Nach dem desaströsen 0:3 beim Hinrundenfinale kritisiert Trainer Fink die “suboptimale Vorbereitung“ und den Sparkurs des Vereins.

Leverkusen/Hamburg. Zumindest äußerlich ließ sich Thorsten Fink auch eine Stunde nach dem letzten Abpfiff der Hinrunde nichts anmerken. Lächelnd betrat der HSV-Trainer den kleinen Presseraum der BayArena, grüßte freundlich in die Runde und nahm linksaußen auf dem Podest Platz. Der rosa Pullover strahlte, und auch Fink selbst wollte trotz der bitteren 0:3-Pleite beim Hinrundenfinale in Leverkusen keine schlechte Laune verbreiten. Es sei eine verdiente Niederlage gewesen, sagte der Coach anerkennend, Bayer hätte wacher gewirkt, seiner Mannschaft habe dagegen die Konzentration gefehlt. Doch so sehr sich Fink in seiner Spielanalyse zunächst auch bemühte, die Contenance zu bewahren, so sehr wurde von Satz zu Satz deutlich, wie es dem 45-Jährigen nach der höchsten Hinrundenniederlage tatsächlich ging. Fink brodelte - und explodierte.

"Mit unserer Vorbereitung war ich nicht zufrieden", sagte der Hamburger, der zwar den kräftezehrenden Kurztrip nach Brasilien am vergangenen Wochenende nicht als Ausrede benutzen wollte, gleichzeitig aber professionellere Bedingungen einforderte: "Natürlich ist es unglücklich, wenn man am Vortag des Spiels sechs Stunden lang im Zug sitzt, besonders nach der anstrengenden Reise nach Brasilien." Wegen des Sparzwangs war die Mannschaft am Freitag mit dem ICE nach Köln gereist, zurück fuhr das Team im Mannschaftsbus. So sei es irgendwie eine "suboptimale Vorbereitung" gewesen, sagte Fink, "darüber müssen wir uns im Verein Gedanken machen."

Die hatte sich der nicht weniger verärgerte René Adler bereits unmittelbar nach dem Schlusspfiff gemacht. "Wir haben alle Tugenden des Fußballs vermissen lassen. Da fehlt mir jedes Verständnis", schimpfte der Torhüter, der sich seine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte ganz anders vorgestellt hatte. Den anstrengenden Brasilien-Kurztrip wollte Adler, der am Abend nach dem Spiel mit seinen alten Kollegen essen ging, als Ausrede allerdings nicht gelten lassen. Als Profi habe man die Pflicht, "die Arschbacken zusammenzukneifen, da runterzufliegen, den Job zu machen und in der Bundesliga dann wieder vernünftig zu spielen."

Die Selbstverständlichkeit des letzten Halbsatzes muss bei einem Großteil von Adlers Kollegen allerdings irgendwo über den Wolken zwischen Südamerika und Hamburg abhandengekommen sein. Vor 29.489 Zuschauern lieferte der HSV in der BayArena eine Leistung ab, für die im Anschluss niemand eine plausible Erklärung hatte. "Wir haben den Gegner zu den Gegentoren förmlich eingeladen", sagte Tolgay Arslan, "wirklich erklären kann ich das alles aber nicht." Selbst ein Blick auf den Statistikzettel konnte keine Aufklärung liefern: Die Hamburger lagen in nahezu allen Werten vorne, hatten mehr Zweikämpfe gewonnen, mehr Ecken geschlagen und durften sich über mehr Ballbesitz freuen. An der laut Heiko Westermann "schlechtesten Leistung der Hinrunde" konnten die schmeichelhaften Zahlen aber nichts ändern.

