Das Fußballkonzept gegen Gewalt ist verabschiedet - der Konflikt droht zu eskalieren

Es gehört zu den geübten Regeln der Politik, dass das unterlegene Lager nach einer Entscheidung besänftigt werden soll. In Frankfurt war dies am Mittwoch nicht anders. Kaum war das umstrittene Sicherheitskonzept gegen Fußballgewalt verabschiedet, luden die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der Deutsche Fußball Verband (DFB) die Fanvertreter zum Dialog ein. Jetzt müsse man unbedingt reden.

Leider sind Zeiten gegenseitiger Aufrüstung eine denkbar schlechte Basis für einen vernünftigen Dialog. Und das Klima zwischen Verbänden, Politik und organisierten Fangruppen ist mit dem Wort "vergiftet" noch vornehm umschrieben. Beigetragen haben dazu alle Seiten.

Dies gilt vor allem für die Ultras, die fanatischste Gruppe unter den Anhängern, die seit Wochen vehement gegen das Konzept kämpft. Gern gerieren sie sich als die Hüter der einzig wahren Fußballkultur, im steten Widerstand gegen überbordenden Kommerz. Viele Ultras verweben jedoch ihren Einsatz für wichtige Anliegen, etwa den Erhalt von Stehplätzen und bezahlbare Eintrittspreise, mit dem Kampf für das Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion. Wie gefährlich diese 1000 Grad heißen Bengalos sind, war beim Auswärtsspiel des HSV in Düsseldorf zu sehen, als plötzlich eine riesige Fahne brannte und allein der Einsatz von Feuerwehrmännern eine Katastrophe verhinderte. In einer ausverkauften Arena Fackeln anzuzünden hat mit emotionaler Fußballkultur nichts zu tun, sondern ist schlicht lebensgefährlicher Unsinn, der streng geahndet werden muss. Wenn die Ultras als Gesprächspartner ernst genommen werden wollen, müssen sie sich von Pyromanen ebenso entschlossen distanzieren wie von der menschenverachtenden "Alle Bullen sind Schweine"-Terminologie.

Abrüsten muss indes auch die Politik. Wer manchen Scharfmachern zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen, als sei der Besuch von Fußballspielen nur noch mit Splitterwesten zu empfehlen. Der gern zitierte Anstieg der Verletzten durch Randale im Zusammenhang mit Fußballgewalt von 846 (Saison 2010/11) auf 1142 (Saison 2011/12) relativiert sich bei näherer Betrachtung doch sehr. Dies sind bei 612 Partien der Bundesliga und der Zweiten Liga in einer Saison etwa zwei Verletzte pro Spiel - bei 18,7 Millionen Zuschauern insgesamt!

Keine Frage: Jeder Verletzte ist ein Verletzter zu viel. Aber Panikmache und Pauschalurteile heizen die Stimmung genauso an wie absurde Klientelpolitik. Wie weit hier der Kampf um Wählerstimmen im Fußball die Politik treiben kann, zeigt eindrucksvoll Katja Kipping, Parteichefin der Linken. Kipping ist sich nicht zu schade, den Ausschluss von Dynamo Dresden aus dem nächsten DFB-Pokal-Wettbewerb zum Ost-West-Konflikt hochzujazzen. Ein Westverein, sagt sie, wäre nicht so hart bestraft worden. Dabei entging Dynamo schon vergangene Saison nach schwersten Ausschreitungen nur auf dem Gnadenweg der Höchststrafe. Der DFB musste nach den neuerlichen Krawallen von Dynamo-Hooligans in Hannover entschlossen reagieren, um sich nicht lächerlich zu machen.

Doch auch die Verbände müssen sich kritisch hinterfragen. Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung der DFL, sprach in Frankfurt beschönigend von einigen "kommunikativen Problemen". Die Wahrheit ist, dass sich auch weite Teile der Fanbewegung, die mit Gewalt nichts im Sinn hat, überrumpelt fühlen. Deshalb hatten der HSV und der FC St. Pauli für eine Vertagung plädiert - am Ende vergebens. Zu groß war wohl auch der Druck der Politik.

Und so bleibt zweifelhaft, ob es wirklich einen Dialog geben kann. Fanvertreter kündigen frustriert an, nunmehr über den Boykott eines kompletten Spieltags nachzudenken. Boykottieren statt reden - das verheißt wenig Gutes.