Sotschi. Ex-Weltmeister will mit Ferrari Mercedes neu herausfordern. Dessen Top-Star Hamilton hätte gegen diese Vision nichts einzuwenden.

"Radisson Hotel, Raum 708", rief Sebastian Vettel den 25 russischen Hostessen zu. Die Zimmernummer von Lewis Hamilton war kein Geheimnis mehr, und die Pressekonferenz nach dem Großen Preis von Russland wurde endgültig zur Comedy-Veranstaltung. Die Stars des Wochenendes verstanden sich dabei blendend, und Gründe für beste Laune gab es reichlich.

Sieger Hamilton steht unmittelbar vor dem nächsten WM-Titel für Mercedes, schon in zwei Wochen könnte es so weit sein. Der zweitplatzierte Vettel im Ferrari kämpft plötzlich um die Vizemeisterschaft - und beide Top-Piloten waren in Sotschi wie berauscht von der Aussicht auf noch engere Duelle in den kommenden Monaten und Jahren.

"Das ist unser Ziel", sagte Vettel, der zuletzt viermal in Folge auf dem Podium stand, "wir wollen Mercedes herausfordern. Noch sind sie uns voraus, aber wir holen Schritt für Schritt auf." Hamilton bezeichnete die Scuderia indes als "ernsthafte Bedrohung, ich kann nicht voraussagen, wie eng es nächstes Jahr schon wird". In einer für jeden Formel-1-Fan verheißungsvollen Vision wünschte er sich zudem bereits enge Rad-an-Rad-Duelle mit dem roten Renner, "ich würde es lieben, so etwas mit Sebastian auszufechten".

Pressestimmen zum GP in Sotschi

The Guardian (Großbritannien)

„Seitdem Hamilton bei Mercedes ist, übertrifft der Erfolg wohl selbst die optimistischsten Erwartungen. Und mit dem Sieg in Russland, sein neunter Sieg der Saison, greift er bereits mit einer Hand nach der dritten Weltmeisterschaft und zieht mit Jackie Stewarts Rekord gleich.“

The Independent (Großbritannien)

„Ein weiteres leichtes Rennen für Hamilton bringt ihn an die Schwelle zum dritten Titel.“

Daily Mail (Großbritannien)

„From Russia with Love... Am Ende hätte Lewis Hamiltons Nachmittag nicht leichter sein können. Nico Rosbergs mürrisches Gesicht nach dem frühen Ausscheiden sagt alles.“

El Mundo (Spanien)

„Hamilton nimmt eine weitere Stufe auf dem Weg zum dritten WM-Titel.“

El Periódico (Spanien)

„Die Konkurrenten machen Hamilton den Weg zum Titelgewinn frei. Der Brite braucht sich nun nicht mehr auf die WM konzentrieren, sondern kann unbekümmert seine Partys feiern.“

Marca (Spanien)

„Lewis Hamilton gewinnt nun sogar auch die Rennen, die er eigentlich hätte verlieren müssen. Die Hoffnungen von Nico Rosberg auf einen Erfolg währten jedoch nur sieben Runden.“

As (Spanien)

„Eine triumphale Spazierfahrt von Lewis Hamilton: Der Brite ist noch mehr Spitzenreiter als er es vor dem Rennen war.“

Kurier (Österreich)

„Mercedes ist Weltmeister, Hamilton ist es bald. Alles hatte Nico Rosberg an diesem Wochenende richtig gemacht: Er war Schnellster im Qualifying, verteidigte seine Führung nach dem Start, blieb auch nach der ersten Safety-Car-Phase vorne. Doch nach sieben Runden war für den deutschen Mercedes-Piloten der Grand Prix und wohl auch das WM-Rennen beendet.“

Kronen Zeitung (Österreich)

„Lewis vor der Krönung: "Für solche Momente lebt man." Hamilton zog in Sotschi Show ab.“

Die Presse (Österreich)

„Und wieder Hamilton. Mercedes gewann erneut die Marken-WM.“

Blick (Schweiz)

„Staatspräsident Putin saß in der Ehrenloge. Sein GP wurde zum Knüller des Jahres: Crashes, Dramen und silberne WM-Feier. Auf dem Podest wurde Hamilton dann noch von Putin der Pokal überreicht und auch noch geküsst - der überraschte Brite wehrte sich nicht...“

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

„Rosberg aus dem Titelrennen... Weil Nico Rosberg aufgeben muss, kann der Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton den neunten Saisonsieg herausfahren."

