Der Aufsichtsrat diskutierte die Verhandlungen. Kreuzer soll neben dem Verzicht auf seine Aufstiegsprämie dem KSC sogar angeboten haben, bei der Suche nach einem Nachfolger zu helfen.

Hamburg. Manfred Ertel ist in diesen Tagen wahrlich nicht zu beneiden. "Ich sage nichts", sagte der müde wirkende Aufsichtsratschef des HSV noch am Montagmorgen, ehe er dann am frühen Abend von 17 Uhr an in der Arena jede Menge zu sagen hatte. Detailliert sollte der Chefkontrolleur in der Sportfive-Loge erläutern, wie er am Wochenende die Verhandlungen mit den Verantwortlichen des Karlsruher SC um einen Wechsel von Sportchef Oliver Kreuzer geführt hatte. Bis in die Nacht hatte er am Sonntag Gespräche geführt, ehe entschieden wurde, dass am Montag Kreuzer selbst die Verhandlungen über die strittigen Ablösemodalitäten weiterführen soll. Ein Ablaufplan, der - vorsichtig formuliert - nicht das Wohlwollen von Ertels Ratskollegen fand.

Direkt nach der Sitzung, die bereits um kurz nach 21 Uhr beendet war, wollte Ertel vom Zwist im Rat allerdings nichts mehr wissen. Man sei in "großer Harmonie" auseinandergegangen, sagte der Chefkontrolleur, der zudem eine baldige Lösung im Ablösestreit mit dem KSC in Aussicht stellte: "Wir sind auf einem guten Weg." Und das, obwohl noch vor der Sitzung mehrere Räte bekräftigt hatten, bei Zahlungsforderung Karlsruhes jenseits der von Ertel gebotenen 100.000 Euro ihr Veto einzulegen.

Dabei scheint es in Hamburg Tradition zu sein, für Führungskräfte exorbitante Ablöse- oder unangebrachte Abfindungen zu zahlen. So dürfte einigen Räten schmerzlich die Abfindung für den Sportchef Dietmar Beiersdorfer in Erinnerung sein, der trotz eigener Kündigung eine Million Euro erhielt. Aber besonders beim beliebten Trainer-wechsel-dich-Spielchen kam es zu mehreren grotesken Zahlungen, auf die sich die HSV-Verantwortlichen einließen. So wurde Bruno Labbadia zunächst aus seinem bereits so gut wie gekündigten Vertrag in Leverkusen für 1,5 Millionen Euro herausgekauft, ehe er ein Jahr später für eine Million Euro gehen durfte. Auch Thorsten Fink - ähnlich wie bei Kreuzer geplant - wurde aus einem Vertrag gekauft.

Nun ist es also Zweitligaaufsteiger KSC, der vom "großen" HSV eine entsprechende Zahlung verlangt - und im Gegensatz zu Ertels Worten der Harmonie nicht im Geringsten mit dem Verlauf der Verhandlungen einverstanden ist. "Wir lassen uns vom HSV nicht das Gesetz des Handelns diktieren", sagte Karlsruhes Präsident Ingo Wellenreuther dem Abendblatt: "Der HSV will einen unserer wichtigsten Angestellten aus einem laufenden Vertrag heraus verpflichten und geht mit einer Vollzugsmeldung an die Öffentlichkeit, ohne dass sich die beiden Vereine zuvor, wie es sich unter seriösen Geschäftsleuten gehört, geeinigt haben. So funktioniert das nicht und ist zudem alles andere als professionell." Mit dem 100.000-Euro-Angebot, das der HSV am Nachmittag erneut per Fax bestätigte, würde sich der KSC laut Wellenreuther definitiv nicht zufriedengeben: "Die angebotene Ablösesumme ist ein Witz. Dafür kriegen wir heute nicht mal mehr einen A-Jugendspieler. Herr Ertel sagte mir, dass es nicht zur Unternehmensphilosophie des HSV gehöre, für Oliver Kreuzer eine Ablöse zu zahlen, der - wohlgemerkt - bei uns einen gültigen Arbeitsvertrag hat. Das grenzt schon sehr an Hochmut und kommt bei uns nicht sehr gut an."

Um die verfahrene Situation zu entwirren, strebt KSC-Vize Günter Pilarski nun ein Treffen am Donnerstag in Frankfurt an. Und obwohl auch Pilarski offiziell auf einer Ablöse von einer Million Euro beharrt, soll man im kleinen Kreis auch schon über andere Möglichkeiten diskutiert haben. So könnte man sich wohl auch mit einer Zahlung von 250.000 bis 300.000 Euro plus verschiedenen Optionen, wie ein Freundschaftsspiel oder eine Ausleihe von Spielern, die beim HSV nicht allererste Wahl sind, begnügen. Beim HSV wurde das Entgegenkommen der KSC-Verantwortlichen trotz der deutlichen Worte zuvor registriert: "Die Karlsruher verhalten sich ausgezeichnet", sagte Ertel. Die vom HSV erhoffte Einigung zum 1. Juni lehnen die KSC-Verantwortlichen jedoch weiterhin ab. Frühestens würde man Kreuzer zum 1. Juli ziehen lassen, eine Einigung natürlich vorausgesetzt.

Auch Kreuzer versuchte alles, um den Wechsel zum HSV zu beschleunigen. Der 47-Jährige, der beim KSC nur 300.000 Euro verdienen soll, soll neben dem Verzicht auf seine Aufstiegsprämie (50.000 Euro) sogar angeboten haben, bei der Suche nach einem Nachfolger zu helfen. Im Gespräch sind neben Gladbachs Ex-Manager Christian Hochstätter und Andreas Müller (zuletzt Hoffenheim) pikanterweise auch HSV-Nachwuchscoach Richard Golz und St. Paulis Ex-Sportchef Helmut Schulte.

Kreuzer, früher ein knallharter Verteidiger, ging im Gespräch über eine mögliche Ablöse mit dem KSC-Präsidium ungewohnt stark in die Offensive und soll Freunden gegenüber sogar angedeutet haben, notfalls seinen bis 2014 laufenden Vertrag zu kündigen. So wird auch das freundschaftliche Verhältnis zu Präsident Wellenreuther strapaziert. "Er will mir keine Steine in den Weg legen. Am Anfang dachte ich aber schon, dass die Million ein großer Stein ist", sagte Kreuzer, der nicht lockerlässt. "Die Koffer sind gepackt. Ich hoffe, dass es in dieser Woche noch über die Bühne geht", sagte Kreuzer vor der Aufsichtsratssitzung, "da muss was passieren."