Der Stürmer aus Südkorea erzielte beim 1:0 gegen Mainz schon sein sechstes Saisontor - ein Bekenntnis zum HSV blieb aber erneut aus.

Hamburg. Auf dem Eventschiff "Grosser Michel" herrschte ausgelassene Stimmung. Die auf Mitte November vorgezogene Weihnachtsfeier mit den HSV-Profis und ihren Partnerinnen, dem Trainerstab und allen Betreuern hätte nicht besser terminiert sein können, schließlich glich auch der 1:0-Erfolg gegen Mainz einer vorgezogenen Bescherung. Drei Stunden schipperte die siegreiche Gesellschaft ab 21 Uhr auf der Elbe Richtung Blankenese, später am Anleger wurde weitergefeiert.

Kein Spieler strahlte nach dem glücklichen dritten Heimsieg der Hamburger bei der Party mehr als Heung Min Son, der für den Treffer des Tages gesorgt hatte. Dass Vorlagengeber Maximilian Beister im Abseits gestanden hatte, interessierte ihn nur am Rande. "Schade, dass das nicht gesehen wurde", übte er sich mühsam in einer Mitleidsbekundung, um dann in bester Lukas-Podolski-Manier zusammenzufassen: "Egal. Tor ist Tor." Trainer Thorsten Fink war da schon bemühter und übte sich in einer gewagten Metapher, um das aus seiner Sicht erarbeitete Glück des Tüchtigen zu bebildern: "Das Reh springt nicht von allein ins Maul des schlafenden Löwen."

Für Son gilt Ähnliches. Gegen die Rheinhessen hatte der 20-Jährige lange Zeit nicht stattgefunden und sich nach agilem Auftakt dem unterdurchschnittlichen Niveau des HSV-Spiels angepasst. Doch es ist auch eine Qualität, im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu stehen. Mit nun schon sechs Treffern hat Son seine Trefferbilanz der Vorsaison bereits um ein Tor überboten. "In meiner Heimat drehen sie jetzt bestimmt durch", grinste er gut gelaunt.

Zwar ist Son, wie jeder auch am Sonnabend sehen konnte, noch längst kein ausgereifter Fußballprofi und hat sein Potenzial längst nicht ausgeschöpft. Zu den Mechanismen der Fußballbranche gehört es jedoch, dass Tore sexy machen und Begehrlichkeiten anderer Klubs wecken, das ist im Fall von Son nicht anders. Längst steht sein Name in den Notizblöcken der Talentspäher, auch in denen von Liverpool und Arsenal London.

"Ich bekomme davon nichts mit, weil mir mein Berater nichts von Anfragen erzählt", berichtete Son, "er will vermeiden, dass ich abhebe."

Nur zu gerne würde der HSV den bis Juni 2014 laufenden Vertrag vorzeitig verlängern, in Kürze soll ein erstes Angebot auf dem Tisch liegen. Vorsorglich stellte Sportchef Frank Arnesen klar, dass die Schmerzgrenze für einen vorzeitigen Verkauf "gigantisch" sei. Gegenüber dem "Sportclub" im NDR konkretisierte der Däne, man wolle Son auch nicht für zehn oder zwölf Millionen Euro gehen lassen. Ein offenes Geheimnis ist es aber auch, dass der HSV längst nach potenziellen Nachfolgern forscht, schließlich gelang es dank Son, einige Sponsoren aus Asien zu akquirieren, die dem HSV möglichst lange verbunden sein sollen.

Son selbst vermied es allerdings, sich bei seinen Zukunftsplanungen festzulegen. Ob es im Winter - wie vom HSV angestrebt - zu einem Vertragsabschluss kommen könnte? "Keine Ahnung, das ist schwer für mich zu sagen." Ob er denn überhaupt gerne in Hamburg bleiben würde? "Das weiß ich noch nicht, da muss ich erst mit meinem Papa und meinem Berater sprechen", antwortet er frei heraus, um aber zu betonen: "Mein Vertrag läuft ja noch zwei Jahre, und ich fühle mich in Hamburg sehr wohl." Dennoch: Ein klares Bekenntnis zum HSV sieht anders aus.

Wie sehr der HSV in dieser Saison auf die Tore Sons angewiesen ist, zeigte sich nicht nur gegen Mainz. Zwölf der 17 Punkte holten die Rothosen dank der Treffer des Angreifers in den Spielen gegen Mainz, Augsburg (2:0), Fürth (1:0) und Dortmund (3:2). Dass der Koreaner 50 Prozent der HSV-Tore erzielte, spricht nicht nur für seine Talente, sondern auch für die Torarmut in dieser Saison. Zwar lahmte gegen die klug verteidigenden Mainzer das gesamte Offensivspiel, doch besonders Artjoms Rudnevs fiel ab. Es bleibt die Frage, ob Fink nach der bevorstehenden Rückkehr von Ivo Ilicevic nicht Son in die Spitze beordern sollte, zumal er schon jetzt oft in die Mitte drängt.

Dass sich diese immer deutlicher werdende Schwäche im Angriff, die offensichtlich auch ein Rafael van der Vaart nicht beheben kann, nicht stark negativ bemerkbar macht, liegt an der erstarkten Defensive. Vergangene Saison hatte der HSV nach zwölf Spieltagen schon 25 Gegentore kassiert, jetzt sind es erst 14. Gegen Mainz stand hinten schon zum fünften Mal die Null. "So stelle ich mir einen schönen Sieg vor", hatte Heiko Westermann eine etwas andere Wahrnehmung dieses zähen Siegs. "Vor zwei Jahren wäre uns das nicht gelungen, auf die Chance zu lauern und in der Abwehr sicher zu stehen, wenn es spielerisch nicht so läuft wie erhofft."

Nach dem "erwachsenen Sieg", wie es Arnesen formulierte, ist der HSV punktgleich mit dem Tabellensechsten Hannover 96. Doch im Verein ist man vorsichtig geworden mit kühnen Prognosen. "Wir sind noch lange nicht so weit, über die Europa League nachzudenken. Im Spiel nach vorne sind wir momentan einfach nicht gut", sagte Rafael van der Vaart. Stimmt genau. An dieser Einschätzung sollte sich selbst dann nichts ändern, wenn Son seine Torquote am Freitagabend in Düsseldorf weiter verbessert.