Tages-Anzeiger (Schweiz)

„Der führende Nico Rosberg wurde wegen Problemen mit dem Gaspedal zur Aufgabe gezwungen. Mit wässrigen Augen musste er mitansehen, wie Lewis Hamilton seinen Sieg aus dem Vorjahr wiederholte und mit dem neunten Vollerfolg in der laufenden Saison seinen Vorsprung im WM-Klassement auf 66 Punkte ausbaute. Ein Polster, das sich der Engländer in den verbleibenden vier Grands Prix unter normalen Umständen nicht mehr nehmen lässt.“

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Pechvogel Rosberg ist plötzlich raus

Schon jetzt hat Vettel die Rolle des ersten Verfolgers inne, das hat allerdings viel mit dem Pech Nico Rosbergs in Sotschi zu tun. Der Mercedes des Vizeweltmeisters hatte schon nach sieben Runden gestreikt, ein defekter Gaspedaldämpfer sorgte dafür, dass Rosberg punktlos blieb und mit 229 Zählern nur noch auf Gesamtrang drei liegt.

Und während Vettel (236) und Hamilton (302) bereits vom Titelkampf der Zukunft träumten, musste der Wahlmonegasse die Enttäuschung der Gegenwart verdauen. Die Hoffnung auf den ersten WM-Triumph kann auch 2015 praktisch nicht mehr in Erfüllung gehen. Schon in zwei Wochen in Austin/Texas wäre Hamilton mit einem Sieg Champion, wenn Vettel nicht über Rang drei hinaus kommt.

Der Große Preis von Russland in Sotschi

Wer will ihn noch stoppen? Lewis Hamilton siegte in Sotschi vor Sebastian Vettel (l.)
Wer will ihn noch stoppen? Lewis Hamilton siegte in Sotschi vor Sebastian Vettel (l.) © dpa
Für den Mercedes-Piloten war es der neunte Saisonsieg
Für den Mercedes-Piloten war es der neunte Saisonsieg © dpa
Für Force-India-Pilot Nico Hülkenberg (hinten) und den Schweden Marcus Ericsson (Sauber) war das Rennen durch einen Crash kurz nach dem Start bereits beendet
Für Force-India-Pilot Nico Hülkenberg (hinten) und den Schweden Marcus Ericsson (Sauber) war das Rennen durch einen Crash kurz nach dem Start bereits beendet © dpa
In den Unfall involviert war auch der Niederländer Max Verstappen vom Team Toro Rosso
In den Unfall involviert war auch der Niederländer Max Verstappen vom Team Toro Rosso © dpa
Hülkenbergs und Ericssons Boliden wurden von der Strecke genommen
Hülkenbergs und Ericssons Boliden wurden von der Strecke genommen © dpa
Formel-1-Boss Bernie Ecclestone (2.v.r.) schaute sich das Rennen neben Russlands Präsident Wladimir Putin an
Formel-1-Boss Bernie Ecclestone (2.v.r.) schaute sich das Rennen neben Russlands Präsident Wladimir Putin an © dpa
Lewis Hamilton ist der WM-Titel kaum noch zu nehmen
Lewis Hamilton ist der WM-Titel kaum noch zu nehmen © Reuters
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Hamilton anerkennt Ferraris Fortschritte

Spannung herrscht in den vier ausstehenden Rennen in den USA, Mexiko (1. November), Brasilien (15. November) und Abu Dhabi (29. November) damit eigentlich nur noch im Kampf um Rang zwei, Vettel gegen Rosberg. Zweifellos geht der Mercedes-Pilot trotz des Rückstands als Favorit in dieses Duell, Ferrari kann die Silberpfeile nur an besonders guten Tagen schlagen. Doch allein die Chance auf den Vizetitel zeigt den großen Fortschritt im Vergleich zum vergangenen Jahr, als Vettels Vorgänger Fernando Alonso letztlich nicht mal halb so viele Punkte aufwies, wie Weltmeister Hamilton.

Um einen echten Titelkampf zwischen Rot und Silber zu ermöglichen, muss allerdings ein ebenso großer Sprung im kommenden Winter her. Im Schnitt eine gute halbe Sekunde betrug der Rückstand der Scuderia auf Mercedes in den Qualifying-Sessions in diesem Jahr, das ist noch immer eine gewaltige Lücke.

Aber, sagt Hamilton, "wir wissen ja, wie stark Sebastian ist. Und Ferrari wird immer besser". Er traut es dem Konkurrenten zu. Und schließt den geschlagenen Teamrivalen in seinen Überlegungen keineswegs aus: "Ich bin sicher, dass Nico ganz stark zurückkommen wird und wieder schwer zu schlagen ist." Ein Dreikampf um die WM wäre für die Formel 1 in der Tat Gold wert.