich. 2009 wechselte der heutige HSV-Trainer zum FC Basel - zu dem Club, bei dem Kreuzer erst fünf Jahre als Spieler (1997-2002) und danach drei Jahre als Teammanager gearbeitet hatte. Und: Kurioserweise haben sowohl Fink als auch Kreuzer genau 150 Bundesligaspiele für den FC Bayern absolviert.

Schon am Mittwoch, so der Plan, sollte das neue HSV-Duo der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Auch die Hürde, dass für eine Verpflichtung Kreuzers acht von elf Aufsichtsräten ihr Jawort geben müssten, schien machbar. Schließlich käme eine Abstimmungsniederlage in der Personalie Kreuzer einem Misstrauensvotum für Ertel gleich - der HSV würde mal wieder in eine tiefe Führungskrise stürzen.

KSC verlangt eine siebenstellige Entschädigung

Als schwer zu stemmende Hürde erwies sich jedoch schnell die Ablösesumme. Da Kreuzer noch mit einem Vertrag bis zum Juni 2014 ausgestattet ist, machte KSC-Boss Wellenreuther deutlich, dass er seinen Sportchef erstens nicht ohne ein entsprechendes Schmerzensgeld gehen lassen wird. Und zweitens erst dann, wenn adäquater Ersatz gefunden ist. Der Zweitliga-Aufsteiger befindet sich mitten in der Kaderplanung für die neue Saison und strebt an, sich von sieben Profis zu trennen, um 1,2 Millionen Euro an Spielergehältern einzusparen.

Kein Wunder also, dass die Karlsruher Clubführung das 100.000-Euro-Angebot des HSV als indiskutabel zurückwies und das Ultimatum verstreichen ließ. Der KSC dürfte in jedem Fall auf einer Millionenzahlung bestehen, auch wenn erste kolportierte Forderungen in Höhe von zwei Millionen Euro unrealistisch sind. "Ich habe absolutes Verständnis, dass der KSC eine kleine Entschädigung verlangt", sagte Kreuzer im Abendblatt-Gespräch, noch nicht ahnend, wie weit beide Parteien von einer Annäherung entfernt sind. Um die Zahlungen zu mindern, waren angeblich auch ein Freundschaftsspiel des HSV in Karlsruhe und (kostenlose) Leihtransfers Bestandteil der Diskussionen.

Schmadtke mit schlechtem Bauchgefühl

Während bis zum Abend kein Abschluss mit dem KSC zu erzielen war, verabschiedete sich ein weiterer Kandidat am Sonntag offiziell von der Liste. Als Ertel Jörg Schmadtke anrief und ihn davon unterrichtete, dass Kreuzer der HSV-Favorit sei, bat er den früheren Hannover-Manager offenbar darum, als Reservekandidat weiter zur Verfügung zu stehen. Daraufhin sagte Schmadtke ab und meinte gegenüber dem Abendblatt am Abend: "Ich hatte inzwischen ein schlechtes Bauchgefühl." Ob nun die Personalie Kreuzer in dieser Woche ein positives Ende nimmt, erschien am Abend äußerst fraglich, was bitter für den gebürtigen Mannheimer wäre.

Schließlich war er bereits vor über drei Jahren beim HSV in der Endausscheidung, als der Club einen Nachfolger für Dietmar Beiersdorfer suchte. Beim Auswahlverfahren durch ein Assessment-Center konnte er sich aber nicht durchsetzen. Nachdem damals erst Roman Grill und Horst Heldt durchfielen, entschied sich der HSV im Februar 2010 für DFB-Chefscout Urs Siegenthaler, der aber bekanntlich seinen Job nie antrat. Angesichts der finanziell extrem angespannten Lage - für den beurlaubten Frank Arnesen wird eine Millionenabfindung fällig - ist nicht ausgeschlossen, dass es Kreuzer wie Siegenthaler ergeht. Und der HSV hätte seiner reichen Geschichte an Peinlichkeiten bei der Suche nach einem Sportchef ein unrühmliches Kapitel hinzugefügt.