Tatsächlich waren die Hamburger mit den drei Gegentoren von Stefan Kießling (27. und 66.) und André Schürrle (36.) noch gut bedient. Von Champions-League-Ambitionen, von denen Milan Badelj vor dem Spiel noch laut geträumt hatte, sprach nach der siebten Niederlage der Hinrunde jedenfalls keiner mehr. "Ein einstelliger Tabellenplatz zwischen Rang sieben und Rang neun ist realistisch", sagte Westermann, der trotz der derben Pleite eine "ordentliche Hinrunde" bilanzierte. Das sah auch Dennis Aogo ähnlich, der sich aber trotzdem mit einem schlechten Gefühl in den Winterurlaub verabschiedete: "Mit einem Sieg wäre es eine gute Hinrunde gewesen, so war sie nur okay. Dieses Spiel wird hängen bleiben."

Dabei dürfte Aogo über die Feiertage vor allem die Wackelabwehr beschäftigen, die Leverkusen zu Großchancen im Minutentakt eingeladen hatte. Besonders die Viererkette mit Dennis Diekmeier (rechts), Westermann, Michael Mancienne (beide zentral) und Zhi Gin Lam (links) war mit Leverkusens variablen Offensivkräften Kießling, Schürrle und Gonzalo Castro von der ersten bis zur letzten Minute überfordert. Lediglich Adler ("Heute haben wir versagt") konnte ein schlimmeres Debakel verhindern, das die Bilanz einer alles in allem ordentlichen Hinserie sicherlich getrübt hätte.

Denn ganz unabhängig von der Niederlage in Leverkusen dürfen sich die Hamburger über eine Halbserie freuen, die ihnen zu Saisonanfang wohl kaum jemand zugetraut hätte. Nach drei Niederlagen in Folge zum Start sammelte Finks Mannschaft bis zum Winter doch noch 24 Punkte, deutete in einigen Partien wie zum Beispiel beim Heimsieg gegen Schalke ihr Potenzial an und darf sich im Gegensatz zum Vorjahr schon jetzt darüber freuen, nicht um den Klassenerhalt zittern zu müssen. "Mit unserer Entwicklung bin ich sehr zufrieden", sagte Fink, "wir müssen nur konstanter werden."

Wer nun aber dachte, dass der HSV-Trainer nach den Strapazen des Brasilienflugs und der verzögerten Bahnfahrt vom Reisen erst mal die Nase voll hatte, der irrte. Direkt nach der Pressekonferenz in Leverkusen verabschiedete sich Fink zunächst in einen kurzen Skiurlaub, ehe er nach dem Weihnachtsfest noch ein paar Tage in Dubai ranhängt. Beim Trainingsauftakt am 30. Dezember ist er dann wieder in Hamburg, um bereits am 2. Januar schon wieder die nächste Reise in Angriff zu nehmen. Dann verabschiedet sich der HSV ins Trainingslager in Abu Dhabi. Und weil das alles nicht genug ist, will der Verein noch in dieser Woche bekannt geben, wohin man im Anschluss nach der Saison reisen will. Nachdem zunächst eine USA-Tour angedacht war, soll nun Indonesien das Ziel sein. Das Gute an diesem Vorhaben: Bei einer Saisonabschlussreise braucht keiner der Verantwortlichen im Anschluss eine Niederlage in der Bundesliga zu fürchten.

Statistik zum Spiel:

Leverkusen: Leno - Hosogai, Wollscheid, Toprak, Boenisch - Rolfes - Lars Bender, Hegeler - Castro (85. Renato Augusto), Schürrle (72. Kohr) - Kießling (83. Junior Fernandes). - Trainer: Lewandowski

Hamburg: Adler - Diekmeier, Mancienne, Westermann, Lam - Badelj (83. Rincon) - Skjelbred (65. Ilicevic), Aogo - Arslan - Son (65. Beister), Rudnevs. - Trainer: Fink

Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)

Tore: 1:0 Kießling (27.), 2:0 Schürrle (36.), 3:0 Kießling (66.)

Zuschauer: 29.489

Beste Spieler: Schürrle, Kießling - Adler, Son

Gelbe Karten: Hegeler - Lam, Rudnevs

Erweiterte Statistik (Quelle: impire):

Torschüsse: 19:18

Ecken: 6:7

Ballbesitz: 38:62 Prozent