Ein Daumenbruch hält den Freezers-Stürmer seit drei Monaten vom Spielen ab - Ende ungewiss. Der 37-Jährige glaubt aber fest an die Rückkehr.

Hamburg. Den Weg zum Marienkrankenhaus findet er längst ohne Navigationsgerät, doch stolz ist er darauf beileibe nicht. Für einen Eishockeyprofi, der Schmerzen niemals als Ausrede dafür gelten lässt, auch nur ein Training zu verpassen, der sich drei Tage nach einem Kieferbruch wieder dienstfähig meldet, sind regelmäßige Arztbesuche so lästig wie Fußpilz. Und obwohl sie für Serge Aubin seit Monaten dazugehören, kann er sich nicht davon freimachen, dass ihn jedes Mal ein tiefes Gefühl der Unruhe beschleicht, wenn ein Termin bei Mannschaftsarzt Jan Schilling ansteht. Dann ist sie wieder im Hinterkopf, die Sorge, dass es irgendwann doch heißt: Sorry, Serge, aber für dich ist leider Schluss mit Leistungssport.

Es war der 2. September, Aubin spielte mit den Hamburg Freezers in der European Trophy gegen die Eisbären Berlin, als ihn ein Puck am Gelenk des linken Daumens traf. Der Schmerz verriet dem Kanadier sofort, dass der Schaden immens sein musste. Im Krankenhaus wurde eine Bennett-Fraktur diagnostiziert; so nennt man diese Art von Spaltbruch des Knochens, der im Gelenk endet. "Es ist völlig normal, dass man damit acht bis zehn Wochen pausieren muss", sagt Teamarzt Schilling.

Doch mittlerweile sind fast drei Monate seit der Operation vergangen, ohne dass absehbar wäre, wann der Angreifer wieder ein Spiel bestreiten kann. Zwar heilt der Knochen stetig, Aubin darf wieder mit dem Team auf dem Eis trainieren, doch den Belastungen, die in Zweikämpfen unter realen Bedingungen auf die Hände einwirken, kann der Daumen noch nicht standhalten. Erschwerend kommt hinzu, dass Aubins rechter Daumen im Frühjahr gebrochen und erst nach der Saison operiert worden war, weil er unbedingt spielen wollte. "Dadurch fehlt ihm in beiden Händen die Stabilität, so dass wir es nicht verantworten können, ihn für spielfähig zu erklären", sagt Schilling.

Serge Aubin hat dafür Verständnis, jedenfalls zwingt er sich dazu, denn eins haben ihm die Mediziner klargemacht: "Wenn ich mir den Knochen noch einmal breche, dann war es das mit meiner Karriere. Deshalb muss ich Geduld haben und warten, bis der Bruch wirklich völlig ausgeheilt ist", sagt er. Noch nie in seiner 17 Jahre andauernden Profikarriere, die immerhin 396 Einsätze in Nordamerikas Topliga NHL aufweist, habe er so lange verletzt pausieren müssen. "Aber ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass es nicht meinem Alter zuzuschreiben ist, sondern einfach Pech war", sagt der 37-Jährige.

Geduld haben und zusehen, wie die Kollegen gewinnen und verlieren - es gibt eine Reihe von Sportlern, die daran zerbrechen. Doch Aubin ist anders. Natürlich fällt es auch ihm unheimlich schwer, die Spiele gemeinsam mit Sportdirektor Stéphane Richer aus einer Loge zu verfolgen, "ich bin dann unheimlich nervös und führe Statistiken, um mich nützlich zu machen und mich abzulenken", sagt er. Aber wo sich andere zurückziehen und möglichst wenig Berührungspunkte haben wollen, um sich nicht vollends nutzlos vorzukommen, geht Aubin den anderen Weg. Er ist bei jedem Training in der Halle, fährt mit dem Team zu jedem Auswärtsspiel und kümmert sich vor allem um die jungen Spieler. "Ich denke, dass das der Beitrag ist, den ich leisten kann, denn für die Jungs ist es gut, nicht immer nur mit dem Trainer zu reden. Und ich glaube, dass es mir leichter fallen wird zurückzukommen, wenn ich weiß, was im Team so passiert", sagt er.

Noch immer fährt er mehrere Stunden vor Heimspielen in die Arena. "Zu Hause fehlt mir einfach die Ruhe", sagt er, und genau das ist seine größte Sorge: Dass seine Frau Nathalie unter seiner Unzufriedenheit leiden muss. Andererseits ist es vor allem die Familie, die beim HSV Eishockey spielenden Söhne Charles, 11, und Benoît, 9, sowie Tochter Justine, 12, die Eiskunstlauf betreibt, die für Ablenkung sorgen, wenn die Gedanken trübe sind.

Und allzu oft passiere ihm das ja auch nicht, denn das positive Denken habe er nie verloren. In der vergangenen Saison war Aubin der wichtigste Führungsspieler des Teams. Dass es jetzt auch ohne ihn läuft und die Freezers mit einem Sieg heute (19.30 Uhr, O2 World) gegen Iserlohn Platz drei in der Deutschen Eishockey-Liga zurückerobern können, freut ihn.

"Ich habe mich nie über den Teamerfolg gestellt. Ich bin stolz auf die Jungs", sagt er. Es sind diese Momente, in denen deutlich wird, warum Aubin von Trainer Benoît Laporte und Sportchef Richer als charakterstarkes Vorbild gepriesen wird. Bislang haben sie den Mittelstürmer für diese Saison nicht lizenziert; dass man ihn über sein Karriereende hinaus in Hamburg halten möchte, ist allerdings kein Geheimnis. Nur die Funktion, in der er tätig werden soll, ist noch nicht verhandelt.

Aubin ist dankbar für diese Option. "Ich habe kein Haus in Kanada und bin deshalb für alles offen", sagt er. Er hat auch Gefallen daran gefunden, Spiele aus der Sicht eines Trainers zu verfolgen, und natürlich weiß er, dass der Moment nicht fern ist, der ihn zum ständigen Beobachter werden lässt. "Aber noch verschwende ich keinen Gedanken an die Zeit nach der Karriere. Ich bin Spieler, und meine Hauptaufgabe ist es, so schnell wie möglich wieder fit zu werden", sagt er.

Er glaubt fest daran, dass er noch einmal so stark werden wird, wie er war. Daumen drücken, dass es tatsächlich klappt, müssen andere.