Fifa-Chefermittler Michael Garcia hatte am Donnerstag angekündigt, das milde Urteil seines rechtssprechenden Kollegen Hans-Joachim Eckert im Fifa-Ethikgremium vor dem Berufungskomitee anzufechten.

Sydney/Zürich. Der frühere Fifa-Reformbeauftragte Mark Pieth hat erneut eine Veröffentlichung des kompletten Untersuchungsberichts von Chefermittler Michael Garcia zu den Korruptionsvorwürfen rund um die WM-Vergaben an Russland und Katar gefordert. „Genau der Konflikt zwischen Herrn Eckert und Michael Garcia zeigt doch jetzt, dass der Untersuchungsbericht mit den Ermittlungsergebnissen zu den verdächtigen WM-Vergaben längst hätte veröffentlicht werden müssen oder jetzt schnellstens veröffentlicht gehört, damit man sich selbst von außen eine Meinung bilden kann“, sagte der Schweizer Top-Jurist der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag).

Garcia hatte am Donnerstag angekündigt, das milde Urteil seines rechtssprechenden Kollegen Hans-Joachim Eckert im Fifa-Ethikgremium vor dem Berufungskomitee anzufechten. „Man kann es keinem recht machen“, wurde Eckert von der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag) zitiert. Zudem hoffe er, „dass meine Botschaft angekommen ist, dass eine Reihe von Verfahren gegen Personen betrieben werden“.

Der deutsche Richter hatte die WM-Gastgeber Russland (2018) und Katar (2022) vom Vorwurf der Bestechung im Vergabe-Prozess freigesprochen und eine Neuvergabe der Turniere ausgeschlossen – trotz Unregelmäßigkeiten von fast allen neun WM-Kandidaten vor der umstrittenen Vergabe im Dezember 2010.

Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke ist enttäuscht über den Disput innerhalb der Ethikkommission des Weltverbandes zu den Untersuchungen der WM-Vergaben 2018 und 2022. „Wir können einfach nur sagen, dass es traurig ist, dass die beiden Vorsitzenden unserer Ethikkommission unterschiedliche Meinungen haben, wenn wir über solch wichtige Dinge im Fußball reden“, sagte Valcke bei einem Pressetermin in Südafrika.

Zum Prozedere eines möglichen Berufungsverfahrens wollte sich die Fifa noch nicht äußern. „Bislang ist die Fifa nicht offiziell von dem Statement informiert worden und ist daher derzeit nicht in der Position, die Angelegenheit weiter zu kommentieren“, hieß es vom Weltverband.

Das Berufungskomitee der Fifa wird geleitet von Larry Mussenden, dem Fußball-Verbandspräsidenten der Bermudas. Einzige europäische Vertreter in dem 13-köpfigen Gremium sind der Präsident des Österreicherreichischen Fußball-Verbandes, Leo Windtner, und Christian Andreasen von den Färöer. Kein Mitglied kommt aus einem der Länder, die sich für die Turniere 2018 und 2022 beworben hatten.

Australiens Fußball-Verband FFA will die Korruptionsvorwürfe gegen seine Bewerbung um die WM-Endrunde 2022 nicht auf sich sitzen lassen und attackiert den Weltverband Fifa. „Wir haben uns an die Regeln gehalten. Unsere Aktivitäten wurden ständig von der Bundesregierung und unabhängigen Prüfern kontrolliert. Zu den beanstandeten Zahlungen hatte uns die Fifa selbst geraten, damit unsere Verbundenheit mit dem Fußball deutlich werden würde“, erklärte FFA-Chef Frank Lowy am Freitag in Sydney.

Australien war im Bericht der rechtsprechenden Kammer der Fifa -Ethikkommission zur Vergabe der WM-Endrunden 2018 an Russland und 2022 an Katar vor vier Jahren unangebrachter Zahlungen an Heimatverbände von Exekutivkomitee-Mitgliedern der FIFA beschuldigt worden. Kammer-Chef Hans-Joachim Eckert (München) unterstellte dem australischen Bewerbungskomitee ausdrücklich Missbrauch von Steuergeldern. Während auch der damalige Kandidat England wegen Unregelmäßigkeiten gerügt wurde, sprach der mit Spannung erwartete Report die erfolgreichen Bewerber Russland und Katar vom weit verbreiteten Verdacht der Korruption frei.

„Die Ermutigungen der Fifa, Fußball-Entwicklungsprogramme zu unterstützen, hat uns zu Entscheidungen verleitet, die jetzt als Veruntreuung gewertet werden“, erläuterte Lowy die FFA-Position.

