Designierter Supporters-Chef Christian Bieberstein hofft auf Ende der Proteste gegen Sicherheitspapier. Fans diskutieren Vorgehen.

Hamburg. Der vulgäre Titel der Facebook-Diskussion, die unmittelbar nach der Verabschiedung des umstrittenen Sicherheitspapiers in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, ließ wenig Raum für Interpretationen. "F... Dich DFB" hieß die öffentliche Veranstaltung, bei der Fußballinteressierte aus ganz Deutschland im Netz ihr weiteres Vorgehen diskutierten. "Wir zeigen dem DFB, wer die Stadien reagiert", schreibt da ein Anhänger, ein anderer kündigt an: "Nach Ablauf von 12:12 Minuten wird pünktlich gezündet ;)."

Es sind Sätze wie diese, die bei Christian Bieberstein, 28, Unverständnis auslösen. "Man muss akzeptieren, dass Pyrotechnik in Deutschlands Stadien nicht erlaubt ist. In der aktuellen Situation ist jeder Einsatz von Pyrotechnik Wasser auf die Mühlen derer, die das vermeintliche Sicherheitspapier gefordert haben", sagt der Logistiker, der ab dem 13. Januar als kommissarischer Vorsitzender der HSV-Supporters Ralf Bednarek ablöst. Spätestens im April soll der gebürtige Berliner dann auch ganz offiziell Chef der 60.000-Mitglieder-Organisation werden, die einen Etat von 1,8 Millionen Euro eigenständig verwalten können.

Bieberstein sitzt im Café Schöne Zeit in der Osterstraße, bestellt sich ein Franzbrötchen und einen Cappuccino. Er müsse unbedingt wieder ein bisschen mehr Sport machen, sagt er, aber er komme derzeit einfach zu nichts. Besonders in den Tagen rund und um die DFL-Entscheidung zum neuen Sicherheitskonzept, das in Wahrheit gar nicht so neu ist, war der Uhlenhorster ein gefragter Mann. Bieberstein diskutierte im Fernsehen mit Journalisten, der Polizeigewerkschaft und Trainerlegende Peter Neururer, sprach mit den HSV-Vorständen und unterhielt sich mit den eigenen Mitstreitern. "Obwohl man die Vorgehensweise der Politik rund um die Diskussion des Sicherheitspapiers verurteilen sollte, muss man trotzdem konstatieren, dass der HSV hier eine verantwortungsvolle Rolle eingenommen hat", sagt Bieberstein, der an die gut gemeinten Worte der HSV-Vorstände erinnert: "Carl Jarchow hat ja klar und deutlich kommuniziert, dass sich für uns Mitglieder auch nach der Verabschiedung des Sicherheitspapiers nichts ändern wird. Daran wird er sich jetzt auch messen lassen müssen."

Doch auch Bieberstein hat gemerkt, dass es in den Tagen nach der DFL-Entscheidung in der Fanszene rumort hat. HSV-Ultras haben sich offiziell zur Fortführung des Stimmungsboykotts für zwölf Minuten und zwölf Sekunden ausgesprochen, moderatere Fans waren dagegen. Drei Fanklubs haben dem HSV-Vorstand Briefe geschickt, in denen sie sich von der aus ihrer Sicht zu militanten Ultras distanzieren. "Zunächst mal begrüße ich es, dass wir eine lebhafte Diskussion innerhalb der Fanszene haben. Wir müssen aber aufpassen, dass sich die Fanszene nicht wie in Mainz oder auf Schalke in unterschiedliche Lager teilt", sagt Bieberstein, der selbst Mitglied der Ultra-Gruppierung Chosen Few ist, aber gleichzeitig mit den Unterzeichnern der offenen Briefe Kontakt aufnehmen will. "Auch die Ultras müssen kritisch hinterfragen, ob man den Protest nun in der Rückrunde noch fortführen muss", sagt der designierte Fan-Chef, der einen kompletten Spieltagsboykott ablehnt.

Auch Oliver Scheel, Vorstand für die Belange der Mitglieder, appelliert daran, die zuletzt sehr emotional geführte Diskussion wieder zu versachlichen. Scheel, dem in Fanforen ein zu lascher Umgang mit den eigenen Ultras vorgeworfen wird, erinnert daran, dass Anhänger des HSV in dieser Saison lediglich bei drei Auswärtsspielen gezündelt hätten: in Gladbach, Düsseldorf und am Wochenende in Leverkusen. Der Feuerteufel in der BayArena wäre schnell dingfest gemacht worden und müsse nun damit rechnen, dass der HSV eine zu erwartende Geldstrafe auf ihn umlegt. Eine Stellungnahme an den DFB hat Scheel bereits am Montag abgeschickt. Zudem hätten die Bayer-Verantwortlichen eine bundesweite Stadionsperre von drei Jahren verhängt.

"Wir wollen den Dialog mit all unseren Fans fortsetzen", sagt Scheel, der einen Infoabend für den 8. Januar angekündigt hat. Da sei jeder Interessierte herzlich eingeladen, sowohl die rund 700 Ultras, die sich bei Poptown und den Chosen Few organisieren, als auch die Mitglieder der drei selbstkritischen Fanklubs. Die mehr als 1000 Teilnehmer der aktuellen Facebook-Diskussionsrunde dürften dagegen eine Fortsetzung des anonymen Austauschs von Beleidigungen im Internet bevorzugen.