Der ehemalige DFB-Präsident greift Bayern-Präsident Uli Hoeneß an und attackiert Nachfolger Wolfgang Niersbach.

Berlin. Monatelang hat Theo Zwanziger geschwiegen. Das war ungewöhnlich für einen Mann, der sonst zu nahezu allem etwas zu sagen hatte. Homophobie? Rassismus? Mangelhafte Integration? Kaum wurde ein gesellschaftliches Problemthema durch das Land getrieben, war der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zur Stelle. Bis er im März 2012 unter mehr oder weniger unerfreulichen Umständen aus dem Amt schied. Seither war nichts mehr zu hören von dem 67-Jährigen. Nun hat er sich mit seiner Autobiografie wuchtig zurückgemeldet.

"Die Zwanziger Jahre" heißt sie und liegt ab Montag neben den Werken von Jörg Kachelmann, Lothar Matthäus und Bettina Wulff in den Sachbuchabteilungen aus. Flankiert wird so eine Veröffentlichung naturgemäß mit einigem marketingtechnischen Ballyhoo. Drei Teile Vorabveröffentlichung in der "Bild", ein Auftritt in der Talkshow von Markus Lanz und ein Interview in der "Welt am Sonntag" sollen die Verkaufszahlen anheben. Vor allem aber Zwanzigers Thesen haben dem Buch schon jetzt reichlich Aufmerksamkeit beschert. Erstes Fazit: Neue Freunde hat er sich damit nicht gemacht.

Zuerst ist natürlich seine Abrechnung mit Bayern-Präsident Uli Hoeneß ("Macho", "Scharfmacher") zu nennen. Der fällige Konter blieb nicht aus. "Dass Theo Zwanziger kein guter Präsident ist, wusste ich schon lange. Dieses Buch wird ihn nach seinem mehr als peinlichen Rücktritt endgültig in die Isolation treiben", schnaubte Hoeneß.

Dabei verschaffte sein verbales Talent Zwanziger einst den Höhepunkt seiner Karriere, als er bei der Trauerfeier für Torwart Robert Enke eine großartige Rede hielt. Nun allerdings hat er sich angreifbar gemacht. Ursprünglich wollte er ja nur zeigen, "wie ich den Fußball sehe und mir seine Entwicklung vorstelle". Wobei es auch noch einen anderen Grund gibt.

"Natürlich habe ich überlegt, ob ich ein Buch schreiben soll, weil ich durchaus das Risiko kenne, falsch verstanden und verkürzt interpretiert zu werden. Mir ist allerdings aufgefallen, dass mein Freund und Nachfolger Wolfgang Niersbach mir zu schnell und zu oft die Rückkehr des DFB zum Kerngeschäft betont hat", sagt Zwanziger. Und dagegen würde er sich dann doch verwehren: "Man kann mir ja vorwerfen, dass ich ein Sozialromantiker bin. Dieser Vorwurf wäre aber nur dann despektierlich, wenn ich gleichzeitig die Nationalmannschaft, die Nachwuchsförderung oder den Amateurfußball vernachlässigt hätte." Seine Botschaft sei, "dass man beides tun muss: den sportlichen Bereich stark halten und sich der gesellschaftlichen Verantwortung stellen".

Besonders ein Vorwurf wird seinen Nachfolger Wolfgang Niersbach schmerzhaft getroffen haben. Vor der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine reiste eine DFB-Delegation nach Auschwitz. Der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers war eine heikle, hochsensible Angelegenheit für den Fußballverband. Der Zentralrat der Juden hatte im Vorfeld der EM mächtig Druck aufgebaut und vom DFB ein Zeichen gefordert. Die Verantwortlichen rangen mit sich: Wie soll die Fahrt nach Auschwitz ablaufen? Wer kommt mit? Was ist mit den Medien? Letztendlich gab es eine Einigung auf eine zwölfköpfige Delegation und einen Verzicht, die Presse einzuladen.

Der Besuch an sich sei auch "eine gute Sache gewesen, daran konnte wohl niemand etwas aussetzen", schreibt Zwanziger in seinem Buch: "Trotzdem beschleicht mich das Gefühl, für manche sei der Abstecher nach Auschwitz nicht mehr als eine Pflichtübung gewesen, weil so gar nichts nachkam." Im "Welt am Sonntag"-Interview konkretisierte er seine Vorwürfe: "Wer etwas Soziales macht, sollte das tun, weil er sich wirklich verpflichtet fühlt. Das muss man sichtbar machen. Das ist vor allem Sache des Präsidenten. Der Auschwitz-Besuch wurde mir zu schnell abgetan." So etwas müsse "aus einer tiefen Überzeugung heraus" und nicht wegen eines einmaligen medialen Akts getan werden. Er habe weiterhin das Gefühl, dass "der innere Antrieb fehlte, ein so wichtiges Zeichen wie den Auschwitz-Besuch wirklich glaubwürdig zu machen".

Das ist starker Tobak und hat beim DFB für Entsetzen gesorgt. Schließlich hatte sich das Internationale Auschwitz Komitee in einem persönlichen Brief an Niersbach bedankt.

Offiziell wollen sich die DFB-Verantwortlichen am Sonntag nicht zu Zwanzigers Attacken äußern. Es solle keine öffentliche Schlammschlacht mit dem ehemaligen Chef geben, heißt es. Niersbach ließ sich von einem Sport1-Kamerateam auf dem "Deutschen Sportpresseball" am Sonnabend zu vorgerückter Stunde zu dem Satz verleiten, "eigentlich ist jedes Wort zu viel, aber ich würde Uli Hoeneß nicht widersprechen".

Der hatte Zwanziger als "keinen guten Präsidenten" bezeichnet. Karl-Heinz Rummenigge sagte, er würde Zwanziger nicht verstehen: "Ich weiß nicht, warum er diese Dinge überhaupt mitteilt. Es sind am Ende des Tages Indiskretionen, und ich sage: Ein DFB-Präsident muss auch mit Diskretionen stilvoll umgehen und sollte sie nicht so in der Öffentlichkeit kundtun."