Australiens Kritik ist nicht der einzige Widerspruch gegen Eckerts Bericht. Schon kurz nach der Veröffentlichung des Reports hatte der Fifa -Sonderermittler Michael J. Garcia (USA) Einspruch gegen die Interpretation seiner Untersuchungsergebnisse durch den Münchner Richter angekündigt. Nach Darstellung des früheren Staatsanwaltes stellt Eckerts Bericht seine Erkenntnisse unvollständig und verfälscht dar.

Internationale Pressestimmen zum FIFA-Bericht zur WM-Vergabe

GROSSBRITANNIEN

„Guardian“: „Fifa, das Regierungsorgan des Weltfußballs, hat sich vor der ganzen Welt lächerlich gemacht.“

„Independent“: „Zerstört die Computer, verleugne den Mann, der angeblich die Bestechungsgelder übergeben hat, oder lass einfach einen höflichen amerikanischen Anwalt nicht rein, der gerne ein paar Fragen stellen würde. Der Bericht von Hans-Joachim Eckert hat wahrhaftig gezeigt, wie der englische Fußballverband mal wieder eine Lektion in Fifa-Politik bekommen hat.“

„Daily Mail“: “Die Fifa ist krank und korrupt.“

„Daily Telegraph“: „Die FIFA muss den Garcia-Report vollständig offenlegen und Neuwahlen für 2022 durchführen“

„The Times“: „Das Blatter-Imperium schlägt zurück“

ITALIEN:

„Gazzetta dello Sport“: „Die Fälle Russland und Katar ad acta gelegt, aber wie viele Zweifel. Es ist kein schönes Schauspiel, das die FIFA bietet. Sogar ein Kind würde verstehen, dass da etwas nicht stimmt. Für uns normal Sterbliche bleibt der berechtigte Zweifel: Wirklich sicher, dass alles sauber ist?“

„Corriere dello Sport“: „Schande ohne Ende. Die FIFA sagt, es gab keine Korruption, aber der Chef der 007 widerspricht.“

„La Repubblica“: „WM und Korruption, die Schande der FIFA.“

„Corriere della Sera“: „Eine Farce der FIFA. Zwischen Skandal und Posse, der Fall der Fußball-WMs in Russland und Katar bleibt offen und stürzt die Regierung von Joseph Blatter erneut in Verlegenheit.“

SPANIEN:

„Marca“: „Bürgerkrieg in der FIFA. Russland und Katar werden gegen den García-Bericht als Ausrichter der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 bestätigt.“

„Sport“: „Die FIFA bricht entzwei. Der Freispruch vom Vorwurf der Korruption für Russland und Katar zerreißt den Verband.“

„La Vanguardia“: „Die FIFA wäscht Russland und Katar rein. Es gab Geschenke, Partys, Geheimvereinbarungen zwischen den Kandidaten, verwerfliches Benehmen, Zerstörungen von Computern, Entlassungen, Rücktritte ... Alles nicht weiter schlimm, meint die FIFA.“

„AS“: „Noch fehlt ein Kapitel in dieser Geschichte: Dass alle 435 ursprünglichen Seiten des García-Berichts zur Gänze und ohne jede Zensur veröffentlicht werden.“

„Mundo Deportivo“: „Krise in der FIFA. Die beiden Kammern der Ethik-Kommission sind sich uneinig.“

„El País“: „Offener Krieg in der FIFA. Der Chefermittler zeigt an, dass der oberste Fußballverband die Schlussfolgerungen des Berichts über die Wahl von Russland 2018 und Katar 2022 verfälscht hat.“

FRANKREICH:

„L'Equipe“: „Der Basar geht weiter. Der Autor des Berichts über die WM-Vergabe 2018 und 2022 stellt die milde Darstellung infrage, wie sie von der FIFA am Donnerstag gegeben wurde. Und er hofft, in der Berufung gehört zu werden.“

„Le Figaro“: „Dunkle Machenschaften à la FIFA. Die Auslegung des Untersuchungsberichts über die WM-Vergabe an Russland und Katar spaltet den Verband. Und sie wirft ganz schön viele Fragen auf.“

„Libération“: „Korruption, die hat es laut FIFA nicht in dem Maße gegeben, dass das Vergabeverfahren neu aufgerollt werden müsste. Es war keine große Überraschung, dass die FIFA nicht davon ausgeht, die WM-Organisation 2018 und 2022 infrage zu stellen.“